ASSET MANAGEMENT - IM GESPRÄCH: CARLOS BÖHLES, SCHRODERS

"Versicherer-Oligopole durch Solvency II"

Chef des institutionellen Geschäfts in Deutschland fürchtet Kollateralschäden durch Regulierung - Anleger wählen höhere Risikostufe

"Versicherer-Oligopole durch Solvency II"

Die künftigen Regeln für Versicherer, Solvency II, werden die Branche umkrempeln und könnten zu Oligopolen führen. Diese Befürchtungen äußert Carlos Böhles, Leiter des institutionellen Geschäfts der Fondsgesellschaft Schroders in Deutschland, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Denn in der Vermögensanlage werde die Assekuranz künftig von regulatorischen Kriterien drangsaliert. Wirtschaftlich sinnvolle Investments werden somit erheblich erschwert.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtNicht nur bei den Versicherern sorgen die künftigen Regeln Solvency II für Aufregung. Auch die für diese Branche tätigen Vermögensverwalter bekommen Kopfschmerzen, da die Vermögensanlage der Assekuranz künftig starken Beschränkungen unterliegt. “Es ist zu befürchten, dass die Solvency-Überlegungen zuVersicherer-Oligopolen als Kollateralschaden der Regulierung führen”, sagt Carlos Böhles, Leiter des institutionellen Geschäfts von Schroders in Deutschland und Österreich, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Die kleinen Anbieter können die neuen Vorgaben gar nicht mehr bewältigen und werden von den Großen geschluckt.”Die Regulatoren bremsten durch die geplanten Regeln quasi die gesamte Branche aus, meint Böhles. “Das ist, wie wenn man auf der Autobahn eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 einführt – dann gibt es zwar weniger Unfälle, aber alle stehen im Stau und keiner kommt mehr so schnell wie nötig ans Ziel.” Das Ziel der Politiker, die Finanzbranche stabiler zu machen, und die wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Assekuranz seien nicht vereinbar. Im SpannungsverhältnisIn diesem Spannungsverhältnis finde die Kapitalanlage statt, so Böhles. “Die Asset-Allokation wird künftig danach gesteuert, was regulatorisch erlaubt ist, statt danach, was wirtschaftlich sinnvoll ist.” Das Reporting und die gesamten regulatorischen Vorgaben und Beschränkungen in der Anlage könnten von den großen Anbietern noch bewältigt werden. Diese können es sich etwa leisten, die bald deutlich höhere Eigenkapitalunterlegung von Aktienengagements zu stemmen, um noch einigermaßen auskömmliche Renditen erwirtschaften zu können. “Das Solvency-II-Regime kann die Branche spalten: Die kleinen Versicherer, aber auch mittelgroße Gesellschaften werden wegen der Kapital- und Reportinganforderungen das Nachsehen haben”, warnt Böhles.Zudem werde die ohnehin nur dürftig ausgeprägte Neigung der Assekuranz, in Aktien zu investieren, durch das Solvency-II-Regime noch verstärkt, so Böhles. Seinen Berechnungen zufolge beträgt die Mehrrendite einer Aktie gegenüber einer risikolosen Anlage 4 %, die Kapitalanforderung liegt bei 39 %. Dies führt zu einer Rendite auf das eingesetzte regulatorische Kapital von nur noch 10 %. Die Anleihe eines bonitätsstarken Unternehmens mit einer “A”Note dagegen bringt eine Mehrrendite von 1,5 % bei einer Kapitalanforderung von 4,2 %. Damit beträgt hier die Rendite auf das eingesetzte regulatorische Kapital 36 %. Da verwundere es nicht, dass niemand in Aktien investiert, echauffiert sich der Vermögensanlageexperte.Ohnehin agierten Versicherer in ihrer Kapitalanlage heutzutage schon im Vergleich zu Unternehmenspensionsfonds nicht immer anhand der wirtschaftlich sinnvollsten Kriterien, moniert Böhles. “60 bis 90 % des Portfolios bestehen aus Kredit- und Zinsrisiken, und der Rock’n’Roll fängt bei der Assekuranz schon bei einer Unternehmensanleihe mit gutem Rating an.” Die stark einseitige Ausrichtung auf Anleihen erschwert es der Assekuranz im Niedrigzinsumfeld immer mehr, ihre Versprechen gegenüber den Kunden einzuhalten. “Jetzt müssen sich viele Anbieter erstmals überhaupt mit einem weiteren Spektrum an Risiken auseinandersetzen, bislang glich die Kapitalanlage eher einer Allokation von Kapital statt einer Investition von Kapital.” Im Vergleich dazu seien Pensionsfonds von Unternehmen wesentlich agiler in der Allokation, zumal diese auch den Vorschriften zufolge mehr Risiken eingehen dürfen. Sie seien viel stärker bei Unternehmensanleihen, auch im High-Yield-Bereich, unterwegs.Etwa zwei Drittel des deutschen institutionellen Geschäfts von Schroders rührt von den Pensionsfonds und -kassen her. Der Rest stammt von Versicherern und Banken. Das Geschäft mit Großinvestoren umfasst knapp 2,8 Mrd. Euro und hat sich seit 2007 versechsfacht. Insgesamt verwaltet Schroders 7 Mrd. Euro in Deutschland. Trend zu längerer DurationDie Hälfte des für Institutionelle betreuten Portfolios steckt im Anleihebereich, 30 % sind in Aktien, 15 % in Rohstoffen und 5 % in Immobilien. Für das laufende Jahr geht Böhles davon aus, dass seine Kunden bei den Assets jeweils eine Risikoklasse höher gehen werden. Immer mehr Kunden werden sich seiner Ansicht nach von Staatsanleihen verabschieden und in Unternehmensanleihen, Immobilien oder Infrastruktur umschichten. Diejenigen, die schon stark in Unternehmensanleihen engagiert sind, müssten wegen der dort fallenden Renditen High-Yield- oder Lower-Tier-2-Papiere ins Auge fassen, rät Böhles.Im Anleihebereich stellt Böhles bei den Investoren allgemein einen Trend zu einer längeren Duration fest, die angesichts der eher kurzfristigen Ausrichtung von Unternehmenspapieren aber schwierig darstellbar sei, das Angebot von langfristigen Anleihen sei bei Unternehmen ausgesprochen dünn.