PORTFOLIO - IM INTERVIEW: HEINZ STEFFEN, FAIRESEARCH

"Viele Unternehmen noch nicht reif für Anleihemarkt"

Analyst rät zum Blick auf die Mittelverwendung aus den Mittelstandsanleihen

"Viele Unternehmen noch nicht reif für Anleihemarkt"

Privatanleger haben verstärkt Anleihen von deutschen Mittelständlern im Blick. Heinz Steffen von Fairesearch beurteilt die entsprechenden Bondsegmente prinzipiell positiv, allerdings rät er Anlegern, schon sehr genau darauf zu achten, wo sie ihr Geld investieren. Hohe Kupons reflektierten oftmals das Risiko nicht.- Herr Steffen, Anleihen von deutschen Mittelständlern erfreuen sich reger Beliebtheit. Immer stärker werden diese Segmente der Börsen mit entsprechenden Anleihen bedient. Betrachten Sie das mit Sorge?Die gute Nachricht vorweg: Es ist als sehr gut zu bewerten, dass diese innovativen Segmente geschaffen wurden und sich in kurzer Zeit etabliert haben. Vorreiter ist Bondm der Börse Stuttgart. Banken haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder den Mittelstand auf die Fahnen geschrieben. In der Krise haben sie aber versagt. Sie haben keine Kredite mehr vergeben, zum Teil aber auch deshalb, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt und ihre Kreditvergabemöglichkeiten in der Krise eingeschränkt waren. Von daher ist die Schaffung von Segmenten für Mittelstandsanleihen richtig.- Und die schlechte Nachricht?Viele Unternehmen sind noch nicht reif für den Anleihemarkt. Das gilt sowohl mit Blick auf die Unternehmenskennzahlen als auch das Management. Die Unternehmen haben es versäumt, auch Qualitätskriterien für ihr Zahlenwerk zu definieren. Zudem fehlt eine Art TÜV-Siegel einer unabhängigen Institution für diese Anleihen. Die Segmente verzeichnen ohne Frage eine dynamische Entwicklung. Ich bin aber besorgt über die unterschiedliche Ergebnis- und Transparenzqualität von Unternehmen und deren Motive, warum sie an den Markt gehen.- Wer kauft diese Anleihen vornehmlich?Gute Frage. Bondm hat einmal Research zu der Dürr-Anleihe veröffentlicht. Gemessen an der Ordergröße und angesichts des Eingangs der Orders nach Bankentyp muss man sagen, dass es wohl in erster Linie Privatanleger sind, die hier kaufen. Dafür spricht auch die Stückelung von 1 000 Euro, wobei das nicht als alleiniges Kriterium herhalten darf. Zudem sind die Zinssätze für Privatanleger attraktiv. Deshalb scheinen die Bonds für diese Zielgruppe geeignet zu sein. Banken sind hier aber nicht die treibende Kraft, sondern die Privatanleger.- Warum gehen institutionelle Investoren nicht in diese Bonds?Für Institutionelle sind die Emissionsvolumina zu klein. Institutionelle sehen sich erst Anleihen mit einem Volumen von 500 Mill. Euro aufwärts an. Bei einigen Adressen können es auch mal 300 bis 350 Mill. Euro sein. Zudem ist der Portfoliobeitrag dieser Anleihen zu gering. Auf der Ertragsseite oder bei der Diversifikation können die kleinvolumigen Bonds keine signifikanten Beiträge zum Portfolio leisten. Des Weiteren ist der analytische Aufwand zu hoch, um sich wirklich qualifiziert mit der Anleihe auseinandersetzen zu können. Das Rating der Anleihe allein ist für einen institutionellen Anleger nicht der maßgebliche Punkt für eine Anlageentscheidung.- Worauf sollten Anleger achten?Zuerst auf das Geschäftsmodell des Unternehmens. Ist das Unternehmen in der Lage, die Zinsen aus dem Cash-flow zu bezahlen? Dafür müssen Anleger sich die Cash-flow-Rechnung und die Investitionsvorhaben ansehen. Generell ist dann auch die Mittelverwendung aus der Anleiheemission zu betrachten gemäß der Devise: follow the money. Dient die Anleihe etwa der Umschuldung innerhalb des Unternehmens, oder finanziert die Anleihe etwa das Hobby des Vorstandschefs? Soll das Kapital in neue Geschäftsfelder investiert werden, sind Akquisitionen geplant? Das sind wichtige Fragen. Der Anleger muss einfach seinem Geld folgen. Bei einer Kreditablösung, die durchaus positiv sein kann, könnte es aber auch sein, dass die Banken ihr Risiko herunterfahren wollen. Warum? Rechnen sie etwa mit einer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens?- Sind Akquisitionen auch so kritisch zu hinterfragen?Bei Akquisitionen von Unternehmen oder dem Kauf von Markenrechten ist zu fragen: Wer erhält das Geld? Es sind schon häufiger Fälle zu beobachten gewesen, bei denen die Mittel aus diesen Käufen an die Personen aus der Nähe des Unternehmensgründers geflossen sind. Und letztlich stellt sich auch die Frage, ob es für bestimmte Entwicklungen auf Unternehmensebene – das können Verschlechterungen von Finanzkennzahlen oder Übernahmen/Fusionen sein – Gläubigerschutzklauseln, die sogenannten Covenants, vorhanden sind.- Sind Kupons von 7 bis mehr als 9 % nicht schon ein klares Warnzeichen?Auf den ersten Blick scheint das Risiko im Zinssatz reflektiert zu werden. Das ist aber bei weitem nicht der Fall. Das Risiko bei manchen Unternehmen ist wesentlich höher, als es der Zins wiedergibt. Unternehmen höchst unterschiedlicher Qualität befinden sich in der Zinsbandbreite von 7 bis 9 %. Diese Zinsbandbreite müsste bei genauerer Analyse deutlich nach oben verschoben werden.- Die Unternehmen haben vielfach ein Rating im Bereich von “BBB” bis “BB”, manche haben aber auch nur “B”. Was für ein Risiko leitet sich daraus ab?Generell muss konstatiert werden, dass es sich um ein Unternehmensrating und nicht um ein Anleiherating handelt. Ein Unternehmensrating gibt eine Einschätzung der Bonität des Schuldners. Ein Anleiherating gibt eine Einschätzung über das Risiko, das mit einem Bond verbunden ist. In der Regel ist das Anleiherating schlechter als das Unternehmensrating. Für die Ratingagenturen stellt sich zudem die Haftungsfrage. Wenn eine Anleihe mit einem Rating versehen wird und diese Anleihe später nicht zurückgezahlt werden kann, haftet die Ratingagentur bei grober Fahrlässigkeit. Von Investoren angestrengte Prozesse sind die Folge.- Das Rating wird zumeist von Creditreform und nicht von den international geläufigen Agenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch vergeben. Wie ist die Ratingmethodik von Creditreform einzustufen?Ein Rating schützt vor Torheit nicht. Es geht nicht darum, ob Standard & Poor’s besser als Creditreform ist, sondern hier sind die Interessenlagen und die Geschäftsmodelle aller Ratingagenturen zu analysieren. Es fehlt bei allen Agenturen in der Regel die Unabhängigkeit zum Auftraggeber, sodass das Rating nur eine Grobeinschätzung des tatsächlichen Risikos wiedergibt. Eine richtige unabhängige Analyse ist das nicht. Die Erfahrung bei Folgeratings zeigt, dass Ratings erst dann gesenkt werden, wenn das Unternehmen bereits in der Realität angekommen ist.—-Das Interview führte Kai Johannsen.