RECHT UND KAPITALMARKT

Von der Strategie zur Wasserstoffwirtschaft

Konkrete politische Entscheidungen sind für die Etablierung als klimafreundlicher Energieträger dringend erforderlich

Von der Strategie zur Wasserstoffwirtschaft

Von Stefan Schröder *)Nach der Bundesregierung hat inzwischen auch die Europäische Kommission ihre Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Ein erfolgreicher Markthochlauf von klimafreundlichem Wasserstoff bedarf nunmehr jedoch konkreter politischer Entscheidungen und Umsetzungsakte.Wasserstoff führt bis heute ein Nischendasein in der industriellen Anwendung. Der derzeit weltweit eingesetzte Wasserstoff wird zudem zu 99 % aus Kohle, Erdgas und Nebenprodukten von fossilen Raffinerien gewonnen. Gleichzeitig gibt es in der Energiewirtschaft wenige Themen, die so sehr im Fokus stehen wie die zukünftig beabsichtigte Nutzung von klimaneutralem Wasserstoff als Energieträger.Im Juni dieses Jahres hat die Bundesregierung die lange erwartete Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Darin spricht sie sich für den umfassenden Einsatz von grünem, aus erneuerbaren Energien produziertem und damit klimafreundlichem Wasserstoff als Energieträger und -speicher aus. Hierzu soll ein “Heimatmarkt” für Wasserstofftechnologien in Deutschland gefördert werden, von dem eine Signalwirkung für den Einsatz deutscher Wasserstofftechnologien im Ausland ausgehen soll. Die europäische SichtWenige Wochen später hat die Europäische Kommission ihr Strategiepapier zum Thema Wasserstoff im Kontext des “European Green Deal” veröffentlicht. Wie bereits die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung konzentriert sich auch das europäische Strategiepapier insbesondere auf grünen Wasserstoff, der durch Elektrolyse von Wasser mittels Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird.Deutlicher als im Strategiepapier der Bundesregierung wird jedoch anerkannt, dass in einer Übergangsphase auch andere CO2-arme Erzeugungsverfahren dazu beitragen können, Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger zu etablieren. Zu denken ist hierbei insbesondere an den Einsatz von blauem Wasserstoff als Brückentechnologie. Dieser wird zwar aus fossilen Energieträgern erzeugt, jedoch wird die Erzeugung mit einem CO2-Abscheidungs- und -Speicherungsverfahren gekoppelt, so dass das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt. Drei Phasen Die europäische Strategie sieht eine in drei Phasen unterteilte Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft vor. In einer ersten Phase (2020 bis 2024) soll insbesondere die Nutzung von klimafreundlichem Wasserstoff in Bereichen etabliert werden, die bereits heute Wasserstoff verwenden, allerdings solchen, der aus fossilen Brennstoffen als Einsatzstoff gewonnen wird und damit gerade nicht klimafreundlich ist. Dies betrifft beispielsweise die chemische Industrie. Hierzu soll die derzeitige Elektrolyseleistung in der EU von etwa 1 Gigawatt auf mindestens 6 Gigawatt erhöht werden.Bereits bis zum Ende der zweiten Phase (2024 bis 2030) soll sodann eine Elektrolyseleistung von mindestens 40 Gigawatt installiert werden. Gleichzeitig soll in dieser Phase die Nutzung von Wasserstoff insbesondere auf neue Sektoren wie die Stahlerzeugung und die Nutzung beispielsweise im Güterverkehr auf der Straße, im Schienen- und im Seeverkehr ausgeweitet werden.In der dritten Phase (2030 bis 2050) sollen schließlich sämtliche Sektoren erreicht werden. Dabei hat die Kommission insbesondere solche Sektoren im Auge, in denen eine Dekarbonisierung abseits der Nutzung von Wasserstoff nicht oder zumindest nicht wirtschaftlich sinnvoll möglich ist. Beide Strategiepapiere sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung des umfassenden Einsatzes von klimafreundlichem Wasserstoff. Was sich in den Strategiepapieren bereits zielführend anhört, ist jedoch bei Weitem kein Selbstläufer. Zahlreiche Fragen, wie genau diese Ziele erreicht werden sollen, bleiben in den Strategiepapieren unbeantwortet. Der europäische wie auch der deutsche Gesetzgeber müssen daher nunmehr erforderliche politische Entscheidungen treffen und die notwendigen Umsetzungsakte angehen.So sind in den Strategiepapieren zwar jeweils Fördertöpfe in Milliardenhöhe vorgesehen. Diese müssen aber auch zielgerichtet und rechtssicher verteilt werden. Und, wenn die Zielsetzungen im Sinne des angedachten Zeitplans der Kommission erreicht werden sollen, auch zeitnah. Dies gilt auch für die Implementierung von Förderinstrumenten wie beispielsweise der angedachten Befreiung von Umlagen. Denn die Ziele einer Elektrolyseleistung von 6 Gigawatt bis 2024 und von sogar 40 Gigawatt bis 2030 sind durchaus ambitioniert. Dies gilt umso mehr, als grüner Wasserstoff zumindest derzeit in keiner Weise wettbewerbsfähig gegenüber fossilem Wasserstoff ist.Auch weitere rechtliche Umsetzungsakte dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Insbesondere muss so schnell wie möglich klar werden, wie der zukünftige regulatorische Rahmen für eine Wasserstoff-Netzinfrastruktur aussehen wird. Dass der derzeitige Regulierungsrahmen für den Gassektor grundsätzlich nicht auf Wasserstoffinfrastruktur anwendbar ist, sondern nur auf Detailaspekte wie beispielsweise die Möglichkeit der geringfügigen Beimischung von Wasserstoff im Erdgasnetz, hat die Bundesnetzagentur als zuständige deutsche Regulierungsbehörde für den Energiesektor zuletzt mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht. Damit gibt es für den Transport und die Verteilung des neuen “Hoffnungsträgers eines klimaneutralen Europas” derzeit schlicht kein anwendbares und umfassendes Regulierungsregime. Die rasche gesetzgeberische Weichenstellung, wie der zukünftige regulatorische Rahmen für die Wasserstoffwirtschaft aussehen soll, ist für den erfolgreichen Markthochlauf von Wasserstoff daher ebenfalls essenziell.Die derzeitige Erzeugungskapazität für Strom aus erneuerbaren Energien reicht zudem bei weitem nicht aus, um den für die Produktion von grünem Wasserstoff bevorstehenden Bedarf zu decken. Zwar kann und muss auch die Erzeugungskapazität im Inland erhöht werden. Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass langfristig womöglich rund 90 % des benötigten Wasserstoffs importiert werden müssen.Eine derzeit viel diskutierte Möglichkeit ist daher die Errichtung von PV-Anlagen in sonnenreichen Regionen, um den so erzeugten Strom zur Elektrolyse einzusetzen und den dadurch gewonnenen grünen Wasserstoff nach Europa zu exportieren. Dabei wird insbesondere an Projekte in Nordafrika, aber auch im Nahen Osten oder Südamerika gedacht. Solche Vorhaben sind jedoch nicht unproblematisch. Dies gilt einerseits in Bezug auf die jüngst von der politischen Opposition angemeldeten Bedenken, dass derartige Projekte in den Zielländern zu Trinkwasserkonflikten führen könnten.Andererseits drängt sich die Frage auf, ob die EU sich angesichts der dort zum Teil sehr instabilen politischen Verhältnisse tatsächlich dauerhaft in eine Energieabhängigkeit von insbesondere den nordafrikanischen Staaten begeben will. Schließlich ist problematisch, dass die Kosten für den Transport von Wasserstoff von weit entfernten Produktionsstandorten nach Europa den Preis des grünen Wasserstoffs wiederum erheblich verteuern werden. Aus Fehlern lernenWährend der Gesetzgeber somit vor großen Aufgaben steht, die es zu lösen gilt, darf sich ein in der Vergangenheit hinsichtlich der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien begangener Fehler nicht wiederholen: Denn dem deutschen Gesetzgeber ist es im letzten Jahrzehnt zwar gelungen, vor allem durch Fördermechanismen den Anteil an Grünstrom im deutschen Strommix erheblich zu erhöhen. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Kosten sind dem Gesetzgeber zum Teil jedoch durchaus aus dem Ruder gelaufen. Zudem konnte der Gesetzgeber die Wertschöpfung nicht in Deutschland erhalten. Im Gegenteil ist Technologie in “Billiglohnländer” abgewandert und hat zu zahlreichen Insolvenzen deutscher Anlagenbauer geführt. Dies gilt es in Bezug auf die Entwicklung der Wasserstofftechnologie und die Etablierung der Wasserstoffwirtschaft zu verhindern. *) Dr. Stefan Schröder ist Partner der Kanzlei Hogan Lovells.