RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: TIM JOHANNSEN-ROTH

"Vorstände für Indikationswirkung von Directors' Dealings hochsensibel"

Keine Missstände - Regelungen zu Aktiengeschäften schaffen Transparenz

"Vorstände für Indikationswirkung von Directors' Dealings hochsensibel"

– Herr Johannsen-Roth, handeln Vorstände mit eigenen Aktien der Gesellschaft, kann sich dies stark auf den Aktienkurs und damit auch auf die Marktkapitalisierung auswirken, wie man jüngst bei Lanxess gesehen hat. Gibt es Handlungsbedarf?Es besteht in Deutschland kein Missstand im Hinblick auf Directors’ Dealings. Im Gegenteil: Gerade die umfassenden Investitionen in eigene Aktien, die gegenwärtig in den Führungsetagen zahlreicher Unternehmen als Reaktion auf zunehmend nervöse Kapitalmärkte getätigt werden, bedeuten gegenüber den Anlegern ein starkes und wichtiges Vertrauensvotum in die Zukunfts- und Leistungsfähigkeit. Sie belegen, dass Vorstände für die Symbolkraft und Indikationswirkung von Directors’ Dealings hochsensibel sind.- Muss man aber nicht am Regelungsregime zweifeln, wenn Vorstände offenbar in der Lage sind, mit privaten Handelsentscheidungen substanzielle Werte ihres Unternehmens zu vernichten?§ 15 a des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) verpflichtet Personen, die bei einem Emittenten von börsennotierten Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen, der Gesellschaft sowie der Aufsicht BaFin eigene Geschäfte in Aktien “ihrer” Gesellschaft oder in darauf bezogenen Finanzinstrumenten innerhalb von fünf Werktagen mitzuteilen. Auch die Gesellschaft ist verpflichtet, derartige Mitteilungen unverzüglich nach Erhalt europaweit und medienübergreifend zu veröffentlichen. Die Vorschrift zielt somit maßgeblich darauf ab, den Informationsfluss auf den Kapitalmärkten transparenter und effizienter zu machen. Sie dient also nicht der Beschränkung oder gar dem Verbot von Directors’ Dealings – und erst recht nicht der Bewertung oder Steuerung persönlicher Investitionsentscheidungen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich insoweit – in Übereinstimmung mit europarechtlichen Vorgaben – bewusst für ein Transparenzmodell entschieden.- Wäre ein Verbotsmodell, das Führungskräfte gänzlich vom Handel mit eigenen Aktien ausschließt oder auf bestimmte Handelsfenster beschränkt, nicht effektiver?In der Tat hat es solche Überlegungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu § 15 a WpHG gegeben. Allerdings begegnen diese Vorschläge rechtlichen Bedenken bzw. sind im Hinblick auf die Vermeidung von Marktverwerfungen für die Praxis ungeeignet. So spricht gegen ein absolutes Handelsverbot, dass der damit verbundene erhebliche Eingriff in die Privat- und Eigentumssphäre unverhältnismäßig wäre. Überdies ist die Beteiligung von Führungskräften am Unternehmen – etwa über Aktienoptionsprogramme – im Hinblick auf die damit verbundene Identifikations- und Incentivierungswirkung ja gerade gewünscht. Zudem wird vor allem von hochqualifizierten Führungskräften mit internationalem Hintergrund häufig auch erwartet, sich derart persönlich beteiligen zu können.- Und die Variante eines zeitlich begrenzten Handelsverbots?Zeitlich begrenzte Handelsverbote bestehen unter insiderrechtlichen Aspekten ohnehin – aus diesem Grunde werden etwa in Aktienoptionsbedingungen regelmäßig bestimmte zulässige Ausübungszeitfenster definiert. Zudem änderte auch eine solche Einschränkung nichts an einer etwaigen negativen Signalwirkung bestimmter Handelsentscheidungen. Gleiches würde im Übrigen auch für eine volumenmäßige Begrenzung gelten. Denn schon die Grundsatzentscheidung von Vorständen, eigene Aktien zu veräußern, könnte im Einzelfall geeignet sein, Zweifel der Kapitalmärkte am Vertrauen der Unternehmensleitung in die eigene Gesellschaft auszulösen – auch wenn sich dieser Effekt mit wachsendem Veräußerungsvolumen noch verstärken mag.- Können Vorstände also letztlich beliebig privat mit eigenen Aktien handeln, solange sie dies nachträglich bekannt machen?Der Schutzzweck der Regelung zu Directors’ Dealings ist erreicht, wenn die Markttransparenz über die Handelsmaßnahme des Vorstands hergestellt ist. Die daraus resultierende potenzielle Signalwirkung an den Kapitalmärkten ist somit ein Anschlussphänomen außerhalb des gesetzlichen Regelungsbereichs. Allenfalls in Extremfällen könnten solche Sachverhalte über die aktienrechtliche Sorgfalts- und Treuepflichtenbindung von Vorständen rechtlich erfasst werden. Für die Praxis dürfte dies aber allenfalls geringe Relevanz haben. Denn das effektivste Präventiv- bzw. Korrektivinstrument liegt ohnehin in der Bewertung der Erfolgsbilanz der Vorstände durch Aktionäre und Kapitalmarkt.—-Dr. Tim Johannsen-Roth ist Partner im Düsseldorfer Büro von Linklaters. Die Fragen stellte Walther Becker.