Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Klaus Nieding

Vorstandsvergütung eines der größeren Hauptversammlungsthemen

"Advisory Vote der Aktionäre kann zu kritische Diskussionen vermeiden helfen"

Vorstandsvergütung eines der größeren Hauptversammlungsthemen

– Herr Nieding, was ist das Hauptthema der diesjährigen Hauptversammlungssaison?Es gibt anders als in den Vorjahren nicht das eine HV-Thema. Vielmehr existiert ein Strauß von allgemeinen Themen, auf die sich die Vorstände und Aufsichtsräte einstellen müssen, neben den speziellen individuellen Themen der einzelnen Gesellschaften – wie etwa bei allen Banken und Finanzdienstleistern – Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank, Hypo Real Estate, IKB etc. – nach der Subprime-Krise, bei Fraport, Kali + Salz, Chemie- und anderen umweltsensiblen Unternehmen aufgrund geänderter politischer Verhältnisse nach den jüngsten Landtagswahlen. Dies betrifft gerade Hessen. Bei der Deutschen Börse etwa wird es um die Frage nach der künftigen Strategie gehen: Kaputtsparen versus aktive Teilnahme am Konsolidierungsprozess der europäischen Börsenlandschaft. Oder etwa bei Volkswagen wegen des angekündigten Mehrheitserwerbs von Porsche und der damit verbundenen eventuellen Neuauflage des VW-Gesetzes. – Welche allgemeinen Themen werden hauptsächlich ausgewählt?Nach wie vor im Fokus stehen Fragen zur Corporate Governance, insbesondere Vergütungsfragen vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um Vorstandsbezüge und Abfindungen. In diesem Zusammenhang wird man einen kritischen Blick auf den Inhalt der Vorstandsverträge werfen und nach Begrenzungsmechanismen bezüglich deren Höhe wie Caps oder den sogenannten Change-of-Control-Klauseln und deren genauem Inhalt fragen. Ferner wird der Fokus – bedingt durch den Fall des früheren EnBW-Chefs Utz Claassen – auch auf Übergangsgeldern liegen. Da bei diesem Thema auch der Aufsichtsrat besonders in der Verpflichtung ist, wird insoweit nach der Tätigkeit des Vergütungsausschusses zu fragen sein: Überprüft dieser die Angemessenheit der Vorstandsvergütung, hat er sich die maximal mögliche Vergütung erläutern lassen, wie sieht es mit den einzelnen variablen Vergütungsbestandteilen wie AOP, Phantom Stocks etc. aus? – Was können Gesellschaften tun, um zu kritische Diskussionen über Vergütungsregeln zu vermeiden? Den Gesellschaften selbst kann ich zur Vermeidung von ausufernden Diskussionen nur raten, die HV an dem Thema Vergütung zu beteiligen. Dies kann etwa im Sinne eines Beschlusses zur Vergütungspolitik und Vergütungsstruktur laufen. Dieser HV-Beschluss sollte aber lediglich als Advisory Vote, also ohne entsprechende Bindungswirkung, ausgestaltet werden, um nicht unnötig Gerichtsverfahren zu provozieren. Solche Advisory Votes reichen völlig aus, denn die Gesellschaften können es sich wegen der damit verbundenen Öffentlichkeitswirkung ohnehin nicht leisten, sich im Nachhinein nicht an die Beschlüsse zu halten. – Werden auch die Aufsichtsräte wieder Gegenstand der HV-Diskussion sein?Neben den aus den Vorjahren bekannten Fragen zu Beratungsverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern und der Effizienzprüfung wird vor allem die Besetzung der Ausschüsse eine größere Rolle spielen. Besonders wichtig ist dabei die Qualifikation der einzelnen Mitglieder, insbesondere des sogenannten Financial Expert. – Welche Rolle spielen in den diesjährigen Hauptversammlungen die Gesetzesänderungen der vergangenen Monate?Vor allem das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TransPuG) bietet sich für Fragen nach den Intentionen der Aktionäre mit wesentlichen Beteiligungen an. Soweit Gesellschaften regelmäßig niedrige Präsenzen haben, bietet es sich im Fall des Engagements kritischer Aktionäre – Fälle wie Cewe Color oder Kuka – an zu fragen, welche Maßnahmen das Management ergreifen will, um die Präsenzen dauerhaft zu erhöhen. – Großen Raum in Hauptversammlungen nehmen immer auch Fragen zu Kapitalmaßnahmen ein . . .Insbesondere bei Vorratsbeschlüssen zur Ermächtigung des Rückkaufs eigener Aktien wird 2008 mit verstärkten Fragen zu rechnen sein. Insofern bietet es sich an nachzufassen, ob der Vorstand mit dem Kapital, das er für den Rückkauf eigener Aktien einzusetzen gedenkt, nichts Besseres anzufangen weiß – etwa im operativen Geschäft. Denn die Verwendung von Mitteln zum Rückkauf eigener Aktien ist ja das Eingeständnis, dass man operativ keine andere Möglichkeit erkennt. Das kann in vielen Fällen durchaus gerechtfertigt sein, im Einzelnen aber auch einem unternehmerischen Offenbarungseid gleichkommen. Kritisch ist auch zu hinterfragen, ob der Rückerwerb eher der kurzfristigen Erreichung von Renditezielen mit dem natürlich rein zufälligen Nebeneffekt der Aufbesserung der Managementvergütung dient – honi soit qui mal y pense. Klaus Nieding ist Anlegeranwalt in Frankfurt. Daneben ist er Landesgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Frankfurt.Die Fragen stellte Walther Becker.