Immobilien - Gastbeitrag

Was bedeuten die neuen Stresstests für Versicherer?

Börsen-Zeitung, 29.10.2009 Seit vielen Jahren prognostizieren unterschiedliche Expertenstudien, dass die deutschen Versicherungen verstärkt in Immobilien investieren werden. Die Voraussagen sind bislang nicht eingetroffen. Jetzt entsteht jedoch ein...

Was bedeuten die neuen Stresstests für Versicherer?

Seit vielen Jahren prognostizieren unterschiedliche Expertenstudien, dass die deutschen Versicherungen verstärkt in Immobilien investieren werden. Die Voraussagen sind bislang nicht eingetroffen. Jetzt entsteht jedoch ein sehr viel stärkerer Druck auf die Versicherungen, umzudenken. Der Grund dafür sind neue Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für langfristige Modellrechnungen.Zum Hintergrund: Regelmäßig müssen sich Lebensversicherungen einem Stresstest unterziehen, bei dem bestimmte Kapitalmarktentwicklungen und deren Auswirkungen auf die Anlagen der Versicherer simuliert werden. Das ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass die BaFin nunmehr von den Versicherungen bis zum 4. November eine ganz andere Art der Modellrechnung verlangt. Erstmals in ihrer Geschichte verlangt die BaFin von den Lebensversicherern Modellrechnungen, die von sehr niedrigen Zinsen bis 2018 ausgehen und den Zinsbedarf bis 2027 modellieren. Völlig neue QualitätDas bedeutet eine völlig neue Qualität der Stresstests. Bisher wurden bei Stresstests lediglich drastische Einbrüche am Aktien- oder Rentenmarkt simuliert. Das Szenario einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase ist jedoch neu und deshalb sehr bedeutsam, weil die Lebensversicherungen nach wie vor über 80 % der Kapitalanlagen in Anleihen anlegen.Im Durchschnitt haben die Gesellschaften Zinsgarantien in Höhe von 3,4 % auf Kundenguthaben zu bedienen. Bei manchen Gesellschaften mit einer Vielzahl älterer Verträge liegt der Garantiezins sogar deutlich darüber. Angesichts der extrem niedrigen Renditen am Rentenmarkt wird die Einhaltung dieser Zusagen zunehmend schwieriger.Damit steigt der Druck auf die Versicherungen, ihre Immobilienquote deutlich zu erhöhen. Traditionell gibt es in der Gruppe der Versicherungen bestimmte Unternehmen, allen voran die Allianz, an deren Anlagestrategie sich auch sehr viele kleinere und mittlere Versicherungsgesellschaften orientieren. Die Allianz hat kürzlich angekündigt, ihre Immobilienquote um mindestens 50 % zu erhöhen, möglicherweise jedoch auch zu verdoppeln.Diese Ankündigung dürfte bereits als Reaktion auf die Situation am Rentenmarkt gedeutet werden. Angesichts der aktuellen Stresstests, die jeder Lebensversicherungsgesellschaft die Brisanz der Situation deutlich machen, scheint es unausweichlich, dass die Versicherungsgesellschaften der Allianz folgen und ihre extreme Abhängigkeit von der Entwicklung des Rentenmarkts durch eine sehr deutliche Erhöhung der Immobilienquote reduzieren. Zwei TrendsWie und wo werden die Versicherungen diese Immobilieninvestments vornehmen? Seit Jahren gab es insbesondere zwei Trends bei institutionellen Investoren: erstens die Erhöhung des Anteils der indirekten Anlagen und zweitens die Erhöhung des Anteils von Investments außerhalb Deutschlands. Beide Trends sind zwar nach wie vor intakt, doch gibt es auch deutliche Entwicklungen in die gegenläufige Richtung, wie aktuelle Studien belegen.Nach einer Befragung von Ernst & Young Real Estate, an der Versicherungen mit einem verwalteten Immobilienvermögen von 49 Mrd. Euro teilnahmen, planen 65 % der Gesellschaften, im Direktbestand fremdgenutzte Immobilien zu kaufen. Bei einer Befragung im vergangenen Jahr betrug dieser Anteil erst 40 %. Direktinvestments in Immobilien werden also zunehmend beliebter.Ein weiteres Ergebnis der Studie ist das sehr stark gestiegene Interesse an Wohnimmobilien. Früher spielten Wohnimmobilien einmal eine sehr große Rolle bei Versicherungen, aber in den vergangenen zehn Jahren standen die meisten Gesellschaften eher auf der Verkäuferseite und trennten sich von ihren Wohnungsbeständen. Bei der oben zitierten Befragung von Ernst & Young Real Estate ist dieser Anteil deutlich gestiegen: 80 % der Versicherungen planen Wohnungsinvestments.Gleichzeitig ist, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Feri, das Interesse an Investitionen in Deutschland wieder gewachsen. Laut Feri sehen 70 % der institutionellen Investoren den Standort Deutschland als besonders attraktiv für Immobilieninvestments an.