RECHT UND KAPITALMARKT

Was mit Clawbacks auf Manager zukommt

Der Rückforderung bereits ausgezahlter Vergütungen kommt wachsende Bedeutung zu - Eine ganze Reihe an rechtlichen Hürden

Was mit Clawbacks auf Manager zukommt

Von Thomas Gennert *)Wer die Wirtschaftspresse verfolgt, hat hiervon bereits des Öfteren gelesen: Clawback-Klauseln in den Anstellungsverträgen der Organmitglieder sollen insbesondere börsennotierten Gesellschaften die Möglichkeit eröffnen, von ihrem Spitzenpersonal unter bestimmten Voraussetzungen erhaltene Vergütung zurückzufordern. Derartige Regelungen sind durchaus schon Thema auf einigen Hauptversammlungen gewesen. So fordert unter anderem die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz die Verwendung entsprechender Verträge, und in den Vorgaben der Stimmrechtsberater tauchen Rückforderungsklauseln ebenfalls vermehrt auf.In der öffentlichen Wahrnehmung scheinen sie jedenfalls dazu geeignet zu sein, “Gehaltsexzesse” zu vermeiden, einen Anreiz zur Einhaltung von Recht und Gesetz zu setzen und die Unternehmenslenker an durch Fehlverhalten (mit)verursachten wirtschaftlichen Verlusten zu beteiligen. Die “Risk Taker”Auf Basis der Institutsvergütungsverordnung sind bestimmte Finanzinstitute verpflichtet, für bestimmte Kreise von Beschäftigten, die “Risk Taker”, in ihren Unternehmen eine bestimmte Vergütungsstruktur auf Ebene der jeweiligen Anstellungsverträge zu etablieren, zu der auch eine Rückforderungsmöglichkeit bezüglich bereits ausgezahlter variabler Vergütung gehört. Dies betrifft nicht nur Organmitglieder wie Vorstände oder Geschäftsführer, sondern auch bestimmte Arbeitnehmer.Es gibt keine gesetzliche Definition für einen Clawback und eine entsprechende Klausel. Basierend auf den Vorgaben der Institutsvergütungsverordnung und praktischen Vorbildern im Ausland versteht man hierunter meist Regelungen in Anstellungsverträgen, die es den Gesellschaften ermöglichen, bereits endgültig ausgezahlte variable Vergütung von den jeweiligen Beschäftigten zurückzuverlangen. Inhaltlich haben die diskutierten Vorschläge für derartige Rückforderungsklauseln dabei meist zwei Punkte im Blick: Zum einen den Fall, dass sich Kriterien zur Bemessung einer variablen Vergütung (z. B. Bilanzkennziffern) im Nachhinein als unzutreffend herausstellen. Zum anderen wird ein Rückforderungsrecht für ein Fehlverhalten, das einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust für die jeweilige Gesellschaft verursacht, befürwortet.Aus rechtlicher Perspektive ist die Verwendung derartiger Regelungen außerhalb des oben angesprochenen Bereichs der Finanzinstitute derzeit nicht zwingend vorgesehen. Auch die Anpassung des Aktiengesetzes an die Vorgaben der zweiten Aktionärsrechterichtlinie, die in Kürze verabschiedet werden wird, und die daran geknüpfte Neufassung des Deutsche Corporate Governance Kodex benennen derartige Regelungen als möglicher Bestandteil eines Vergütungssystems, enthalten aber keine zwingende Vorgabe zur Implementation. Schranken beachtenUnter Juristen wird lebhaft darüber diskutiert, wie Clawback-Klauseln praktisch eingesetzt werden sollen, denn hier gibt es viele rechtliche Hürden. Selbst wenn man das reine Arbeitsrecht ausblendet und sich nur den Anstellungsverträgen der Organmitglieder widmet – hier genießt man mehr rechtliche Flexibilität -, sind bestimmte rechtliche Schranken zu beachten.Zunächst existieren hier allgemeine Grundsätze des Dienstvertragsrechts, die sich mit den gewünschten Regelungen nicht recht in Einklang bringen lassen: Zunächst gilt hier der Grundsatz, dass eine einmal verdiente Vergütung grundsätzlich behalten werden darf. Weiter ist eine Kürzung der Vergütung für eine Art “Schlechtleistung” dem Dienstvertragsrecht (anders als dem Kaufrecht beispielsweise beim Autoerwerb) fremd. Auf eine solche Situation reagiert man hier grundsätzlich mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses. Drittens tut sich das deutsche Recht außerhalb der (streng regulierten) Vertragsstrafe mit Regelungen schwer, die bestimmte Konstellationen sanktionieren und nicht lediglich dem Ausgleich von Schäden dienen sollen.Selbst wenn man die Konflikte mit diesen Grundsätzen ausblendete, existieren weitere rechtliche Hürden: Zum einen müssen Clawback-Klauseln so formuliert sein, dass der jeweilige Amtsträger im Vorfeld genau weiß, wann ihn in welcher Höhe eine Pflicht zur Rückzahlung bereits verdienter Vergütung treffen soll: Das sogenannte “Transparenzgebot” verpflichtet den Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) – nichts anderes werden Anstellungsverträge in der Regel sein -, möglichst klare Regelungen zu verwenden. Die Vorgaben der Institutsvergütungsverordnung und eine Vielzahl hier diskutierter Vorschläge dürften diesem Anspruch nicht genügen. Insbesondere bei einer Rückzahlungspflicht für den Eintritt “erheblicher Verluste” aufgrund eines Fehlverhaltens wird die entsprechende Klausel häufig viel zu unbestimmt sein (was ist etwa erheblich?), um die strenge AGB-Kontrolle der Gerichte unbeschadet zu überstehen. Vorhandene InstrumenteVersucht man sich hingegen daran, diese Art Klauseln konkreter zu fassen, werden sie ihr Ziel oft nicht mehr erreichen können, möglichst viele Konstellationen zu erfassen. Klauseln, die eine Rückzahlungspflicht für Fälle vorsehen, in denen sich bestimmte Annahmen als Grundlage für eine variable Vergütung im Nachhinein als falsch herausstellen, begegnen diesen Schwierigkeiten dagegen grundsätzlich nicht. Für die hiermit ins Auge gefassten Konstellationen (vor allem Bilanzmanipulationen) kann man aber auch auf die bereits bestehenden rechtlichen Instrumente zurückgreifen.Zudem muss die Frage gestellt werden, ob Clawback-Klauseln überhaupt dazu geeignet sind, das Verhalten der Amtsträger zu beeinflussen oder ob die Existenz derartiger Regelungen nicht vielmehr dazu führt, dass die Vergütungen um eine Art “Risikoaufschlag” steigen. Denn hier muss auch bedacht werden, dass die Organmitglieder schützende D&O-Policen zwar bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Gesellschaft, wohl aber nicht bei vertraglichen Rückforderungsklauseln greifen können. Zudem existieren jedenfalls für börsennotierte Gesellschaften bereits konkrete Vorgaben für die Zusammensetzung der Vergütung von Vorstandsmitgliedern. Variable Vergütung soll danach unter anderem eine mehrjährige Bemessungsgrundlage und für außerordentliche Entwicklungen eine Begrenzungsmöglichkeit aufweisen. Wenn die Zahlung langfristiger variabler Vergütung nun von bestimmten Kennziffern und/oder Zielen abhängt, die über die Laufzeit des Langfristbonus zu einer Art Bonus-/Malus-System führen, nimmt das Organmitglied ja gerade selbst an allen Höhen und Tiefen der Gesellschaft teil.Auch kann die Zahlung langfristiger Vergütung zeitlich hinausgeschoben werden. Im Falle erheblicher wirtschaftlicher Verluste eine variable Vergütung gar nicht erst zahlen zu müssen ist jedenfalls einfacher, als eine Rückforderung gegenüber dem jeweiligen Organmitglied durchzusetzen. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass eine Einschätzung für die Gewährung der variablen Vergütung unzutreffend war oder das Vorstandsmitglied seine Vergütung auf der Grundlage manipulierter Kennziffern erhalten hat, steht einer Rückforderung dieser Vergütung auch ohne Clawback-Klausel rechtlich nichts entgegen. Steuerungseffekt fraglichLegt ein Organmitglied dagegen ein Fehlverhalten an den Tag, welches für die Gesellschaft zu erheblichen Verlusten führt, kann diese den Schaden auch bisher schon gegenüber dem Amtsträger geltend machen.Vermutlich wird allein aufgrund des Einflusses der Stimmrechtsberater dem Thema Clawback weiterhin auch außerhalb der Finanzinstitute große Aufmerksamkeit zukommen und entsprechende Klauseln werden auch genutzt werden. Ob diese dann im Einzelfall den gewünschten Steuerungseffekt erzeugen und auch einer gerichtlichen Kontrolle standhalten, bleibt abzuwarten. Eine intelligente Vergütungsstruktur mit Bonus- und Maluskomponenten und gegebenenfalls verzögert gewährten Bezügen bedarf jedenfalls nicht zwingend einer Clawback-Klausel. *) Dr. Thomas Gennert ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner von McDermott Will & Emery.