Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Christoph Vaupel

"Webfehler im Gesetz" behindern Kapitalerhöhungen in der Krise

Ausschluss des Bezugsrechts in Sanierungsfällen möglich

"Webfehler im Gesetz" behindern Kapitalerhöhungen in der Krise

– Herr Vaupel, wie können Gesellschaften in der Krise ihre Eigenkapitalbasis stärken?Der einfachste Weg ist eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital. Diese ist allerdings gesetzlich begrenzt auf 50 % des Grundkapitals, was häufig nicht ausreicht. Als eine der Lehren aus dieser Krise sollte die Regierung daher überlegen, ob diese Beschränkung tatsächlich sinnvoll ist – bei Bankenrettungen durch den Bund ist sie bereits aufgegeben worden. Alternativ ist an Wandelschuldverschreibungen, gegebenenfalls mit sehr kurzer Wandlungsfrist, oder nachrangige Genussrechte zu denken. Schließlich kommen auch Verzichte von Gläubigern auf Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten, teilweise verbunden mit Besserungsabreden, in Betracht.- Oft muss es schnell gehen; wie lange dauert die Umsetzung einer Kapitalerhöhung?Besteht bei einer Aktiengesellschaft kein ausreichendes genehmigtes Kapital, kann nur die Hauptversammlung über eine Erhöhung beschließen. Die damit verbundene Vorbereitung samt Einladungsfrist kostet Zeit. Ist zudem ein Wertpapierprospekt zu veröffentlichen, können leicht vier Monate oder sogar mehr bis zum Mittelzufluss vergehen. Hinzu kommt das Transaktionsrisiko: Sollten Aktionäre den Beschluss anfechten, wäre der Zeitpunkt des Mittelzuflusses ungewiss. Vorauszahlungen auf künftige Einlageverpflichtungen sind dabei nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Gesellschaften sollten sich daher frühzeitig auf notwendige Kapitalmaßnahmen vorbereiten.- Kann das Bezugsrecht in Sanierungssituationen ausgeschlossen werden?Ein Bezugsrechtsausschluss muss immer verhältnismäßig und erforderlich sein. Der Bundesgerichtshof hat aber entschieden, dass ein Ausschluss des Bezugsrechts gerade in Sanierungssituationen gerechtfertigt sein kann, wenn etwa ein Investor seine Beteiligung an der Kapitalerhöhung von dem Erreichen einer bestimmten Beteiligungsquote abhängig macht und eine anderweitige Sanierung unrealistisch ist.- Ist ein Prospekt immer notwendig?Eine Bezugsrechtskapitalerhöhung ist prospektfrei möglich, sofern kein Bezugsrechtshandel eingerichtet wird. Aktionäre haben keinen Anspruch auf einen solchen Bezugsrechtshandel. Während kleinere Emittenten häufig darauf verzichten, ermöglichen ihn größere Gesellschaften regelmäßig. Jedenfalls ist die Gesellschaft verpflichtet, die neuen Aktien innerhalb eines Jahres zum Börsenhandel zuzulassen. Hierzu ist dann grundsätzlich ein Prospekt erforderlich.- Was müssen Unternehmen für die Preisfestsetzung beachten?Kapitalerhöhungen werden nur dann gezeichnet, wenn der Ausgabekurs für die neuen Aktien im Verhältnis zum aktuellen Börsenkurs attraktiv ist. Daher werden neue Aktien aus Bezugsrechtsemissionen typischerweise mit einem zum Teil erheblichen Abschlag gegenüber dem Börsenkurs platziert. Der Ausgabebetrag darf aber nicht unter dem gesetzlich vorgeschriebenen geringsten Ausgabebetrag liegen. Dieser errechnet sich aus dem Grundkapital geteilt durch die Anzahl der ausstehenden Aktien und muss mindestens 1 Euro betragen. Liegt der Börsenkurs also nicht so weit über dem geringsten Ausgabebetrag, dass ein attraktiver Abschlag vorgenommen werden kann, oder sogar unter dem geringsten Ausgabebetrag, kann eine Kapitalerhöhung faktisch nicht durchgeführt werden.- Gibt es hier keinen Ausweg?Durch eine vorherige Kapitalherabsetzung kann der Börsenkurs je Aktie angehoben werden. Allerdings muss hierbei den Gläubigern der Gesellschaft Sicherheit geleistet werden, was in finanziell angespannten Situationen meist nicht möglich ist. Diese Verpflichtung gilt nur dann nicht, wenn die Kapitalherabsetzung allein zur Deckung von Verlusten oder der Einstellung der freigewordenen Beträge in die Kapitalrücklage erfolgt. Die Einstellung in die Kapitalrücklage darf aber 10 % des nach der Kapitalherabsetzung bestehenden Grundkapitals nicht überschreiten. Dadurch wird der Umfang der möglichen Kapitalherabsetzung erheblich eingeschränkt.- Welche Lösung schlagen Sie für diese Fälle vor?Es handelt sich um einen Webfehler im Gesetz. Die einfachste Lösung wäre, die 10 %-Grenze jedenfalls für den Fall zu lockern, dass der Börsenkurs den geringsten Ausgabebetrag nicht erreicht oder nicht wesentlich überschreitet. Hierbei sollten Unternehmen den Ertrag aus der Kapitalherabsetzung ohne Weiteres in die Kapitalrücklage einstellen können. Dies würde weder den Interessen der Gläubiger noch denen der Aktionäre entgegenstehen.—-Christoph Vaupel ist Partner bei Linklaters. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.