Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Christof Kautzsch

Wenn Aktien "verkauft" sind, bevor eine Kapitalerhöhung beschlossen ist

Fall Conti: Banken übernehmen Titel, entrichten Bezugspreis und platzieren

Wenn Aktien "verkauft" sind, bevor eine Kapitalerhöhung beschlossen ist

– Herr Dr. Kautzsch, bei der Erhöhung des Grundkapitals von Continental wird vielfach von einer Blitz-Kapitalerhöhung gesprochen. Was zeichnet diese aus?Eine Blitz-Kapitalerhöhung kennt das Aktienrecht natürlich nicht. Gleichwohl gibt es Instrumente, die – richtig genutzt – eine kurzfristige Kapitalerhöhung ermöglichen.- Welche Instrumente sind das?Über Kapitalmaßnahmen beschließen die Aktionäre durch Satzungsänderung in der Hauptversammlung. Über eine konkrete Kapitalerhöhung kann also nicht kurzfristig entschieden werden, wenn es hierfür erst der fristgerechten Einladung zu und Abhaltung einer Hauptversammlung bedarf. Um mehr Flexibilität zu ermöglichen, sieht das Aktienrecht das genehmigte Kapital vor: Die Aktionäre können durch HV-Beschluss den Vorstand ermächtigen, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital später, bei entsprechendem Anlass, selbst zu erhöhen. Dieses genehmigte Kapital darf die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen. Conti hatte diese Möglichkeit genutzt und 2007 ein genehmigtes Kapital geschaffen.- Wie verhält sich dies zum Bezugsrecht der Aktionäre?Jeder Aktionär ist grundsätzlich berechtigt, einen seiner bisherigen Beteiligung entsprechenden Teil der im Rahmen der Kapitalerhöhung geschaffenen neuen Aktien zu zeichnen. Dies bedeutet, dass zunächst den Altaktionären die neuen Aktien anzubieten sind, bevor Dritte diese erwerben können. Ein Ausschluss des Bezugsrechts ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen möglich, auch bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals. Ein Bezugsrechtsausschluss beinhaltet aber immer das Risiko, dass betroffene Aktionäre hiergegen vorgehen und die Kapitalerhöhung angreifen. Die Continental AG hat hier das Bezugsrecht der Aktionäre unberührt gelassen.- Gleichwohl sind knapp 90 % der Aktien fest übernommen, obwohl Schaeffler sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen soll?Nach der Ad-hoc-Mitteilung haben die größten Aktionäre, die zusammen fast 90 % der Aktien halten, unwiderruflich auf ihr Bezugsrecht verzichtet. Die restlichen Aktien, die im Rahmen der Kapitalerhöhung neu ausgegeben werden, müssen und sollen jedoch den Streubesitzaktionären angeboten werden.- Aber Conti hat mitgeteilt, sämtliche Aktien seien schon platziert.Angabegemäß haben sich die Mitglieder des Bankenkonsortiums vertraglich verpflichtet, sämtliche Aktien zu übernehmen. Damit müssen diese Banken die Aktien selbst zeichnen und den Ausgabepreis entrichten, wenn es ihnen nicht gelingt, die Aktien bei institutionellen und sonstigen Anlegern zu platzieren. 75 % der Aktien sollen im Rahmen eines Private Placement an wenige institutionelle Investoren vergeben worden sein. Die Platzierung der restlichen Aktien soll beschleunigt zugeteilt werden. Der Teil der Aktien, für den kein Bezugsrechtsverzicht vorliegt, kann nur unter dem Vorbehalt der unterbleibenden Zeichnung durch die Bezugsberechtigten zugeteilt werden. Die Aktien sind damit schon “verkauft”, bevor die Kapitalerhöhung überhaupt beschlossen wurde.- Was bedeutet diese Kapitalerhöhung für die Aufnahme von Eigenkapital an der Börse?Festzustellen ist, dass in jüngerer Vergangenheit große Kapitalerhöhungen erfolgreich verlaufen sind, die zunächst als problematisch angesehen wurden. Demgegenüber wurden Börsengänge abgesagt. Der hohe Kapitalbedarf deutscher Unternehmen, insbesondere in Zusammenhang mit der Finanzierung großvolumiger Akquisitionen – etwa VW, Heidelberg Cement und eben Continental – bietet aus Sicht der Investoren günstige Gelegenheiten, in etablierte Unternehmen zu investieren. Dies gilt umso mehr, als andere Investitionskanäle in Unternehmen wie Private Equity derzeit weniger zugänglich sind. Börsenneulinge haben es da im Vergleich eher schwerer. Diverse Börsengänge befinden sich jedoch in der Vorbereitung und es ist zu hoffen, dass auch dieses Segment sich wieder belebt. Die Liquidität dafür ist jedenfalls vorhanden.—-Dr. Christof Kautzsch ist Partner der Kanzlei Salans in Berlin. Die Fragen stellte Walther Becker.