RECHT UND KAPITALMARKT

Wenn Aufsichtsräte Beraterverträge erhalten

Konsequenzen der Fresenius-Entscheidung des Bundesgerichtshofs - In der Praxis nach wie vor einige strittige Rechtsthemen

Wenn Aufsichtsräte Beraterverträge erhalten

Von Jens Uhlendorf *)Beratungsverträge zwischen Aktiengesellschaften und Aufsichtsratsmitgliedern haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder deutsche Gerichte beschäftigt. In dem sogenannten Fresenius-Urteil vom 10. Juli 2012 (II ZR 48/11) hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun die aktienrechtlichen Voraussetzungen für solche Beratungsverträge präzisiert und teilweise verschärft.Zum Hintergrund: Aufsichtsratsmitglieder sind im Rahmen ihrer Organtätigkeit verpflichtet, die Geschäftsführung des Vorstands der Aktiengesellschaft zu überwachen. Neben der retrospektiven Kontrolle der Vorstandstätigkeit gehört hierzu auch die Beratung des Vorstands im Hinblick auf die gegenwärtige und zukünftige Geschäftspolitik der Gesellschaft. Um die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber dem Vorstand zu gewährleisten und die unbeeinflusste Aufgabenerfüllung des Aufsichtsrats sicherzustellen, entscheidet über eine Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder für diese Organtätigkeit die Hauptversammlung (§ 113 Aktiengesetz, AktG). Schwierige AbgrenzungHiervon sind außerorganschaftliche Beratungsleistungen durch Aufsichtsratsmitglieder zu unterscheiden, die auf Basis von Beratungsverträgen erbracht werden können. Die Abgrenzung gestaltet sich in der Praxis häufig schwierig.Als Daumenregel gilt, dass ein Aufsichtsratsmitglied aufgrund seiner Organpflicht die Beratung des Vorstands bei allgemeinen, übergeordneten Fragen schuldet, wohingegen Gegenstand eines Beratungsvertrages zum Beispiel die Beratung bei speziellen Geschäften sein kann. Der Abschluss von solchen Beratungsverträgen fällt in die Zuständigkeit des Vorstands. Die Abgrenzungsschwierigkeit birgt daher die Gefahr einer Umgehung der Vergütungshoheit der Hauptversammlung für die Aufsichtsratstätigkeit.Dieser Gefahr begegnet § 114 AktG damit, dass die Wirksamkeit von Beratungsverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängt und der Aufsichtsrat so in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob der vertragliche Beratungsgegenstand außerhalb des organschaftlichen Pflichtenprogramms liegt und die Vergütung angemessen ist. Diese Zustimmung kann der Aufsichtsrat im Vorhinein (Einwilligung) oder nachträglich (Genehmigung) erteilen. Mittelbare ZuwendungenIn dem Urteil des BGH hatte eine Aktionärin der Fresenius SE Anfechtungsklage gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat erhoben. Sie begründete dies damit, dass der Vorstand im Entlastungszeitraum an die Sozietät eines Aufsichtsratsmitglieds eine Vergütung für Beratungsleistungen gezahlt hatte, bevor der Aufsichtsrat den zugrunde liegenden Beratungsvertrag genehmigt hatte. Diese Zahlung durch den Vorstand sei ebenso rechtswidrig wie das Verhalten des Aufsichtsrats, der diese Zahlung nicht beanstandet hatte.Der Fall gab dem BGH Gelegenheit, zu verschiedenen Streitfragen zu § 114 AktG Position zu beziehen. So stellte er klar, dass der Anwendungsbereich der Bestimmung auch dann eröffnet ist, wenn der Beratungsvertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied selbst, sondern mit dessen Sozietät geschlossen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass dem Aufsichtsratsmitglied aus der Sozietät mittelbar Zuwendungen zufließen, die nicht nur ganz geringfügig sind, was der BGH in casu bejahte. Die vorinstanzlich vom OLG Frankfurt vertretene, vielfach kritisierte Auffassung, unabhängig vom Honoraranteil reiche für die Anwendbarkeit von § 114 AktG bereits das mit der Mandatsbeziehung verbundene Ansehen des Aufsichtsratsmitglieds innerhalb der Sozietät, lässt der BGH ausdrücklich dahinstehen.Ferner zeigt der Bundesgerichtshof auf, dass die Zustimmung des Aufsichtsrats auch dann notwendig ist, wenn der Berater den Beratungsvertrag nicht mit der Aktiengesellschaft selbst, sondern mit einer von dieser abhängigen Gesellschaft schließt, bei der der Vorstand den Vertragsschluss beeinflussen kann. Dies überzeugt in der Sache, bedeutet aber für die Praxis, dass für alle von Konzerntöchtern von Aktiengesellschaften geschlossenen Beratungsverträge vorsorglich die Vorgaben von § 114 AktG entsprechend berücksichtigt werden sollten. Präventive KontrolleIm Hinblick auf die (nachträgliche) Genehmigung eines Beratungsvertrags durch den Aufsichtsrat unterscheidet der Bundesgerichtshof die zivilrechtliche Wirkung einerseits und die Wirkung auf die Pflichtwidrigkeit der Honorarzahlung andererseits. Der BGH stellt klar, dass die Genehmigung durch den Aufsichtsrat nur die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende schwebende zivilrechtliche Unwirksamkeit des Beratungsvertrags entfallen lässt.Auf die grundsätzliche Pflichtwidrigkeit einer zwischenzeitlichen Zahlung des Beratungshonorars durch den Vorstand beziehungsweise einer fehlenden Beanstandung der Zahlung durch den Aufsichtsrat habe dies aber keine Auswirkung. Der BGH begründet dies mit der vom Gesetz intendierten “präventiven Kontrolle” des Beratungsvertrags durch den Aufsichtsrat, durch die ungerechtfertigte Sonderleistungen an einzelne Aufsichtsratsmitglieder und damit eine etwaige der Erfüllung der Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds verhindert werden sollen. Einer starken gegenteiligen Auffassung, die insbesondere im Anschluss an die vorinstanzliche Entscheidung des OLG Frankfurt dezidiert Position bezogen hatte, erteilt der BGH damit eine Absage. Im Regelfall rechtswidrigAuffällig ist, dass der BGH die Zahlung des Beratungshonorars vor Vorliegen der Zustimmung des Aufsichtsrats als “im Regelfall rechtswidrig” ansieht. Unter welchen Voraussetzungen der BGH bereit sein könnte, eine Ausnahme von dieser Regel anzuerkennen, bleibt leider unklar. Insbesondere ist ungeklärt, ob das in der Praxis verschiedentlich zu findende so genannte zweistufige Zustimmungsverfahren, bei dem der Aufsichtsrat am Jahresanfang eine Obergrenze für Beratungsmandate an bestimmte Aufsichtsratsmitglieder oder deren Sozietäten festlegt und die einzelnen Verträge am Jahresende genehmigt, eine Ausnahme darstellen könnte.Mit Blick auf den vom BGH betonten Gesetzeszweck einer “präventiven Kontrolle” des Beratungsvertrags durch den Aufsichtsrat ist hier Zurückhaltung angebracht.Im Ergebnis verneint der BGH im Fresenius-Urteil die Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse mit dem Argument, im Hinblick auf die zur Streitfrage bisher unklare Rechtslage fehle es an der für eine Entlastungsanfechtung notwendigen Eindeutigkeit des Gesetzesverstoßes. Dieses Argument werden Gesellschaften künftig nicht für sich beanspruchen können, da die Rechtslage im Kern nunmehr als geklärt gelten dürfte. Die Vergabe von Beratungsverträgen an Aufsichtsratsmitglieder und deren Beratungsgesellschaften wird daher künftig erheblich schwieriger. Die Aussage des BGH, etwaige durch die Vertragsprüfung und -genehmigung bedingte zeitliche Verzögerungen bei der Honorarzahlung seien der “Preis”, den Aufsichtsratsmitglieder für Beratungsaufträge seitens der Gesellschaft zahlen müssten, hilft diesen nur wenig, da hochqualifizierte und deswegen begehrte Berater signifikante Zahlungsverzögerungen häufig nicht akzeptieren.Die weitere vom BGH aufgezeigte Möglichkeit der Delegation der Entscheidung auf einen Aufsichtsratsausschuss nützt ebenfalls nur bedingt, da auch Ausschüsse üblicherweise nur in bestimmten, häufig längeren Intervallen tagen. Der teilweise vertretene Lösungsansatz, eine Delegation der Zustimmungsentscheidung auf den Aufsichtsratsvorsitzenden zuzulassen, ist hingegen gerichtlich noch nicht auf seine Zulässigkeit hin beurteilt worden. Noch einige FußangelnDas Fresenius-Urteil hat somit zwar einige wichtige Fragen im Hinblick auf Beratungsverträge zwischen Aktiengesellschaften und Aufsichtsratsmitgliedern geklärt. Infolgedessen haben allerdings andere, weiterhin ungeklärte Fragen erheblich höheren Stellenwert gewonnen. Bis zu deren Klärung bleiben in diesem Bereich daher einige rechtliche Fußangeln.—-*) Jens Uhlendorf ist Partner im Düsseldorfer Büro von Hogan Lovells.