Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Karl-Christian Bay

Wenn ausländische Behörden auf sensible Informationen zugreifen

Korruptionsbekämpfung: SEC beschränkt sich oft nicht auf konkreten Sachverhalt

Wenn ausländische Behörden auf sensible Informationen zugreifen

– Herr Bay, Daimler, Siemens, MAN, Ferrostaal, Telekom – versinkt unsere Wirtschaft im Sumpf der Korruption oder ist das Thema derzeit zu arg im Fokus der Öffentlichkeit?Altfälle in ihrer derzeitigen Abwicklung muss man ganz klar von neuen Korruptionsfällen trennen. Die Dunkelziffer dürfte zudem dank der intensiven Bemühungen der Unternehmen bei der Prävention sinken. Gleichwohl bleibt die Zahl der bekannten Fälle bemerkenswert und sogenannte Internal Investigations sind offensichtlich weiterhin erforderlich.- Welchen Nutzen haben Ermittlungen im eigenen Unternehmen?Neben der Positionierung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden steht Schadensbegrenzung sowohl in zivilrechtlicher, steuerlicher Hinsicht als auch die Reputation des Unternehmens betreffend im Vordergrund.- Internal Investigations sind Ermittlungen durch Private – Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte. Man geht dabei mit Methoden der Staatsanwaltschaft vor, unterliegt aber nicht denselben gesetzlichen Beschränkungen. Ist das nicht problematisch?Wir gehen von der Zulässigkeit von Internal Investigations aus, auch wenn externe Berater beauftragt werden, Mitarbeiter zu vernehmen oder E-Mails zu sichten. Klar ist, dass die für die Staatsanwaltschaft geltenden gesetzlichen Grenzen jedenfalls für private Ermittler Bedeutung haben. Klar ist aber auch, dass es erlaubt sein muss, im eigenen Unternehmen zweifelhafte Vorgänge aufzuklären.- Besonders brisant sind arbeits- und datenschutzrechtliche Belange.Ja, etwa bei Mitarbeiterinterviews oder der E-Mail-Auswertung sind diese Rechte von großer Bedeutung. Hier ist vieles umstritten, weshalb interne Untersuchungen besonders sorgfältig vorbereitet werden müssen. Aus einem Projekt lernt man aber schnell, dass es über die rechtlichen Probleme hinaus oft an entsprechender Praxiserfahrung bei den Unternehmen fehlt.- Gerade bei internationalen Konzernen ist es problematisch, dass die US-Börsenaufsicht SEC auf die Internal Investigations Einfluss nimmt, insbesondere wenn US-Recht tangiert sein könnte.Es besteht die Gefahr, dass ausländische Behörden quasi unter Umgehung der Grundsätze der Strafprozessordnung auf sensible Informationen zugreifen können, wenn das Unternehmen die Erkenntnisse aus der internen Untersuchung an die SEC herausgibt.- Was können die Nachteile für deutsche Unternehmen sein?Oft beschränkt sich die SEC nicht auf den konkreten Sachverhalt. Erwartet wird, dass auch nach noch nicht aufgedeckten Sachverhalten geforscht wird. Die internen Ermittlungen werden dann sehr kostspielig und es werden gegebenenfalls Informationen bekannt, die nicht unbedingt zur Aufklärung des konkreten Sachverhalts beitragen. Deutlich wird dies, wenn die beauftragten Berater des Unternehmens auf Drängen der SEC von ihrer Schweigepflicht befreit werden.- Blinder Aktionismus eines Unternehmens führt damit aber doch zu enormen Risiken, da Mitarbeiterrechte verletzt oder sensible Informationen offengelegt werden können?Die konkrete Ausgestaltung von Internal Investigations beeinflusst sowohl deren Zulässigkeit als auch den Umgang mit den Mitarbeiterrechten im Bereich des Arbeits- und Datenschutzrechts. Es muss das Unternehmensinteresse an Aufklärung und künftiger Prävention beachtet und abgewogen werden.- Wie kann ein Unternehmen interne Missstände erkennen und solchen vorbeugen?Durch Compliance-Management-Systeme (CMS), deren Wirkung regelmäßig überprüft wird, können Risiken rechtzeitig erkannt werden. Ein funktionierendes CMS ist Voraussetzung einer effektiven Vorbeugung und macht Internal Investigations bestenfalls unnötig. Sollte ein konkreter Fall vorliegen, bieten Internal Investigations zusätzlich einen optimalen Aufsatzpunkt für die Überprüfung des CMS.—-Karl-Christian Bay ist Wirtschaftsprüfer, Anwalt und Gründer von BAY Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte.Die Fragen stellte Walther Becker. – Bericht zu Compliance Seite 13