RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: ALEXANDER BISSELS

Wenn Banker vor die Tür gesetzt werden

"Einseitige Freistellung" bedarf schutzwürdigen Interesses des Arbeitgebers

Wenn Banker vor die Tür gesetzt werden

– Herr Dr. Bissels, die UBS hat gerade rüde Methoden in London an den Tag gelegt: Mitarbeitern wurde, mit Verkündigung des Kahlschlags um 10 000 Stellen weltweit, der Zugang mit der Chipkarte verweigert. Wäre dies auch in Frankfurt möglich?Der Arbeitgeber kann Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung freistellen – das wird bei UBS als Sonderurlaub bezeichnet. Da der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag einen Beschäftigungsanspruch herleiten kann, bedarf es in der Regel für eine einseitige Freistellung eines berechtigten, schutzwürdigen Interesses des Arbeitgebers.- Zum Beispiel?Etwa eine konkrete Gefahr, dass Geschäftsgeheimnisse verraten werden, Kunden abgeworben werden sollen oder sich der Arbeitnehmer geschäftsschädigend verhält. Dabei stehen die Anforderungen an die Darlegung eines entsprechenden arbeitgeberseitigen Interesses in Abhängigkeit zur Stellung und Bedeutung des betroffenen Arbeitnehmers in der Organisation des Arbeitgebers.- Das heißt?Je höher der Angestellte in der Hierarchie steht, je bedeutsamer seine Funktion und Aufgabe ist, desto eher wird der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse begründen können. Dies gilt insbesondere bei leitenden Angestellten. Der Arbeitgeber kann sich zur Erteilung eines Hausverbotes auf sein Hausrecht berufen und dies im Rahmen der ausgesprochenen Freistellung den Zugang zum Firmengelände untersagen beziehungsweise die Herausgabe der dem Arbeitnehmer überlassenen Gegenstände verlangen – etwa Zugangskarte, Mobiltelefon etc. Sollte die Freistellung unwirksam sein, zum Beispiel weil der Arbeitgeber sich in diesem Zusammenhang nicht auf ein schutzwürdiges Interesse berufen kann, muss er dem Arbeitnehmer jedoch auch wieder Zugang zum Arbeitsplatz gewähren und das Hausverbot aufheben.- Nach welchem Recht sind Händler oder Investmentbanker von Auslandsinstituten in Deutschland beschäftigt?Wenn und soweit die Arbeitnehmer in Deutschland tätig sind, dürfte auch deutsches Arbeitsrecht anwendbar sein. Dies gilt – zumindest mit Blick auf die zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften, also Kündigungsschutz von schwangeren Arbeitnehmern, – auch, wenn im Arbeitsvertrag das Recht eines anderen Staates für anwendbar erklärt wird.- Könnte ein Auslandsinstitut hierzulande vorgehen wie die Schweizer UBS in London?Dies ist zumindest theoretisch denkbar. Zweifelhaft ist jedoch, ob die entsprechenden Maßnahmen auch arbeitsrechtlich wirksam sind. Bei der Bewertung wird es entscheidend darauf ankommen, wie der Arbeitgeber diese im Einzelfall rechtfertigt. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der betreffende Arbeitnehmer zum Beispiel gegen die Interessen des Arbeitgebers handelt oder handeln wird, kann er diese auch vor einer Kündigung freistellen und ihren den Zugang verweigern.- Welche Möglichkeiten haben Betroffenen, meist ja keine Tarifangestellten, sich zu wehren?Sie können gegenüber dem Arbeitgeber ihren Beschäftigungsanspruch auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen. Sollte das Gericht diesen anerkennen, muss der Arbeitgeber eine vertragsgemäße Arbeit zuweisen. In der Praxis kommt es jedoch gerade nach Kündigungen selten vor, dass freigestellte Arbeitnehmer diesen Anspruch tatsächlich – insbesondere im einstweiligen Rechtsschutz – geltend machen. Dies gilt zumindest, wenn sie weiter ihre vertraglich vereinbarte Vergütung erhalten, ohne dafür ihre Arbeitsleistung erbringen zu müssen. Eine abweichende Beurteilung kann angezeigt sein, wenn für die Arbeitnehmer durch die Freistellung die Gefahr besteht, dass sie vom Markt abgeschnitten werden und diesen für ihre künftige Tätigkeitserbringung bedeutsame Informationen nicht erhalten und dadurch ihr “Marktwert” sinkt.- Wie beurteilen Sie solche Freistellungen mit Blick auf die verbleibende Belegschaft?Betriebspsychologisch dürften derartige Freistellungen sicher kritisch zu sehen sein. Insbesondere aus motivatorischer Sicht dürfte der Effekt auf die verbleibenden Kollegen eher schädlich sein. So ergeben sich eventuell Abwanderungstendenzen gerade leistungsstarker Mitarbeiter.—-Dr. Alexander Bissels ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Die Fragen stellte Walther Becker.