ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Wie man das Portfolio vor schwarzen Schwänen schützt

Börsen-Zeitung, 25.9.2012 Die Finanzkrise hat im Risikomanagement zwar keine Revolution ausgelöst. Sie hat aber dafür deutlich gemacht, dass die Moderne Portfoliotheorie (MPT) verfeinert und um zusätzliche Instrumente ergänzt werden muss. Immerhin...

Wie man das Portfolio vor schwarzen Schwänen schützt

Die Finanzkrise hat im Risikomanagement zwar keine Revolution ausgelöst. Sie hat aber dafür deutlich gemacht, dass die Moderne Portfoliotheorie (MPT) verfeinert und um zusätzliche Instrumente ergänzt werden muss. Immerhin hatte Harry Markowitz diese bereits 1952 vorgestellt.Vor der Finanzkrise war die MPT nahezu unumstritten. Inflation, Zinsen und Volatilität auf insgesamt niedrigen Niveau ließen zwischen 1982 und 2007 schließlich kaum Zweifel an den folgenden zwei Grundprinzipien der MPT aufkommen: 1. Der Ertrag steigt langfristig mit dem Risiko. 2. Das Risiko kann erhöht oder verringert werden, indem ein Portfolio an der richtigen Stelle der Effizienzkurve gebildet wird.Dass die Märkte auf kurze Sicht irrational und ineffizient sein können, erschien damals als kein allzu großes Problem. Der Anlagehorizont musste nur so langfristig bemessen werden, dass die Anlageklassen den Gleichgewichtswert wieder erreichen können. Nicht mehr normalAb 2007 zeigte die Finanzkrise allerdings langsam, dass die Märkte häufiger und schwerer verrückt spielen, als es die MPT-Normalverteilung erwarten lässt. Für diese unerwarteten, aber heftigen Ereignisse prägte der US-Wissenschaftler Nassem Nicholas Taleb den Begriff “schwarze Schwäne”. Was sie anrichten, zeigt das Jahr 2008: Der glockenförmigen Normalverteilung zufolge hätte der S & P 500 Index einen Verlust von 28,5 % erleiden können, tatsächlich aber büßte er 50 % ein. Die real beobachtete Verteilung fiel höher und breiter aus als die Normalverteilung, auf ihren Enden lag mehr Masse. Diese “dicken Enden” (Fat Tails) sind für Anleger besonders gefährlich, doch wie kann man Portfolios vor ihren Auswirkungen schützen?Mittel- bis langfristig bleibt ein diversifiziertes Portfolio die günstigste Verlustabsicherung. Die Korrelationen der Anlageklassen können zwar in der Krise ansteigen, sie kehren aber wieder zu den langfristigen Werten zurück. Als Grundlage eines effizienten Risikomanagements ermittelt man deshalb mithilfe des Black-Litterman-Modells, das MPT-Methoden zur Mittelwertoptimierung durch den Einsatz im Markt implizierter Erträge ergänzt, eine strategische Allokation mit langem Anlagehorizont. Ihr erwarteter Ertrag von aktuell 7 % und ihre Standardabweichung von 9 % entsprechen dem Risiko-Ertrags-Verhältnis in vielen institutionellen Portfolios.Wie wichtig dieses strategische Portfolio für die Risikoabsicherung ist, zeigt der Umstand, dass seine kumulativen Erträge in den vergangenen zehn Jahren durchweg positiv ausfielen, während der S & P-500-Index im gleichen Zeitraum negative kumulative Renditen aufwies. Auch die Volatilität des strategischen Portfolios war deutlich niedriger als die des Index. Mindestwert definierenErgänzt werden sollte die strategische Allokation aber in jedem Fall durch einen Ansatz zur Begrenzung kurzfristiger Risiken. Dazu ist zunächst ein Mindestwert des Portfolios zu definieren, den der Investor nicht unterschreiten möchte. Danach gibt es zwei Möglichkeiten: Risikopositionen können entweder per Asset Allokation entfernt oder über Derivate abgesichert werden.Eine Asset-Allokations-Technik ist das dynamische Risikomanagement. Das Risiko wird dabei durch eine Reduzierung der strategischen Anlagen zugunsten der Kasseposition in dem Maße verringert, wie die Volatilität steigt und der definierte Maximalverlust näher kommt. Bei längeren Abwärtstrends funktioniert diese Methode gut, bei plötzlichen Markteinbrüchen zeigt sie aber ihre Defizite. Fallen die Märkte schneller, als Risiken aus dem Portfolio entfernt werden können, droht nämlich ein Überschreiten des vordefinierten Maximalverlustes.An die Aktienvolatilität gekoppelte Absicherungsstrategien dagegen profitieren sogar von plötzlichen Markteinbrüchen, denn die verwendeten Instrumente werden teurer, wenn andere Anlagen an Wert verlieren. Volatilitätsstrategien können per Overlay-Programm umgesetzt werden Als Instrumente kommen Futures, Optionen und Swaps auf Volatilitätsindizes in Frage. Nachteilig ist, dass die Volatilitätsstrategien wegen der anfallenden Rollkosten, Prämien oder Wertverluste der verwendeten Derivate als dauerhafte Absicherung zu teuer sind.Um die optimale kurzfristige Risikoabsicherung zu finden, haben wir die Auswirkungen der verschiedenen Absicherungsstrategien auf unser strategisches Modellportfolio untersucht (siehe Grafik). Neben dynamischem Risikomanagement wendeten wir eine Volatilitätsstrategie sowie eine Kombination beider Strategien an. Die Ergebnisse wurden außerdem mit der Wertentwicklung des strategischen Portfolios ohne Absicherung und mit der Performance des S & P 500 Index verglichen.Die Auswertung ergab, dass alle Absicherungsstrategien auch in den volatilsten Phasen nach Ausbruch der Finanzkrise die Wertentwicklung des Gesamtportfolios deutlich verbessert hätten. Die Verluste hätten in allen rollierenden Zwölf-Monats-Intervallen zudem nie deutlich die Marke von 10 % überschritten. Als sich die Märkte zwischen 2005 und 2007 noch in einer Seitwärts- beziehungsweise Aufwärtsbewegung befanden, hätte eine dynamische Risikoabsicherung die Erträge des strategischen Langfristportfolios praktisch nicht beeinträchtigt. Eine durch Optionen umgesetzte Volatilitätsabsicherung hätte den Gesamtertrag um 4 Prozentpunkte geschmälert, bei einer Kombination beider Strategien wäre die Ertragsminderung niedriger ausgefallen.Als Fazit bleibt die Erkenntnis, dass die Stärken und Schwächen der dynamischen Risikomanagement- und der Volatilitätsstrategie unter Berücksichtigung der Ziele und Ressourcen jedes Anlegers individuell bewertet werden sollten. Das dynamisches Risikomanagement etwa ist mit einem erhöhten Aufwand verbunden, weil das Portfolio laufend angepasst werden muss. Dafür ist diese Methode kosteneffizient, denn sie erfordert keine Ausgaben für Optionsprämien. Nur die Liquiditäts-, Transaktions- und Marktbeeinflussungskosten müssen gemanagt werden. Geringer AufwandDie Optionsvolatilitätsstrategie wiederum ist mit einem nur geringen Aufwand verbunden. Der Prozess kann als Overlay-Programm ausgelagert werden. Optionsvolatilitätsstrategien können aber teuer werden, denn die Prämien nehmen mit steigender Volatilität zu. Die Kosten der Prämien können sogar zu Verlusten im Portfolio führen, wenn der Anleger zu viele Optionen hält.Obwohl beide Ansätze effektiv sind, ist ihre Kombination die beste Lösung, denn jede Strategie kompensiert die Schwäche der anderen. Anleger sollten sich aber grundsätzlich darüber im Klaren sein, dass man Risiken nicht zum Nulltarif ausschließen kann. Außerdem führt kein Weg daran vorbei, dass ganz ohne Marktrisiko langfristig keine Erträge erzielbar sind, die höher ausfallen als die Erträge risikoloser Baranlagen.