Recht und Kapitalmarkt

Wie soll der Vorstand bei Übernahmen vergütet werden?

Erhebliche Unsicherheit über Abfindungen - Diskussion nach Mannesmann-Verfahren - Zentrale Funktion des Aufsichtsrates

Wie soll der Vorstand bei Übernahmen vergütet werden?

Von Reinhard Eyring *)Dürfen Mitglieder des Vorstands im Fall einer Übernahme Zuwendungen erhalten und von wem? Wie müssen solche Vereinbarungen strukturiert werden? Gesicherte Erkenntnisse zu diesen Fragen fehlten bislang. Das Mannesmann-Verfahren hat eine Diskussion zur Frage der Zulässigkeit solcher Zahlungen ausgelöst. Was ist angemessen, und – vor allem – was liegt im Interesse des Unternehmens?Schon die Vielzahl der bekannten Arten finanzieller Zuwendungen an Vorstandsmitglieder führt zu Unsicherheit. So besteht die Vergütung eines Vorstands häufig aus einer Festvergütung, Tantiemen und ggf. Aktienoptionen. Sonderzahlungen, Sachbezüge oder zinslose Darlehen können ebenfalls zur Vergütung gehören. Im Rahmen der Übernahme der Gesellschaft erhält das Organmitglied vielleicht eine Abfindung, die als Übergangsgeld, Vorruhestandsgeld oder Change-of-Control-Zahlung ausgestaltet ist. Eventuell hat das Vorstandsmitglied noch Anspruch auf eine Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot oder auf eine Vergütung aus einem Beratervertrag. Urteil des LG DüsseldorfIm letzten Jahr hat sich erstmals ein Gericht mit der Management-Vergütung im Fall der Übernahme der Mannesmann AG beschäftigt. Am 22. Juli 2004 hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass die Auszahlung einer Anerkennungsprämie an den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Mannesmann AG gegen § 87 AktG verstößt. “Sachlich gerechtfertigt ist eine Vergütung nur dann, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Zuwendung im Unternehmensinteresse erfolgt”. Zentrales Kriterium für die Vergütung bei einer Übernahme ist damit das Unternehmensinteresse. Auf die absolute Höhe kommt es nicht an. Entscheidend ist die Begründung und Funktion jeder einzelnen Zahlung. Bis zur Revisionsentscheidung des BGH wird diese Überlegung für die Entscheidung über die Vergütung maßgeblich sein.Bei Abfindungen, die ein Vorstandsmitglied bei Beendigung seines Vertrags nach einer Übernahme erhält, ist zwischen ablösenden und zusätzlichen Abfindungen zu unterscheiden. Ablösende Abfindungen gelten die Ansprüche ab, die aus der Restlaufzeit des Vertrags resultieren, und dienen regelmäßig dem Interesse des Unternehmens.Zusätzliche Abfindungen wie Übergangs-, Vorruhestandsgelder und Change-of-Control-Zahlungen können im Unternehmensinteresse liegen. Im Zuge des Mannesmann-Verfahrens wurden zwar Stimmen laut, wonach ein Organmitglied bei Verlassen der Firma nicht mehr zu erwarten habe als die Auszahlung seines Restvertrags. Weitergehende Abfindungen seien unzulässig. Diese Sicht ist eindimensional. Es kann durchaus im Interesse des Unternehmens liegen, ausscheidende Vorstände bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags davor zu bewahren, plötzlich ohne Einkunftsquelle dazustehen. Übergangsgelder kann der Aufsichtsrat versprechen, wenn das Organmitglied nach seinem Ausscheiden keine anderen Einkünfte erzielt. So lässt sich auch eine Vergütungspolitik kommunizieren, die Führungskräfte für eine zukünftige Tätigkeit in der Gesellschaft wirbt (LG Düsseldorf: “Werbeeffekt”). Ist ein Vorstand nach seinem Ausscheiden bei einer neuen Gesellschaft tätig, entfällt das Unternehmensinteresse. Übergangsgeld darf dann nicht mehr gezahlt werden. Zwischen Abfindungen und Übergangsgeldern besteht eine Wechselbeziehung, d. h., dass der durch das Übergangsgeld abzusichernde Versorgungsbedarf umso kleiner wird, je größer der Betrag der Abfindung ist. Diese Wechselwirkung besteht auch bei Vorruhestandsgeldern, die den Zeitraum zwischen Beendigung des Anstellungsvertrags und Eintritt in das Pensionsalter absichern sollen. Sie liegen im Unternehmensinteresse, wenn die Beendigung des Vertrags zu einer Versorgungslücke für das Organmitglied führt. Change-of-Control-ZahlungEine besondere Form des Übergangsgelds sind Change-of-Control-Zahlungen, die an einen Kontrollwechsel im Unternehmen knüpfen. Sie werden häufig im Anstellungsvertrag vereinbart und tauchen in zwei Formen auf. Bei der Single-Trigger-Regelung löst schon der reine Kontrollwechsel die Zahlung aus. Sobald der definierte Kontrollwechsel eingetreten ist, wird die Zahlung ausgeschüttet, ohne dass Anstellung oder Organstellung enden müssten. Bei einer Double-Trigger-Regelung erhält das Organmitglied die Zahlung erst, wenn zum Kontrollwechsel eine spürbare Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinzukommt, insbesondere die Beendigung des Anstellungsvertrags. Change-of-Control-Zahlungen dienen dem Unternehmensinteresse, weil sie dem Vorstandsmitglied einen Anreiz geben, bei einer übernahmegefährdeten Gesellschaft tätig zu sein bzw. zu bleiben. Ob das Unternehmensinteresse für den Fall gegeben ist, dass die Zahlung auch fällig wird, wenn der Vorstand bei einem Kontrollwechsel seinen Vertrag selbst kündigt, wird teilweise verneint, sollte aber möglich sein. Entscheidendes Kriterium einer Change-of-Control-Zahlung bleibt der Kontrollwechsel. Im Interesse des Unternehmens liegt es, einen bei einem Kontrollwechsel zur Abwanderung entschlossenen Vorstand durch Versprechen einer Sonderzahlung zu halten. In diesem Sinne ist auch eine spätere Vereinbarung in einem Nachtrag zu einem bestehenden Vorstandsvertrag gerechtfertigt.Im Fall Mannesmann wurde im Rahmen der Übernahme eine einmalige Sonderprämie an den Vorstandsvorsitzenden gezahlt. Diese war keine Change-of-Control-Zahlung, sondern eine Anerkennungsprämie für die Leistungen während der Übernahme. Nach dem Urteil des LG Düsseldorf liegt eine solche Prämie dann nicht im Interesse des Unternehmens, wenn – wie im Fall Mannesmann – der Vorstandsvorsitzende nach der Übernahme aus der Gesellschaft ausscheidet und damit die Anreizwirkung für die Zukunft fehlt. BeraterverträgeHäufig erhält der aus dem Unternehmen ausscheidende Vorstand einen Vertrag, nach dem er sein altes Unternehmen weiter berät. Die Vergütung für die Beratungsleistung ist häufig eine “getarnte” Abfindung. Besteht die Beratertätigkeit nur auf dem Papier, ist der Beratervertrag als Scheingeschäft nichtig. Nimmt das Organmitglied nach Beendigung seiner Anstellung tatsächlich die Beratung seines alten Unternehmens auf, entspricht die Zahlung einer Vergütung den Interessen der Gesellschaft. Erst wenn die jährliche Beratervergütung höher ist als die ehemalige jährliche Vorstandsvergütung, besteht Anlass, an der Rechtmäßigkeit der Zahlung zu zweifeln.Eine Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann der Aufsichtsrat mit Blick auf das Unternehmensinteresse gut begründen, wenn in der Vergangenheit Vorstände nach ihrem Ausscheiden bei einem Wettbewerber tätig wurden. Bedenken bestehen, wenn die Karenzentschädigung für ein Jahr höher ist als die Hälfte der jährlichen Vorstandsvergütung. Sollte die jährliche Karenz höher sein als die jährliche Vergütung, ist die Entschädigung unangemessen. Für die Gesellschaft ist es dann günstiger, die Organstellung zu widerrufen und den Anstellungsvertrag mit seinem umfassendem Wettbewerbsverbot weiterlaufen zu lassen. Zuwendungen des BietersZuwendungen an Organmitglieder der Zielgesellschaft durch den Bieter sind grundsätzlich verboten. Erlaubt sind aber solche Zahlungen, die auch die Zielgesellschaft hätte leisten dürfen. Damit müssen Zahlungen des Bieters – wie hier für die verschiedenen Arten der Zuwendungen dargestellt – ebenfalls dem Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft entsprechen. Sie sind darüber hinaus in der Angebotsunterlage zu veröffentlichenSo können und werden in nahezu jeder denkbaren Übernahmesituation Zahlungen an Organmitglieder der Zielgesellschaft geleistet. Dem Aufsichtsrat ist zu empfehlen, jede Zahlung im Hinblick auf das Unternehmensinteresse ausführlich zu begründen. Mit der richtigen Wahl der Vergütungsstruktur sowie einer gründlichen Darstellung der Ziele und Interessen der Gesellschaft lassen sich auch im Übernahmeverfahren “wasserdichte” Vergütungsvereinbarungen gestalten.*) Reinhard Eyring ist Rechtsanwalt und Partner der internationalen Anwaltssozietät Ashurst in Frankfurt.