Investmentfonds - Interview mit Alwin Schenk, Oppenheim Kapitalanlagegesellschaft

"Wir sehen einen strukturellen Wandel"

Der Anlagestratege über Chancen von Fremdwährungsanleihen und eine adäquate Länderallokation

"Wir sehen einen strukturellen Wandel"

Hohe Wachstumschancen bei geringer Verschuldung, steigende Nachfrage und ein Extraplus durch die vom Investor erhoffte Währungskursentwicklung: Alwin Schenk, Direktor Global Fixed Income bei der Oppenheim Kapitalanlagegesellschaft, sieht jede Menge Gründe für ein Investment in Schwellenländeranleihen.- Herr Schenk, warum sollte ich als Investor überhaupt in Anleihen investieren und warum in den Schwellenländern?In den zwei Jahren seit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers hat sich die Zinslandschaft einschneidend verändert. Die Geldmarktzinsen sind mittlerweile nahe null, und in den Safe-Haven-Währungen wie in Deutschland oder USA sind die Zinsen historisch niedrig. Wegen des niedrigen Zinses herrscht eine hohe Nachfrage nach Spreadprodukten, also nach Unternehmensanleihen, oder bei Emerging Markets, weil die eine lukrativere Rendite bieten als Staatsanleihen aus Deutschland oder den USA.- Mit wie viel Aufschlag kann man als Investor rechnen?Das hängt stark davon ab, ob man ein Währungsrisiko mit in Kauf nimmt und bis zu welchem Rating der Investor bereit ist, sein Geld anzulegen. Das kann ja bis in den Non-Investment-Grade-Bereich gehen. Bei einem Investment in türkische Staatsanleihen in lokaler Währung hat man mitunter Spread-Aufschläge von 500 bis 600 Basispunkten auf Bundesanleihen. Türkische Staatsanleihen werden von S & P mit “BB+” geratet.- Bis in welchen Rating-Bereich gehen Sie denn als Fondsmanager?Im Bereich von Hartwährungsanleihen, also ohne Währungsrisiko, gehen wir bis in den Bereich “B-” , bei Lokalwährungsanleihen bis maximal in den Bereich “BBB-“, eine Ausnahme bildet hier die Türkei mit ihrem “BB+”-Rating.- Was macht die Emerging Markets neben den Spreads attraktiv?Wir sehen einen strukturellen Wandel: Das Gewicht der Schwellenländer am Weltsozialprodukt steigt, das heißt, sie werden wichtiger, und sie haben eine geringe Verschuldung. Das liegt daran, dass die Finanzkrise an ihnen einigermaßen vorbeigegangen ist. Drittens sind in den Emerging Markets die Investitionsquoten höher, und sie haben einen größeren technischen Fortschritt, was für die Zukunft für bessere Wachstums- und Ertragsraten spricht.- Worauf achten Sie noch bei der Auswahl der Länder, in die Sie investieren?Wir investieren nur in ausgewählte solide Länder, die unsere Qualitätskriterien erfüllen. Wir haben uns weitgehend von Benchmarks gelöst und unsere eigenen Kategorien entwickelt.- Was spricht gegen eine Benchmark?Uns ist nicht immer klar, warum welches Land in welchem Index ist, wie zum Beispiel der Irak im größten Emerging Markets Index von J.P. Morgan. Der Irak hat dort ein Gewicht von etwa 0,5 %, aber als Anleiheemittent spielt er quasi keine Rolle. Rentenindizes orientieren sich zudem meistens an der Marktkapitalisierung und gewichten damit Länder mit steigenden Staatsschulden automatisch höher.- Woran orientieren Sie sich?Wichtig ist für uns zunächst die Klassifizierung der Weltbank, die definiert, was ein Entwicklungs- und Schwellenland ist, dann bleibt ein Universum von rund 150 bis 160 Ländern übrig, Als Nächstes sortieren wir Länder aus, die in den vergangenen fünf Jahren einen Default hatten, die kommen für uns nicht in Frage.- Welche Ausschlusskriterien gibt es noch?Die Länder müssen genug Daten zur Verfügung stellen, damit wir sie quantitativ durchleuchten können. Das war unter anderem bei Vietnam nicht der Fall, weshalb wir nicht mehr dort investieren. Außerdem dürfen die Länder keine zu hohe Auslandsverschuldung bzw. hohe Inflationsdifferenz zur Ankerwährung haben.- Gibt es auch Positiv-Kriterien?Wir achten auf die politische Stabilität, d. h. das Länderrisiko, dazu beziehen wir Daten von verschiedenen Thinktanks, außerdem achten wir auf ein überdurchschnittliches Wachstum und Wohlstandsniveau in den Ländern, in die wir investieren. Unser Sample zeichnet sich durch überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten bei vergleichsweise niedrigen Inflationsraten aus.- Das klingt nicht so, als ob von den Schwellenländern dann noch viele übrig bleiben.Es bleiben nach den ersten beiden Hürden etwa 50 bis 60 übrig. Wir schalten noch ein selbst konstruiertes Frühwarnsystem für Währungskrisen dazwischen und abschließend ein internes Länderrating, da machen wir im Prinzip nichts anderes als die Ratingagenturen. Dann bleiben derzeit 35 bis 37 Länder übrig, in die wir investieren. Das Länderuniversum ändert sich durch die Vielzahl der Kriterien aber relativ häufig. Dadurch haben wir aber auch den einen oder anderen Default vermieden.- Wie gewichten Sie die übrig gebliebenen Länder?Im Prinzip gehen wir da gleichgewichtet rein, aber man muss stark auf die Liquidität achten. Am besten kauft man, wenn es Neuemissionen gibt, weil dann die Bid-Offer-Spreads wegfallen. Außerdem haben wir festgestellt, dass wir risikomäßig gut aufgestellt sind, wenn wir in diese Länder gleichgewichtet investiert sind.- In wie viele Länder sollte ein Investor denn mindestens investiert sein, um Klumpenrisiken zu vermeiden?Ich denke, wenn man zehn Anleihen unterschiedlicher Emittenten im Portfolio hat, ist man schon ganz gut diversifiziert.- Wer sind unter den Ländern im Portfolio Ihre Favoriten?In den vergangenen Monaten sind die Emerging Markets gut gelaufen, die einen starken Rohstoffbezug haben, also etwa Malaysia oder Brasilien. Wobei Brasilien ohnehin ein Sonderfall ist, weil das Land durch die Präsidentschaft Lulas erheblich an politischer Stabilität gewonnen hat.- Wie breit stellen Sie Ihre Fonds auf, und wie stark durchmischen Sie das Portfolio?In unserem größten Emerging-Markets-Fonds sind etwa 90 Titel. Wir versuchen, die Umschlagshäufigkeit gering zu halten, weil das sonst die Transaktionskosten erhöht. Wir versuchen daher viel am Primärmarkt zu kaufen, aber wir können natürlich nicht immer warten, bis eine neue Anleihe emittiert wird.- Derzeit reden alle über Emerging-Market-Bonds. Müssen Investoren eine Blasenbildung befürchten?Es fließt viel Geld in die Emerging Markets, aber ich halte das für fundamental gerechtfertigt, weil viele Schwellenländer sich strukturell verbessert haben. Die Inflationsraten sind niedriger, die Staatsverschuldung gering und die Wachstumsperspektiven gut. Durch die Stärke Chinas ist auch die Abhängigkeit von den G 7-Staaten gesunken. Man muss sich aber in jedem Land die Prämien für das Währungs- und Bonitätsrisiko anschauen. Wenn man die noch adäquat findet – und ich finde sie noch adäquat -, dann hat man auch keine Blasenbildung. Der sogenannte Embi-Spread, der die Risikoprämie für Hartwährungsanleihen der Emerging Markets zeigt, liegt heute auf dem Niveau, auf dem er auch vor zehn Jahren war. Und vor allem auf das Thema Emerging Markets mit Fremdwährungen sind noch gar nicht so viele Investoren aufgesprungen. Da sind die Risikoprämien noch sehr attraktiv.- Welche Sorgen macht Ihnen die Volatilität in den Emerging Markets, gerade beim Investment in Lokalwährungen?Das ist etwas, worüber man die Investoren sehr deutlich aufklären muss. Das sind keine Bundesanleihen mit einer niedrigen Volatilität. Ich habe hier nicht nur ein Zinsänderungsrisiko, sondern auch ein zusätzliches Währungsrisiko. Das kann ich diversifizieren, aber die Volatilität ist trotzdem höher, und sie ist höher, weil die Ertragschancen auch größer sind.—-Das Interview führte Martin Hampel.