RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: PETER SCHERER

Zwangsrekapitalisierung von Banken rechtlich "sehr anspruchsvoll"

Hauptversammlung müsste bei Verwässerung der Anteile gefragt werden

Zwangsrekapitalisierung von Banken rechtlich "sehr anspruchsvoll"

– Herr Scherer, im Gespräch ist eine Zwangsrekapitalisierung von wichtigen Banken Europas durch staatliches Kapital. Wäre in Deutschland der Rechtsrahmen dafür vorhanden?Nein. Zwar wurden in Deutschland mit dem Restrukturierungsgesetz zum 1. Januar 2011 neue aufsichtsrechtliche Verfahren zur Reorganisation und Abwicklung von gefährdeten Kreditinstituten geschaffen – die BaFin könnte zum Beispiel anordnen, dass eine Bank den systemrelevanten Teil ihrer Geschäfte auf eine sogenannte Brückenbank überträgt, an der sich der neu geschaffene Restrukturierungsfonds mit Anteilen oder stillen Einlagen beteiligt. Dies wäre jedoch nur bei einer unmittelbaren Bestandsgefährdung der Bank und einer daraus folgenden erheblichen Gefährdung des Finanzsystems möglich. Der deutsche Restrukturierungsfonds wurde also zur geordneten Abwicklung von gefährdeten Banken, nicht allgemein zur Unterstützung eingerichtet. Eine rein “vorsorgliche” Rekapitalisierung von Banken, auch von systemrelevanten Banken, wie sie aktuell vorgeschlagen wird, ist somit nach deutschem Recht zurzeit nicht möglich.- Welche gesetzlichen Anpassungen wären nötig, um solche Pläne umzusetzen?Die Zwangsrekapitalisierung von Banken wäre für den Gesetzgeber eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Direkte EU-Gesetzgebung wäre wohl nicht das adäquate Mittel dafür, denn es fehlt an den entsprechenden Befugnissen der Europäischen Union im EU-Vertrag. Daher wäre der deutsche Gesetzgeber gefragt. Aber eine “Wiederbelebung” der Rekapitalisierungsinstrumente des Soffin, die zum 31. Dezember 2010 ausgelaufen sind, wäre nicht ausreichend, da diese Instrumente nur auf Antrag der jeweiligen Bank zum Einsatz kommen konnten. So sehen die Finanzmarktstabilisierungsgesetze auch keinerlei Befugnisse oder Kriterien für eine zwangsweise Rekapitalisierung von Banken vor. Solche Kriterien müssten auch immer auf eine Prognoseentscheidung hinauslaufen und wären damit angreifbar. Das Bundesverfassungsgericht wurde schon in einfacheren Fällen (und nicht nur von Peter Gauweiler) angerufen.- Müsste bei einem solchen Eingriff in die Eigentumsrechte von Aktionären die Hauptversammlung gefragt werden?Ja, in jedem Fall. Bei der mit einer Zwangsrekapitalisierung verbundenen Kapitalerhöhung, die zu einer Verwässerung der Gesellschaftsanteile führt, handelt es sich um einen enteignungsgleichen Eingriff in die Rechte der Gesellschafter. Grundsätzlich soll den Gesellschaftern bei den wichtigsten, strukturell bedeutenden Maßnahmen die Entscheidungshoheit zukommen. Diese Entscheidungshoheit der Aktionäre hat immer auch eine eigentumsschützende Funktion. Eine Kapitalerhöhung ohne Zustimmung der Hauptversammlung wäre zudem nicht mit der Europäischen Kapitalrichtlinie (77/91/EWG) und der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vereinbar. Auch im Rahmen des neu geschaffenen Reorganisationsverfahrens kann die Zustimmung der Hauptversammlung nur in ganz außerordentlichen Fällen durch ein Gericht ersetzt werden. Was selbst bei akuter Gefährdung der Zukunft der individuellen Bank gilt, muss umso mehr gelten, wenn die erzwungene Rekapitalisierung nur “vorsorglich” erfolgt.- Wäre der HRE-Fall eine Blaupause?Nur bedingt. Die schrittweise Verstaatlichung der extrem existenzgefährdeten HRE erfolgte durch eine Reihe von Ad-hoc-Maßnahmen und verdeutlicht eher die mit solchen Maßnahmen verbundenen Probleme und Risiken. Das freiwillige öffentliche Übernahmeangebot des Bundes, die außerordentliche Hauptversammlung, in der die Mehrheit für die Kapitalerhöhung nur durch glückliche Umstände zustande kam, und nicht zuletzt die Klagen der Altaktionäre gegen den anschließenden Squeeze-out verdeutlichen dies. Wären diese Maßnahmen gescheitert, hätte der Bund letztlich nur auf eine Enteignung der Altaktionäre nach Maßgabe des eilig verabschiedeten Rettungsübernahmegesetzes zurückgreifen müssen. Ob das gehalten hätte, sei dahingestellt.- Gibt es internationale Vorbilder, etwa das TARP-Programm in den USA?Eigentlich nicht. Auch das US-amerikanische TARP-Programm war als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 vor allem auf den Ankauf von “toxischen” Wertpapieren durch den Staat, unter anderem gegen Gewährung von Beteiligungen, ausgelegt und ist daher viel eher mit den deutschen Finanzmarktstabilisierungsgesetzen vergleichbar. Insgesamt wären die EU und ihre Mitgliedstaaten gut beraten, sich auf die nachhaltige Sanierung der Staatsfinanzen und zwingende Ausgleichsmechanismen im Euroraum (mit den entsprechenden Reformen der EU-Verträge) zu konzentrieren.—-Peter Scherer ist Partner von Clifford Chance in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.