Start-ups

Climate-Tech-Nation in Bedrängnis

Deutschland genießt als Innovationsstandort für Klimaschutztechnologien ein hohes Ansehen. Doch dieses zu erhalten ist alles andere als ein Selbstläufer.

Climate-Tech-Nation in Bedrängnis

Climate-Tech-Nation
in Bedrängnis

Deutschland genießt als Innovationsstandort für Klimaschutztechnologien ein hohes Ansehen. Dieses zu erhalten ist kein Selbstläufer.

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Die Weltgemeinschaft blickt dieser Tage einmal mehr auf ein extrem bitteres Rekordjahr zurück. Mit voraussichtlich 36,8 Milliarden Tonnen wurde nach Berechnungen des "Global Carbon Project" vom Forschungsnetzwerk Future Earth in den vergangenen zwölf Monaten so viel Kohlendioxid aus fossilen Energieträgern ausgestoßen wie nie zuvor. Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad gilt in der Wissenschaft mittlerweile als unrealistisch.

Es sind Befunde, die erschrecken. Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass es jene, die an innovativen Lösungen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft arbeiten, in diesem Jahr alles andere als leicht hatten. Denn Zinswende, Inflation und die allgemeine wirtschaftliche Flaute haben bei Start-up-Investoren wie schon im Vorjahr zu massiver Unsicherheit geführt. Laut einer Analyse des Beratungsunternehmens PwC sind hierzulande im abgelaufenen Jahr noch 1,3 Mrd. Dollar an Wagniskapital in Klimaschutztechnologien geflossen. Dass das weniger als im Boom-Jahr 2021 ist, überrascht erstmal nicht. Es ist aber auch ein starker Einbruch von 48% im Vergleich zu 2022. Selbst 2020 war das Volumen größer.

Dabei ist Deutschland in dem Sektor einer der wichtigsten Player – neben den USA, China, Großbritannien, Schweden und Frankreich. Insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie nachhaltige Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft ist die Bundesrepublik bei den Start-up-Aktivitäten führend in Europa, sagt Dominik Steinkühler, Partner bei Vorwerk Ventures aus Berlin.

Starke Forschungslandschaft

"Spitzenforschung an technischen Universitäten wie der RWTH (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen), dem KIT (Karlsruher Institut für Technologie), der TUM (Technische Universität München) und außeruniversitäre Einrichtungen wie das Fraunhofer, das Leibniz-, das Max-Planck-Institut sowie das Forschungszentrum Jülich sind eine einmalige Ausgangslage für Innovation", findet Steinkühler.

Er ist nicht der einzige Investor, der die Qualität der wissenschaftlichen Forschung als besondere Stärke Deutschlands hervorhebt. So hat eine Umfrage des Europäischen Investitionsfonds unter europäischen Venture-Capital-Geldgebern im Oktober gezeigt, dass diese hierzulande unter anderem das "erstklassige Ökosystem" und die "akademische Exzellenz" in Sachen Technologie schätzen.

Die desaströsen Ergebnisse des jüngsten Pisa-Tests waren zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. In der internationalen Bildungsstudie haben deutsche Schüler und Schülerinnen ihr bisher schlechtestes Ergebnis erzielt. Vor allem in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften sind die Leistungen deutlich gesunken.

Muss man sich also um den Climate-Tech-Standort Deutschland vor diesem Hintergrund Sorgen machen? Danijel Višević, Managing Partner beim Berliner Climate-Tech-Investor World Fund, sieht zumindest "Probleme der Bildungsgerechtigkeit", die in der Bundesrepublik durch den Pisa-Tests offenbart worden sind. "Die universitäre Spitzenforschung einer RWTH Aachen beispielsweise wird deshalb aber nicht schlechter", so der ehemalige Journalist und Mitgründer des Online-Magazins "Krautreporter".

Überhaupt seien viele Standortfaktoren nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa "exzellent für Climate Tech, von der Forschung über die Qualität der Unternehmensgründungen bis zu den politischen Ambitionen beim Klimaschutz", so Višević. Das mache sich auch darin bemerkbar, dass der Kontinent im Vergleich mit den USA oder China die meisten Patentanmeldungen und Firmengründungen im Klimabereich vorweisen könne.

Es braucht Geld und Offenheit

"Nur eine Hürde haben wir noch zu überwinden", sagt Višević. Und das sei "die mangelnde Finanzierung von Start-ups, insbesondere zu Beginn der kritischen Wachstumsphase." Die USA, China und zuletzt auch Großbritannien investierten ihrerseits Milliarden, um Green Tech als Zukunftsindustrie zu fördern. "Das ist knallharte Industriepolitik, auf die die EU bislang keine kohärente Antwort gefunden hat", so der Investor.

Die deutsche Haushaltskrise ist hier natürlich alles andere als förderlich. Im Zuge des Haushaltsurteils vom Bundesverfassungsgericht soll der Klima- und Transformationsfonds massiv gekürzt werden. Allein im nächsten Jahr werden gegenüber den ursprünglichen Planungen 12,7 Mrd. Euro gestrichen. Welche Programme davon betroffen sind, ist noch nicht vollends klar. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat aber bestätigt, dass auch die Solarförderung betroffen sein wird.

Das ist "sicherlich kein gutes Signal an die Branche", sagt Višević. Und es sind auch nicht einzig die Finanzen, die das Potenzial haben, die Innovationskraft des hiesigen Tech-Ökosystems auszubremsen.

Denn eine solche muss politisch gewollt sein. "Um den Klimawandel zu bekämpfen, brauchen wir Fortschritt und internationale Zusammenarbeit", sagt Steinkühler. "Beides ist geprägt von offenen Märkten, Zuwanderung und Akzeptanz neuer Technologien – alles gänzlich im Kontrast zu dem, wofür die AfD steht."

Der Investor sieht in der Partei, die mittlerweile in drei Bundesländern als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft ist, nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch für "die führende Rolle, die Deutschland als Europas größte Volkswirtschaft und Land der Spitzenforschung auf der internationalen Bühne bei der Verwirklichung einer klimaneutralen Zukunft spielen kann".

Im kommenden Jahr wird sich erneut zeigen, wie real diese Gefahr für die Start-up-Szene werden kann. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden dann neue Landtage gewählt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Partei in allen drei Bundesländern gewinnt.

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