Jahresschluss

Deutsche Kryptobranche profitiert von klarer Regulierung

In Deutschland steht jetzt die Anpassung der nationalen Regulierung in die europäische Micar an. Dafür wurden gute Grundlagen gelegt. Die deutsche Finanzbranche profitiert davon.

Deutsche Kryptobranche profitiert von klarer Regulierung

In Deutschland neigen viele Finanzmarktbeobachter zum Defätismus und sehen das Land an vielen Stellen als gescheitert an. Auch in der Regulierung der Finanzindustrie hält sich das Vorurteil, die BaFin und der Gesetzgeber seien nicht auf der Höhe der Zeit. Doch dabei wird übersehen, dass die Institutionen sich ein gutes Stück aus der Behäbigkeit befreien konnten, nachdem sie zunächst von der ersten Fintech-Welle auf dem falschen Fuß erwischt worden waren. In der Kryptoregulierung ist Deutschland sogar Vorreiter in Europa und hat damit gute Bedingungen für innovative Geschäftsmodelle geschaffen.

Erste Bitcoin- Einordnung schon 2013

Tatsächlich sah die BaFin das Thema schon früh kommen: Im Dezember 2013 veröffentlichte sie in der Rubrik „Verbraucherschutz“ ein Dokument mit der Überschrift „Bitcoins: Aufsichtliche Bewertung und Risiken für Nutzer“. Der Bitcoin (BTC) ist demnach „rechtlich verbindlich als Finanzinstrument“ zu verstehen, und zwar in Form von Recheneinheiten nach Paragraf 1 Absatz 11 Satz 1 im Kreditwesengesetz. „Dies sind Einheiten, die mit Devisen vergleichbar sind und nicht auf gesetzliche Zahlungsmittel lauten.“ Außerdem sei der Bitcoin „kein E-Geld im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG), da es keinen Emittenten gibt“.

Was technisch klingt, war für die Branche bedeutend. Früh steckte die BaFin auf diese Weise die Grenzen für die Kryptowährung ab. Der gewerbliche Umgang mit Bitcoin kann demnach erlaubnispflichtig sein. Das gilt etwa für den Eigenhandel, wenn ein Unternehmen den regelmäßigen An- und Verkauf des Bitcoin ankündigt, oder für das Schürfen (Mining) neuer Bitcoin, wenn Erlösanteile aus den geschaffenen Einheiten gegen Überlassung von Rechenleistung gehandelt werden. Die bloße Nutzung der Kryptowährung aber stellt laut BaFin keine erlaubnispflichtige Tätigkeit dar, was zunächst auch für das Mining gilt.

Frühzeitig definiert

Die Marktteilnehmer wussten also früh, woran sie sind, was auch einige deutsche Start-ups auf den Plan rief. In der Krise rutschten allerdings einige Pioniere in die Pleite, wie etwa das Fintech Bitwala, das nun in neuer Aufstellung als Nuri an den Markt zurückkehrt. Viele Banken wollten weiter lieber nichts mit der Kryptowelt zu tun haben, auch wenn im Hype das Interesse geweckt wurde.

Aber da sich die Nutzung der Blockchain als Finanzmarkt-Infrastruktur abzeichnete und viele internationale Player wie Coinbase in den großen deutschen Markt drängten, schufen Gesetzgeber und Aufsicht die Voraussetzungen für reguliertes institutionelles Geschäft. Das wird auch in der Kreditwirtschaft gesehen.

Im Jahr 2020 verabschiedete die Bundesrepublik ein Gesetz, das alle in Deutschland tätigen Kryptobörsen verpflichtete, eine Lizenz von der BaFin zu erhalten. Dieses Gesetz legte auch Regeln für Kryptoverwahrer fest, einschließlich der Anforderung, einen Mindestbetrag an Kapital zu halten und die Einhaltung des Geldwäschegesetzes (GWG) sicherzustellen. Damit kommen dann auch die klassischen Depotbanken ins Spiel. Handel und Verwahrung müssen also – wie im klassischen Finanzwesen – separiert werden. Acht Kryptoverwahrlizenzen wurden bislang vergeben, zuletzt erhielt die Commerzbank eine.

Pionier Bitpanda

Das größte Lizenz-Arsenal besitzt Bitpanda. Das Wiener Fintech hat seit Ende 2022 die umfangreichste Kryptolizenz von der BaFin – und diese Erlaubnis umfasst neben der Kryptoverwahrung auch den Eigenhandel mit Kryptowerten. Als Virtual Asset Service Provider (VASP) werden neben Österreich und Deutschland auch Frankreich, Spanien, Italien, Tschechien, Norwegen und Schweden abgedeckt. Zudem besitzt Bitpanda Lizenzen für die EU-Richtlinien Mifid II und PSD2. Das ermöglicht es dem Dienstleister, in ganz Europa zu operieren. Das entspricht dem Grundgedanken der BaFin: Die Regulierung der Kryptowelt orientiert sich an den Regelwerken des klassischen Wertpapier- und Investmentanlagerechts.

Europa zieht nach: Ab Mitte 2024 tritt die das Regelwerk Micar (Markets in Crypto Assets Regulation) in Kraft. Dafür rüsten sich schon alle Marktteilnehmer. Anbieter, die bereits Erfahrung in der nationalen Regulierung und den notwendigen Prozessen haben, sind dabei besser aufgestellt. Die Konsultation zur technischen Implementierung – also die Detailarbeit an dem Regelwerk unter Einbindung von Branchenvertretern und Experten – läuft über die EU-Regulierungsbehörde ESMA. Der Prozess soll Ende des ersten Quartals 2024 abgeschlossen sein.

National anpassen

In Deutschland steht damit die Überführung der nationalen Kryptoregulierung in den Micar-Rahmen an, um Einklang mit dem europäischen Rahmenwerk herzustellen. Dafür brachte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Ende Oktober einen Referentenentwurf für das Finanzmarktdigitalisierungsgesetz auf den Weg. Darin skizziert das Ministerium die Einführung eines neuen Gesetzes, des Kryptomärkteaufsichtsgesetzes (KMAG-Entwurf), sowie Änderungen an bestehenden Gesetzen wie dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG).

Die Verwahrung eines digitalen Vermögenswertes wird sich künftig somit entweder nach dem KWG-Entwurf oder nach der Micar richten, so eine Analyse der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Kryptoverwahrer benötigten daher künftig zwei Erlaubnisse, sofern sie alle Formen von digitalen Vermögenswerten verwahren möchten, wie die Fachjuristen ausführen.

Die Regulatoren stehen dabei vor Detailarbeit. Dabei geht es etwa um den Begriff der Krytowerte in der Micar und im deutschen Gesetz, um die Abgrenzung der Micar vom EU-Regelwerk Mifid II und um die Einordnung verschiedener Finanzinstrumente.

Startschuss für Massenmarkt

Mit dem schon bestehenden Gesetz über elektronische Wertpapiere besteht zudem die Voraussetzung dafür, dass ein Massenmarkt für tokenisierte Wertpapiere auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) entstehen kann, also auf Basis einer dezentralen Datenspeicherung, wie dies etwa bei der Blockchain der Fall ist. Die Vorschriften sind dabei aber technologieneutral, sie bevorzugen also keine bestimmte Infrastruktur für den Handel mit digitalen Vermögenswerten.

Das Interesse an der Technologie ist quer durch die Wertpapierindustrie groß. Viele Akteure gehen davon aus, dass eine Parallelstruktur von alter und neuer Welt entstehen wird. Längst spielen viele mit dem Gedanken, auch gewöhnliche Instrumente wie Aktien, Anleihen oder Derivate zu tokenisieren. Auch Sachwerte wie Immobilien sowie diverse Anwendungen sind dabei im Gespräch.

Damit scheint Deutschland gute Voraussetzungen zu besitzen, um Banken und Fintechs neue Geschäftschancen zu eröffnen. Auch Frankreich war aktiv. Aber für Paris rächt es sich derzeit, dass Frankreich Akteure wie die Kryptobörse Binance mit ihrer Europazentrale an die Seine lockte und sich dafür einsetzte, dass die neuen Anbieter zunächst auf Grundlage vorläufiger Erlaubnisse tätig werden. In Frankreich laufen nun Bemühungen, Binance zurückzudrängen, nachdem das Unternehmen einen Vergleich mit dem US-Justizministerium schloss.

Deutschland ist „the place to be“

Die BaFin hingegen ist dafür bekannt, auch beim EU-Passporting zusätzliche Anforderungen zu stellen, wenn ausländische Anbieter auf den deutschen Markt drängen. Die Faustregel ist, dass neben einem lokalen Risikomanagement vor Ort auch eine angemessene Kundenbetreuung vorhanden sein muss. Doch allen Hürden zum Trotz: Der deutsche Markt zieht Finanzdienstleister allein aufgrund der schieren Größe an.

Die Bundesrepublik sei „the place to be“, formuliert es Alexander Höptner, der ehemalige Chef der Börse Stuttgart und Kryptobörse Bitmex. Für das Joint Venture Allunity, hinter dem auch die DWS steht, soll er einen Stablecoin auf den Weg bringen. Seine Botschaft ist klar: Regulierung und Aufsicht schaffen Sicherheit für die Branche.

Gute Regulierung

Deutschland stellt früh die Weichen für den Kryptomarkt.

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt
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