Wieviel Büro braucht es noch?
Wieviel Büro braucht es überhaupt noch?
Neben dem Zinsanstieg belastet der Trend zum hybriden Arbeiten den Markt für gewerbliche Immobilien.
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Über dem Markt für Büroimmobilien hängt ein zum Fragezeichen gebogenes Damoklesschwert: Wie wird sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren entwickeln? Gut drei Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist es für die Mehrheit der Angestellten selbstverständlich geworden, einen Teil ihrer Arbeit zu Hause zu erledigen. Arbeitgeber bangen um die Produktivität und das Betriebsklima, doch die Belegschaft zurück in die Büros zu ordern ist keine triviale Angelegenheit.
Insbesondere in den USA hat das hybride Arbeiten die Nachfrage nach Büroflächen massiv einbrechen lassen. Insofern muten die schneidigen Aussagen mancher Bank-CEOs zur angestrebten Rückkehr zur Präsenzpflicht wie das Pfeifen im Walde an.
Kooperation erwünscht
Schon auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor knapp einem Jahr beklagte Citigroup-Chefin Jane Fraser, dass nicht alle Beschäftigten in der hybriden Arbeitswelt dieselbe Performance an den Tag legten wie im Büro. Die Großbank messe dies sorgfältig und plane Anreize zu setzen, um die Anwesenheit zu erhöhen und die durch das mobile Arbeiten deutlich erschwerte Kooperation der Beschäftigten zu fördern.
Wenige Monate später kursieren Berichte, dass die Citigroup notorische Heimarbeiter finanziell sanktionieren wolle. Und auch bei Goldman, J.P. Morgan und anderen Instituten wächst der Druck auf die Angestellten, wieder häufiger im Büro zu erscheinen. Schwer einzuschätzen, wie viel davon tatsächlich der Sorge um die Unternehmenskultur geschuldet ist und wie viel der Sorge um die Bewertungen der Gewerbeimmobilienportfolios in den eigenen Büchern.
Tatsächlich haben gerade die Unternehmen in den USA große Probleme, die Belegschaft wieder ins Office zu locken. Laut einer Erhebung der Nachrichtenagentur Bloomberg, die auf Daten der zehn größten Geschäftsbezirke basierte, lag die durchschnittliche Präsenz im Sommer bei unter 50%. Eine aktuelle Umfrage der Immobilienberatung JLL deutet darauf hin, dass sich daran seither wenig geändert hat (siehe Grafik).
Deutschland im Mittelfeld
Mit einer durchschnittlichen Büropräsenz von 2,7 Tagen pro Woche liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld, gleichauf mit den Niederlanden und der Schweiz. Interessanterweise würden viele Mitarbeiter deutscher Firmen lieber mehr Zeit unter Kollegen verbringen, ihre Präferenz läge demnach wie in Frankreich im Durchschnitt bei 3,1 Tagen. Mit dem Unterschied allerdings, dass die aktuelle Anwesenheit in französischen Büros mit 3,5 Tagen pro Woche höher liegt.
Nicht nur in Deutschland, dessen Probleme mit dem Schienennetz Berufspendler in den Wahnsinn treiben, ist das wichtigste Argument der Heimarbeiter die Zeit. Laut der JLL-Umfrage, die sich auf die zwischen Oktober 2022 und September 2023 erhobenen Angaben von mehr als 20.000 Büroangestellten international tätiger Unternehmen stützt, empfinden 59% der Teilnehmer die Fahrt ins Büro und die Heimreise als vertane Zeit. Weitere 43% stören sich an den dadurch anfallenden Kosten.
Deutlich weniger ins Gewicht zu fallen scheinen die Gegebenheiten am Arbeitsplatz: Am häufigsten genannt wurden das Geräuschlevel (28%) und die höheren Aufwendungen für das Essen (22%), während das Fehlen eines Stammplatzes im Büro (9%) oder von Stauraum (6%) zweitrangig zu sein scheinen. Auch die Vereinbarkeit von familiären und beruflichen Aufgaben wurde lediglich von 18% der Befragten als Argument für das Homeoffice genannt.
Anders als in den USA zeigen sich viele Unternehmen hierzulande weitgehend zufrieden mit den Vereinbarungen zum hybriden Arbeiten. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts glaubt nur knapp ein Drittel der Betriebe, dass eine höhere Präsenz die Produktivität erhöhen würde.
Eine wichtige Rolle für die Toleranz für das mobile Arbeiten dürfte der zunehmende Wettbewerb um Fachkräfte spielen. Mit ihrer 100-prozentigen Anwesenheitsquote steht die angelsächsisch geprägte Investmentbank Berenberg im hiesigen Finanzsektor jedenfalls weitgehend allein da. Andere Institute wie die Commerzbank denken bereits laut über eine weitere Flexibilisierung nach.