New Work

100 britische Firmen stellen auf Viertage­woche um

Die Kampagne für eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich hat in Großbritannien Zulauf. Mitarbeiter sparen dadurch unter anderem Kosten für die Kinderbetreuung und die Fahrt zum Arbeitsplatz.

100 britische Firmen stellen auf Viertage­woche um

hip London

Bislang haben sich Medienberichten zufolge 100 britische Firmen der Kampagne für eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich angeschlossen. Die größten von ihnen sind die digitale Atom Bank und das Affiliate-Marketing-Netzwerk Awin, das zu Axel Springer und United Internet gehört, mit jeweils rund 450 Beschäftigten im Vereinigten Königreich. Rund 2 600 Mitarbeiter profitieren von der Reduzierung der Arbeitszeit auf 32 Stunden. Auf der Website der Kampagne ist von mehr als 3 300 Mitarbeitern bei über 70 Firmen die Rede ist, die sich ihrem Pilotprojekt angeschlossen haben.

„Von Montag bis Freitag von neun bis fünf Uhr da zu sein, ist eine ziemlich altmodische Arbeitsweise“, sagte Mark Mullen, der Chef der Atom Bank, als sich das Institut im vergangenen Jahr der Kampagne anschloss. Die Pandemie habe gezeigt, dass das nicht nötig sei. Man habe die möglichen Auswirkungen geprüft und festgestellt, dass die neuen Arbeitszeiten weder den Dienst am Kunden noch die Produktivität beeinträchtigten. Die Einführung der Viertagewoche sei „eine der transformativsten Initiativen, die wir in der Geschichte des Unternehmens gesehen haben“, sagte der Awin-Chef Adam Ross. „In den vergangenen anderthalb Jahren haben wir nicht nur einen enormen Anstieg des Wohlergehens und Wohlbefindens der Mitarbeiter verzeichnet, gleichzeitig haben auch Kundendienst und Kundenbeziehungen sowie Talentmanagement und Mitarbeiterbindung profitiert.“

Direktor der Kampagne ist Joe Ryle, ein früherer Berater des Labour-Politikers John McDonnell, den Jeremy Corbyn für den Fall eines Wahlsiegs als Schatzkanzler auserkoren hatte. Ryle macht zudem die PR für die linke Denkfabrik Autonomy, die Research für die Kampagne zuliefert. Ihren Berechnungen zufolge können Arbeitnehmer, die nur vier Tage arbeiten, von niedrigeren Kinderbetreuungs- und Pendelkosten profitieren. Ein Elternteil mit einem Kind könne im Schnitt fast 1800 Pfund pro Jahr sparen. Mit zwei Kindern verringerten sich die jährlichen Kosten um 3 200 Pfund.

Öffentlicher Dienst mit dabei

Als das Pilotprojekt im September die Mitte seiner Laufzeit erreichte, gaben 86 % der beteiligten Firmen an, dass sie vermutlich künftig so weiterarbeiten werden. Unterdessen hat sich die erste Lokalverwaltung zu einem dreimonatigen Feldversuch entschieden. Ab Januar können 470 Mitarbeiter des South Cambridge­shire District Council daran teilnehmen. Ihnen winkt eine 30-Stunden–Woche bei vollem Lohnausgleich. Das soll die Anwerbung von Personal und die Mitarbeiterbindung erleichtern.

Die britische Kampagne ist Teil einer weltweiten Initiative. Diesen Monat kündigte der Konsumgüterhersteller Unilever an, sein Vier-Tage-Experiment in Neuseeland fortzusetzen und es auf Australien auszuweiten. Grundlage des Versuchs war, dass die Mitarbeiter sich verpflichteten, in 80 % der Arbeitszeit 100 % Leistung zu bringen. Dafür bekamen sie 100 % des bisherigen Gehalts. Angeblich ließen sich Konflikte zwischen Leben und Arbeit dadurch um zwei Drittel reduzieren.

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