2 Mrd. Euro Cash von Wintershall Dea stecken in Russland fest
cru Frankfurt
Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea geht wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine weiter auf Distanz zu seinen Geschäften in Russland. „In das Russlandgeschäft haben wir in den vergangenen Jahrzehnten viel investiert und Vermögenswerte aufgebaut. Wir prüfen nun, ob das internationale Geschäft der Wintershall Dea rechtlich von unserem Russlandgeschäft getrennt werden kann“, sagte der Konzernchef der BASF-Tochter Mario Mehren am Dienstag anlässlich der Quartalsbilanz.
Ein Verkauf der Beteiligungen an drei Joint Ventures in Russland durch eine Auktion sei aber nicht geplant, erklärte Mehren auf Nachfrage der Börsen-Zeitung: „Russlands Präsident Putin hätte in diesem Fall ein Vetorecht. Das bedeutet, die Anteile würden am Ende bei einem der russischen Staatskonzerne landen.“
Damit fallen aber auch die Pläne für einen Börsengang von Wintershall Dea auf absehbare Zeit flach – ganz abgesehen vom schwierigen Marktumfeld. Denn für ein IPO müsste sich der Konzern zunächst von seinen Russlandaktivitäten trennen, damit Investoren Klarheit erhalten. Die Russlandaktivitäten tragen 50% zur Produktion und rund 25% zum Gewinn sowie zum Free Cashflow bei, wie Finanzvorstand Paul Smith in der englischsprachigen Bilanzpräsentation erläuterte. Er wies zudem darauf hin, dass in den drei Joint Ventures in Russland, an denen Wintershall Deal beteiligt ist, insgesamt 2 Mrd. Euro Cash „feststecken“ – also nicht aus dem Land abgezogen werden können. Der Konzern ist in Russland an drei Förderprojekten beteiligt – am Erdgasfeld Juschno Russkoje sowie der Achimow-Formation des Urengoi-Felds in Sibirien.
Nord Stream abgeschrieben
Auf die Beteiligung an der vor kurzem durch Sabotage beschädigten Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 von 15,5% hatte Wintershall Dea bereits 300 Mill. Euro abgeschrieben und jetzt im dritten Quartal weitere 170 Mill. Euro. Der staatliche russische Gasexporteur Gazprom ist mit 51% an der Pipeline beteiligt, Wintershall und dem Stromnetzbetreiber Eon gehören je 15,5%, die französische Engie und die niederländische Gasunie halten je 9%. Wintershall Dea, an der BASF 72,7% und die Investorengruppe Letter One des russischen Milliardärs Mikhail Fridman 27,3% halten, war auch mit rund 1 Mrd. Euro an der Finanzierung der Pipeline Nord Stream 2 beteiligt. Dieses Engagement wurde abgeschrieben. Letter-One-Miteigentümer Fridman war im Frühjahr auf die EU-Sanktionsliste gesetzt worden.
Der Konzern hatte nach Kriegsbeginn angekündigt, in Russland in keine neuen Projekte zu investieren. „Russlands Krieg und seine Folgen entziehen den Wirtschaftsbeziehungen die Basis“, erklärte das Unternehmen jetzt. Russland sei in jeder Hinsicht unberechenbar. Im Juli hatte Wintershall Dea aber angekündigt, ihre Gemeinschaftsunternehmen in Russland mit dem russischen Gaskonzern Gazprom fortzusetzen.
Das internationale Geschäft außerhalb Russlands will CEO Mehren weiter stärken. Im Juli hatte Wintershall Dea in Norwegen das Nova-Feld in Betrieb genommen. In Argentinien investiere der in Celle ansässige Konzern in ein Offshore-Gasprojekt. Und in Mexiko wurde am Montag mit dem Unternehmen Hokchi Energy eine 37-Prozent-Beteiligung an einer Ölproduktion vereinbart.
Auch netto mehr verdient
Das dritte Quartal bescherte Wintershall Dea dank der gestiegenen Öl- und Gaspreise einen Gewinnsprung. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Explorationskosten (Ebitdax) sei im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 2,6 Mrd. Euro mehr als verdoppelt worden. Der um Abschreibungen bereinigte Nettogewinn sei auf 851 Mill. Euro nach zuvor 234 Mill. Euro nach oben geschossen. Die Produktion sei um 4% auf 614000 Barrel Öläquivalent (BOE) pro Tag gestiegen.
Wintershall Dea | ||
Konzernzahlen nach IFRS | ||
3. Quartal | ||
in Mill. Euro | 2022 | 2021 |
Produktion (in Tausend Fässer Öläquivalent pro Tag) | 614 | 588 |
Ebitdax | 2571 | 983 |
Produktionskosten (Euro pro Fass Öläquivalent) | 4,2 | 3,8 |
Investitionen | 220 | 210 |
Free Cashflow | 1577 | 405 |
Nettoschulden | −1783 | 3390 |
Leverage | −0,2 | 1,7 |
Börsen-Zeitung |