Friedrich Pehle

2G Energy schärft Auslandsstrategie

Expansionspläne treiben dieser Tage nicht jeden Finanzchef in Deutschland um. Da scheint es verwunderlich, wenn Friedrich Pehle, CFO beim Energieanlagenbauer 2G Energy, mit Blick auf neue Märkte für Flüssiggas mitten in der Pandemie von einer...

2G Energy schärft Auslandsstrategie

Von Daniel Wolf, Düsseldorf

Expansionspläne treiben dieser Tage nicht jeden Finanzchef in Deutschland um. Da scheint es verwunderlich, wenn Friedrich Pehle, CFO beim Energieanlagenbauer 2G Energy, mit Blick auf neue Märkte für Flüssiggas mitten in der Pandemie von einer Goldgräberzeit spricht. Gleichwohl forciert der Hersteller von gas­betriebenen Blockheizkraftwerken (BHKW) aus dem Münsterland seine Internationalisierung.

Mit der Anfang April gegründeten Vertriebsgesellschaft 2G Energy International will der Konzern unabhängiger von seinen Hauptmärkten in Europa und Nordamerika werden und gezielter Potenziale anderswo ausloten. „Wir müssen aufstrebende Märkte ohne BHKW-Anbieter besetzen“, sagt Pehle im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Quasi jedes Quartal werde irgendwo auf der Welt ein Empfangsterminal für Flüssiggas installiert und setze den Startpunkt für Gas- und Energienetze in vielversprechenden Regionen – so locke beispielsweise in Mittelamerika und der Karibik die Erschließung neuer Märkte: „Das wollen wir nutzen.“

Die Zahlen scheinen dem Konzern, nach eigenen Angaben in gut 50 Ländern aktiv, in Sachen Expansionsstrategie Recht zu geben. Größter Umsatztreiber war mit einem Plus von 14% im vergangenen Jahr das Auslandsgeschäft, der Anteil am Gesamtumsatz kletterte von 35 auf 38%. In den Aufträgen zeigt sich die Verschiebung inzwischen deutlich: Im ersten Quartal 2021 verbuchte 2G 55% der neuen Aufträge außerhalb von Deutschland. Insgesamt stieg der Auftragseingang zum Vorjahresquartal leicht auf 46 Mill. Euro. Der Vorstand geht damit Stand heute von Vollauslastung bis etwa zum Jahresende aus.

Neben dem europäischen Ausland ist vor allem Nordamerika wichtig für die Münsterländer. In den ersten drei Monaten dieses Jahres war der Auftragseingang in Nord- und Mittelamerika gut fünfmal so hoch wie im gleichen Zeitraum 2020. Finanzvorstand Pehle verweist auf einen Nachholeffekt in den USA – genauer: auf „einen Ruck, der mit der Wahl des neuen Präsidenten und dem Start der Impfkampagne durch das Land gegangen ist“. In der neuen Gesellschaft soll das Vertriebsteam nun auch kleinen Märkten mit ausgemachtem Wachstumspotenzial mehr Gewicht einräumen.

Auf dem Heimatmarkt geht es vergleichsweise gemächlich zu. In Deutschland hielten sich die Kunden nach Gesetzesänderungen wie im EEG oder bei der Förderung von Biogasanlagen zurück und schöben Investitionen teilweise auf die lange Bank, sagt Pehle. Bis 2024 rechnet 2G in der Bundesrepublik denn auch nur mit moderatem Wachstum. Danach wird laut Pehle vieles darauf ankommen, wie die Energiewende weiter ausgestaltet wird. Soll heißen: wie stark neben Wind und Sonne auch etablierte Technologien, wie er sie nennt, zum Tragen kommen. „Deutschland steuert auf eine echte Stromlücke zu, und wir sehen außer dem Blockheizkraftwerk bislang keine massiven Gamechanger am Horizont in Sachen planbare und dezentrale Energieversorgung.“

2G jedenfalls will bei der Energiewende mitmischen und erwartet mittelfristig auch in Deutschland wieder stärker zunehmende Auftragszahlen. Der Konzern ist selbst ernannter Technologieführer beim Betrieb von BHKW mit Wasserstoff und bietet Käufern bestimmter Erdgasanlagen mittlerweile gegen Aufpreis die Option zur Umrüstung auf Wasserstoff nach 30000 Betriebsstunden. Bei durchgehendem Betrieb wären das knapp dreieinhalb Jahre – die dürfte es wohl auch mindestens brauchen, bis Politik und Wirtschaft beim Thema grüner Wasserstoff überhaupt weit genug sind. „Wir sehen einfach noch nicht, dass Wasserstoff in ausreichender Menge da ist“, sagte Pehle. Und er räumte ein, Nachhaltigkeit und Netzstabilität seien derzeit noch keine ernsten Kaufargumente für BHKW.

Die Jahreszielkorridore des Konzerns, der es mittlerweile auf einen Marktwert von gut 400 Mill. Euro bringt, sind für 2021 trotz Wachstums in der Pandemie und eines im vergangenen Jahr verdoppelten Ak­tienkurses nur leicht optimistischer: 2G erwartet für 2021 einen Umsatz zwischen 245 und 260 Mill. Euro und eine Ebit-Marge zwischen 6,0 und 7,5%. Der Vorstand will die Dividende nicht erhöhen, sie soll für das ab­gelaufene Geschäftsjahr un­ver­än­dert bei 0,45 Euro bleiben. 2G bedrücken trotz allem die anhaltenden Co­ronarisiken – sei es in Form möglicher logistischer Engpässe, rückläufiger Bestellungen oder Quarantänemaßnahmen. Noch im ersten Halbjahr 2020 hatten pandemiebedingte Auftragsverzögerungen den Um­satz einbrechen lassen; das zweite Halbjahr rettete die Bilanz. Die Sorge: „Dass es möglicherweise noch eine vierte Coronawelle mit noch ra­dikaleren wirtschaftlichen Einschränkungen gibt“, sagt Pehle. Würden im November oder Dezember wieder Baustellen geschlossen, verschiebe sich der Umsatz ins Jahr 2022. Dazu komme eine Kehrseite des zusätzlichen Auslandsgeschäfts, nämlich steigende Volatilität. „Die Schlussrechnung wird weniger planbar. Und das müssen wir mitkalkulieren.“

Mittelfristig hält der Vorstand an seinem Ziel fest, bis 2024 die Umsatzmarke von 300 Mill. Euro und eine Ebit-Marge von 10% zu erreichen. Unabhängig etwa von politischen Entscheidungen sei es mit komplexen Produkten letztlich kaum möglich, „den Umsatz in ein paar Jahren zu verdreifachen oder organisch Jahr für Jahr um 30% zu wachsen“, mahnt Pehle. „Wir haben keine Plattformtechnologie, die wir beliebig skalieren können. Wir haben technisch etwas zu bewegen, und das macht den Wachstumspfad zäher.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.