Aggressives Wachstum mit bunten Würfeln
Von Antje Kullrich, Düsseldorf
Ein kleiner bunter Würfel mit Lautsprecher hat die deutschen Kinderzimmer erobert. Die Toniebox ist erst sechs Jahre auf dem Markt, doch hat sich das Audiosystem für die Kleinen insgesamt bereits fast vier Millionen Mal verkauft. Mit der Toniebox können auch schon Kindergartenkinder ziemlich selbständig Geschichten und Lieder hören – um ein Hörspiel zu starten, müssen sie nur eine der zahlreichen programmierten Tonie-Figuren auf die Box stellen.
Seit vergangenen November wollen die Gründer die Erfolgsgeschichte ihres Tech-Spielzeugs auch an der Börse fortschreiben. Die heutige Tonies SE, damals noch unter dem Namen Boxine tätig, kam über einen Spac an den Markt. „Grund für die Entscheidung für einen Börsengang via Spac war Geschwindigkeit“, sagt Co-Gründer Marcus Stahl im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Tonies-Gründer Stahl und Patric Faßbender, die das Unternehmen als Co-CEOs führen und über ihr Vehikel namens Höllenhunde GmbH noch 7% der Aktien halten, wollen das Geschäft rasant ausbauen. Sie nehmen dafür temporär deutliche Verluste in Kauf.
Nachdem der Einstieg in den US-Markt geschafft ist, expandiert Tonies jetzt auch nach Asien. Von Oktober an – rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft – werden die Audioboxen auch in Hongkong verkauft. Es ist der erste Schritt in den asiatischen Markt.
Tonies hat anspruchsvolle Wachstumsziele: Bis 2025 soll sich der Umsatz im Vergleich zum vergangenen Jahr auf rund 700 Mill. Euro mehr als verdreifachen. Das derzeit stark auf Deutschland fokussierte Geschäft soll sich stark internationalisieren. In drei Jahren plant Tonies, gut 40% seines Umsatzes in den USA zu erwirtschaften, in Deutschland will das Unternehmen dann nur noch ein Viertel der Erlöse erzielen.
Rasant lief es für Tonies seit dem Börsengang im November 2021 auch am Finanzmarkt – nur leider in die andere Richtung. Notierten die Papiere bis Ende vergangenen Jahres noch deutlich über 10 Euro, ging es seitdem stark bergab. Zum aktuellen Kurs von rund 4,40 Euro wird Tonies mit 500 Mill. Euro am Markt bewertet. Trotz des Preisverfalls hat der Vorstand SDax-Ambitionen.
Im vergangenen Jahr fuhr das junge Unternehmen einen operativen Verlust (bereinigtes Ebitda) von 15 Mill. Euro ein, im ersten Halbjahr 2022 waren es knapp 7 Mill. Euro. Vor allem den Markteintritt in den USA lässt sich Tonies viel kosten. Allein der Marketingaufwand in diesem Jahr in den USA belaufe sich auf rund 10 Mill. Euro, erläutert CFO Florian Drabeck. Auch holt das Unternehmen bereits jetzt viele Leute an Bord, um mit der Mannschaft auch 2025 den dann angepeilten US-Umsatz von rund 300 Mill. Euro stemmen zu können. Das Geschäft lässt sich nach Darstellung der Tonies-Lenker gut steuern: Wenn das Unternehmen heute eine Box verkaufe, ließe sich gut voraussagen, wie hoch die Umsätze in den kommenden Jahren mit Figuren sein werden. Denn die müssen für jede neue Geschichte nachgekauft werden. Die Risiken des hohen Wachstums sind den Tonies-Managern bewusst: „Wachstum kann auch gefährlich sein – nämlich dann, wenn in einem Unternehmen die Grundlagen nicht nachgezogen werden“, sagt Co-CEO Stahl. Tonies wolle sich nicht verheben. Beispiel US-Markt: Bei einer potenziell stark steigenden Nachfrage müsse Tonies lieferfähig bleiben, um bei großen Handelsketten nicht wieder ausgelistet zu werden. Das Problem gespannter Lieferketten glaubt Stahl mit Alternativen im Hardware-Design und Bevorratung managen zu können.
Die Verlustzone will Tonies auf Sicht verlassen. „Analysten schreiben, dass wir nächstes Jahr auf Ebene des Adjusted Ebitda profitabel sein und dann 2024 einen positiven Free Cashflow erreichen können. Dem will ich nicht widersprechen“, sagt CFO Drabeck. Im heimatlichen deutschsprachigen Raum liege die Ebitda-Marge bereits bei 10%.
Volatil bleibt auf absehbare Zeit das Konzernnettoergebnis. Denn Tonies hat Optionsscheine mit fünfjähriger Laufzeit an die Spac-Investoren ausgegeben, die zu 11,50 Euro je Aktie ausgeübt werden können. Der Wert der Optionsscheine schwankt mit dem Aktienkurs. So führte der Kursverfall im Halbjahresbericht zu einem Ertrag im Finanzergebnis von 25 Mill. Euro. Bei steigendem Kurs würde umgekehrt wieder ein Verlust verbucht.
Ausschüttungen an die Anteilseigner sind bei Tonies laut Drabeck aktuell kein Thema. Der Hersteller der Kinder-Audiobox versteht sich als Techwert. „Die Opportunitäten sind für uns viel zu spannend, als dass wir schon Dividenden ausschütten möchten.“