Airlines rutschen in die Schuldenfalle
Nicht alle Airlines werden die aktuelle Krise überleben. Und bei denen, die übrig bleiben, wächst vermutlich der Schuldenberg. Das schränkt die Spielräume auch mittelfristig ein. Bernstein sieht die Branche in Europa deshalb bis mindestens in die erste Jahreshälfte 2021 hinein im Umstrukturierungsmodus. Von Lisa Schmelzer, FrankfurtKeiner weiß, wann die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise endet und welche Folgen sie für einzelne Branchen hat. Die Fluglinien werden angesichts strenger Reisebeschränkungen auf alle Fälle besonders hart getroffen und während etwa im Handel die Beschränkungen gelockert werden, müssen Unternehmen wie Lufthansa ihre Flugpläne weiter zusammen streichen (siehe nebenstehende Meldung).Erste Auguren wie Ryanair-Chef Michael O’Leary wagen einen Blick in die Zukunft, er prophezeit nach dem Ende der Krise einen Preiskrieg. Als Folge werde es “eine Zeit lang” eine starke Zunahme bei Reisen und Tourismus geben, sagt er Reuters. Andere Branchenexperten hoffen derweil, dass der Preiskrieg der vergangenen Jahre nach der Krise erst einmal nicht wieder aufflammt, weil Kapazitäten vom Markt verschwunden sein werden – die Schätzungen reichen von 10 bis 25 % Rückgang im Angebot. Denn nicht alle Fluglinien werden die kommenden Wochen und Monate überleben und von denen, die übrig bleiben, dürfte manch einer kräftig geschrumpft sein. So plant etwa die Lufthansa mit kleinerem Zuschnitt, die derzeit geparkten Flugzeuge dürften nicht alle wieder in Betrieb gehen.Gerade bei Unternehmen wie Lufthansa, die vor der Krise gut da standen, haben Experten kaum Bedenken, dass sie die Krise überleben werden. Sorgen bereitet aber beispielsweise den Analysten des Researchhauses Bernstein, dass in der Krise erhebliche Schulden angehäuft werden dürften. In eine gefährliche Schieflage könnten kleinere und mittelgroße Airlines geraten, zumal die erwartete Rezession das Geschäft auch nach Ende der Beschränkungen belasten wird. “Langsam und schmerzhaft”Zieht die Nachfrage nach der Corona-Pandemie wieder an, bieten sich den verbleibenden Fluglinien zwar “große strategische Möglichkeiten”, die meisten werden aber nicht in der Lage sein, diese in den nächsten 12 bis 18 Monaten zu verfolgen. Denn die aktuelle Liquiditätskrise könnte die Nettoverschuldung der fünf größten Branchenvertreter in Europa (Lufthansa, Air France-KLM, IAG, Ryanair, Easyjet) um ca. 15 Mrd. Euro auf dann 52 Mrd. Euro erhöhen, fürchtet Bernstein – gegenüber einem Eigenkapital von ca. 32 Mrd. Euro Ende 2019. Vor diesem Hintergrund werden die Unternehmen wohl ihre Investitionspläne zusammen streichen, um die Bilanzen in Ordnung zu bringen. Dies gelte vor allem für Lufthansa und Air France-KLM, die aller Voraussicht nach auf Staatshilfe angewiesen sein werden.Die Wiederaufnahme des Flugbetriebs wird laut Bernstein “langsam und schmerzhaft” sein. Erwartet wird eine Wiederaufnahme in Phasen, die möglicherweise mit neuen staatlichen Restriktionen einhergehen wird. Dieser – eventuell langwierige – Prozess werde das finanzielle Aufwärtspotenzial begrenzen und die Fluggesellschaften mindestens bis zur ersten Hälfte des Jahres 2021 im Umstrukturierungsmodus halten.Für die Bernstein-Analysten werden sich die großen Low-Cost-Carrier vermutlich als besonders krisenfest erweisen und zudem am stärksten profitieren, wenn das Geschäft zurückkommt. Denn sie haben die stärkere Bilanz und die flexiblere Betriebsstruktur im Vergleich zu den etablierten Anbietern.Entspannung für die Branche kommt derzeit vom niedrigen Ölpreis. Entfernt er sich nicht allzu weit vom derzeitigen Niveau könnten die Fluggesellschaften laut Bernstein schon 2021 wieder ähnliche Ergebnisse erwirtschaften wie im Geschäftsjahr 2019 – vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Voraussetzung sei, dass auch die anderen Kosten stabil gehalten werden können und die Durchschnittserlöse nicht um mehr als 10 % nachgeben.