Corporate Governance

Aktionärs­rechte bleiben an der Grenze stecken

Mit der EU-Aktionärsrechterichtlinie sollten die Mitwirkungsrechte von Investoren gestärkt werden. Bislang ist mit dieser Regulierung wenig bewirkt worden, wie eine Studie von Aktionärsschützern belegt.

Aktionärs­rechte bleiben an der Grenze stecken

swa Frankfurt

Aktionäre haben trotz neuer Regulierung immer noch große Schwierigkeiten, ihre Rechte auf Hauptversammlungen wahrzunehmen. Speziell die grenzüberschreitende Stimmabgabe stößt nach wie vor auf technische Hindernisse, geht aus einer Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hervor, die gemeinsam mit der europäischen Aktionärsvereinigung Better Finance mit Blick auf die Hauptversammlungssaison 2021 erstellt wurde. Anteilseigner blieben oft in einer Kette von Intermediären stecken, kämen schwer an die nötigen Unterlagen und könnten dann ihr Stimmrecht nicht ausüben.

„Die Ergebnisse der Studie sind verheerend“, resümiert Jella Benner-Heinacher, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der DSW. „In den allermeisten Fällen konnten Aktionäre ihre Rechte im europäischen Ausland nicht oder wenn dann nur teilweise ausüben. Zudem wurden ihnen in zahlreichen Fällen hohe Kosten in Rechnung gestellt, teilweise bis zu 250 Euro pro Hauptversammlung“, so die Anlegerschützerin weiter. Das treffe vor allem Kleinanleger.

Benner-Heinacher fordert die Beteiligten auf, die Stimmabgabe über die Landesgrenzen hinweg effizienter zu gestalten. „Je einfacher und kostengünstiger es für Aktionäre ist, auf Hauptversammlungen ihrer Unternehmen grenzüberschreitend abzustimmen, desto mehr werden sie ihr Stimmrecht auch im Ausland ausüben.“ Nur so könnten sich Anleger etwa für die nachhaltige Entwicklung und die Energiewende der europäischen Unternehmen einsetzen, gibt sie zu bedenken.

Blackbox

An Informationen von ausländischen Unternehmen ist offensichtlich schwer zu kommen. In der Umfrage hat mehr als die Hälfte (59%) der Aktionäre erklärt, dass sie bei Investments in einem anderen EU-Land weder von einer Depotbank noch vom Emittenten selbst mit Unterlagen zur Hauptversammlung versorgt wurden. 34% konnten auf einen Intermediär vertrauen, nur 7% wurden vom Unternehmen selbst in­formiert.

Keine der befragten Adressen habe alle Informationen erhalten, die in der Aktionärsrechterichtlinie verlangt werden, stellt die Umfrage fest. In jedem vierten Fall sei nicht bekannt gemacht worden, wo das Aktionärstreffen stattfinde – im Coronajahr wurden die Versammlungen in der Regel virtuell abgehalten. Der Hälfte der Studienteilnehmer sei aus den zugegangenen Informationen nicht klar geworden, bis wann der Aktienbesitz zur Teilnahme an der Hauptversammlung angemeldet werden müsse (Record Date). Noch mehr (58%) bemängelten, sie hätten nicht erfahren, bis wann sie ihr Stimmrecht abgeben müssen. Zwei Drittel der Befragten sei es dann am Ende überhaupt nicht gelungen, ihre Stimmen abzugeben.

Appell an die Politik

Aus Sicht von DSW und Better Finance besteht dringender Reformbedarf, um die Prozesse zu verbessern. Es müssten jegliche Hürden beseitigt werden, die dem Engagement der Aktionäre im Wege stünden. So seien die Probleme zu lösen, die sich aus langen und komplexen Intermediärketten sowie Sammelkonten ergäben. Die Aktionärsvertreter sprechen sich zudem dafür aus, Informationen im Zusammenhang mit der Hauptversammlung deutlich zu vereinfachen und auf das Notwendigste zu beschränken. Empfohlen wird darüber hinaus, die Vorankündigungspflicht für die Teilnahme an der Hauptversammlung abzuschaffen und den Record Date sowie die Informationspflichten insgesamt EU-weit zu harmonisieren.

Christiane Hölz, Landesgeschäftsführerin Nordrhein-Westfalen der DSW und Verfasserin der Studie, hält es für notwendig, „so bald wie möglich eine EU-weite Definition des Begriffs ‚Aktionär‘ einzuführen“. „In Anbetracht der abschreckenden Höhe und der fehlenden Transparenz von Kosten und Gebühren, sollten die politischen Entscheidungsträger der EU prüfen, ob die Kosten und Gebühren für die Teilnahme der Aktionäre an Hauptversammlungen in Europa tatsächlich verhältnismäßig und ausreichend begründet sind“, ergänzt die DSW-Vertreterin. Es müsse zudem auf europäischer Ebene endlich sichergestellt werden, dass Gebühren für die Stimmrechtsausübung von Privatanlegern innerhalb der EU nicht höher ausfallen als bei der Ausübung von Stimmrechten aus inländischen Aktien. Ebenfalls Handlungsbedarf sieht die DSW in der staatlichen Aufsicht. Es sei zu klären, welche Aufsichtsbehörde für die Überwachung von Hauptversammlungsprozessen zuständig sei.

Die im Herbst 2020 in Kraft getretene zweite Aktionärsrechterichtlinie hatte das Ziel, die Mitwirkungsrechte von Aktionären zu stärken und zu erweitern. Als Voraussetzung war eine automatisierte, möglichst elektronische Kommunikation über Themen wie Hauptversammlung oder Kapitalmaßnahmen zwischen Emittent und Anteilseigner empfohlen worden. Das sollte auch die Identifikation der Aktionäre für den Emittenten erleichtern.

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