Aktivisten ante portas

US-Fonds drängen mit enormer Finanzkraft nach Europa - Gemäßigtere Gangart als in Amerika - Unternehmen bereiten sich intensiver vor

Aktivisten ante portas

Von Walther Becker, Frankfurt”Noch vor drei Jahren haben sich europäische Unternehmen kaum mit dem Thema Aktionärsaktivisten beschäftigt. Das hat sich deutlich geändert, besonders im vergangenen halben Jahr ist das Interesse der Manager und Aufsichtsräte an deren Strategien und Vorgehensweisen ganz deutlich gestiegen.” Jan Weber, Managing Director von Morgan Stanley in London, beobachtet die Szene intensiv und rechnet vor allem in Großbritannien, im deutschsprachigen Raum und in Skandinavien mit mehr Kampagnen aufmüpfiger institutioneller Investoren.”Börsennotierte Unternehmen sind heute auch in Europa mehrheitlich bereit, einen selbstkritischen internen strategischen Dialog über ihre Stärken und Schwächen zu führen, ohne Tabus, um sich so auf mögliche Attacken vorzubereiten oder diese durch proaktives Handeln gänzlich zu vermeiden”, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Laut Activist Insight werden dieses Jahr in Europa über 70 Feldzüge erwartet, wobei die Gangart auf dem Alten Kontinent noch gemäßigter sei als in den USA, wo ein Carl Icahn oder ein Bill Ackman (Pershing Square Capital) ungehobelt und lautstark agieren. Die Finanzkraft ist enorm. Die Assets erreichen laut Hedge Fund Research 130 Mrd. Dollar. Und die Mittel ziehen immer weiteres institutionelles Geld an. “Je mehr sich Aktivismusstrategien fokussieren, umso mehr Situationen wird es auch geben.”In den USA sei nach der großen Welle inzwischen nicht genug zu tun für das viele Kapital, das es zu investieren gelte. Wohl aber in Europa und Asien – hier sind zuletzt Toshiba und Samsung ins Fadenkreuz geraten. Renditehungrige Investoren, zu denen auch Pensionskassen zählten, suchten nach den für sie positiven Erfahrungen mit Shareholder-Aktivisten auch nach Investitionschancen in Europa. In Europa sind bekannte Fälle Rolls-Royce (Valueact Capital), Volvo, ABB, ThyssenKrupp und Bilfinger (alle Cevian), Airbus (TCI erfolgreich) oder Intercontinental Hotels. Anders als jenseits des Großen Teichs werden die Schlachten weniger öffentlichkeitswirksam geschlagen, aber die Briefe, die an deutsche Vorstände teilweise gingen, seien keineswegs freundlicher als das, was in den USA publiziert werde. Nur blieben die Attacken hier meist hinter verschlossenen Türen. Konstruktiv versus suggestivAls Berater schaue man von draußen durch die Brille der Aktivisten aufs Unternehmen und versuche, aufgrund der Schwachstellenanalyse Gegenstrategien zu entwickeln. Die Argumente der Aktivsten müssten ernst genommen werden. “In Deutschland ist der Hebel, den Aktivisten nutzen könnten, in mancher Hinsicht sogar stärker als in den USA.” Dort beschränkt sich die Konfrontation vielfach auf jährliche Board-Besetzungen, hier können Aktionäre relativ einfach außerordentliche Hauptversammlungen einberufen und weitreichende Themen wie Dividende oder Kapitalerhöhungen vorbringen, worüber Anteilseigner abstimmen.Die Fonds stünden selbst erheblich unter Druck, höhere Returns zu generieren, schließlich würden sie von ihren eigenen institutionellen Anlegern mit den im Vergleich niedrigeren Gebühren, die diese etwa für ETF-Produkte zahlten, konfrontiert. In den USA gebe es heute “Aktivisten für alles”, eine sehr breite Palette von Strategien, in Europa noch nicht. Hier seien “constructivists” oder “suggestivists” aktiv und am anderen Ende Regulierungsarbitrageure am Werk, wenn es darum geht, ein Unternehmen nach einer M & A-Transaktion von der Börse zu nehmen. Bekannt sind die Fälle ThyssenKrupp und Bilfinger, wo die eher langfristig investierte Cevian aus Skandinavien Großaktionär ist, und am anderen Ende der Palette Fälle wie Celesio oder Kabel Deutschland, wo es um das Nutzen gesetzlicher Lücken zum eigenen Vorteil nach einem M & A-Deal geht. Hier tut sich besonders Elliott hervor.Anders als in Amerika, wo sich eine Aktionärsbasis zu einem hohen Prozentsatz nach der Ankündigung eines Aktivisten wie Icahn drehe, seien solche Prozesse in Europa bisher selten zu beobachten. In den USA handele es sich in einigen Fällen um 20 bis 30 %, da im Windschatten bekannter Namen andere Anleger kräftig mitverdienen wollten. “Sie stehen nicht allein auf weiter Flur”, sondern haben eine Anhängerschaft von gleichgesinnten Investoren. Ins Visier geraten Unternehmen, die gemessen an Rivalen oder Indizes schlechter abschneiden. Aktivistenfonds stellen auf spezielle Situationen, strategische Versäumnisse, Missmanagement oder Probleme in der Corporate Governance ab. Auch höhere Ausschüttung und Aktienrückkaufprogramme gehören zu den Forderungen. “Bisher haben Makrorisiko, konzentrierte Aktionärsstrukturen und kulturelle Unterschiede US-Fonds davon abgehalten, auch in Europa stärker aktiv zu werden.” Das gesamtwirtschaftliche Risiko sinke, und den kulturellen Differenzen begegneten Investoren mit eigenen Niederlassungen am Brückenkopf London.