JAHRESWIRTSCHAFTSBERICHT

Altmaiers Credo

Zehn Jahre anhaltender Aufschwung - so gut ist es der Wirtschaft in Deutschland seit 1966 nicht mehr gegangen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verbreitet positive Stimmung und rühmt die Leistungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft....

Altmaiers Credo

Zehn Jahre anhaltender Aufschwung – so gut ist es der Wirtschaft in Deutschland seit 1966 nicht mehr gegangen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verbreitet positive Stimmung und rühmt die Leistungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft. In der Tat neigen wir Deutschen dazu, die Dinge schlechtzureden. Ein Plus von 1,0 %, das die Bundesregierung für das Bruttoinlandsprodukt 2019 erwartet, ist Wachstum, wenn auch deutlich weniger als 2018 und als im Herbst des vergangenen Jahres noch erwartet.Inzwischen mutet es aber an, als übersehe der Bundeswirtschaftsminister die Warnzeichen. Kein Aufschwung hält ewig. Deshalb ist es höchste Zeit, dass die Regierung mit der Wirtschaftspolitik gegensteuert. Dazu gehört es weniger, industriepolitisch einzugreifen wie mit den Vorhaben einer europäischen Batteriezellenfertigung oder dem Ausbau der künstlichen Intelligenz. Vielmehr muss die Wirtschaftspolitik wettbewerbsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen, in denen sich die Unternehmen selbst entfalten können. Altmaier hat diese Notwendigkeit zwar erkannt, bleibt aber konkrete Antworten schuldig. Das internationale steuerpolitische Umfeld nennt er selbst als eine zentrale Gefahr innerhalb der neuen Konjunkturrisiken. Als Antwort darauf bietet die Bundesregierung lediglich die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung an, die viele EU-Länder längst haben, und – erst 2021 – den Abbau eines Teils des Solidaritätszuschlags. Unternehmen werden davon nichts spüren, da sie nicht in die Gruppe der Begünstigten fallen werden. Für die Wirtschaft ist das zu wenig, nachdem der Standort Deutschland im Wettbewerb der Industrieländer wieder zum Hochsteuerland avanciert ist.An Ideen mangelt es Altmaier nicht: Gesetze zur Planungsbeschleunigung, steuerliche Anreize für die energetische Gebäudesanierung, bessere Abschreibungsmöglichkeiten für geringfügige Wirtschaftsgüter oder ein Fahrplan für den vollständigen Abbau des Soli schweben ihm vor. Das Credo allein reicht nicht aus. Es müssen Taten folgen.Die allerdings würden weiter reichen, als es CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers ist es, in der Koalition sein Gewicht dafür einzusetzen. Dies war zumindest im Frühjahr 2018 die Erwartung, als CDU und SPD das Bundesfinanzministerium mit dem Bundeswirtschaftsministerium tauschten. Evaluieren will die Koalition ihren Kurs zwar zur Halbzeit im Herbst, dann dürfte es für die Wirtschaft aber viel zu spät sein.