Am Beratermarkt bilden sich zwei Pole heraus
Am Beratermarkt bilden sich zwei Pole heraus
Breit aufgestellte Anbieter stehen spezialisierten Boutiquen gegenüber – Viele Kundenanfragen zu KI-Themen
Kunden wollen von Managementberatungen immer häufiger ein Komplettpaket, von der erarbeiteten Strategie bis zu ihrer Umsetzung. Während große Anbieter auf Zukäufe und Kooperationen setzen, suchen spezialisierte Boutiquen ihr Glück in der Nische. Auch künstliche Intelligenz sorgt für Veränderungen.
sar Frankfurt
Nach einem starken Jahr 2021 haben die in Deutschland tätigen Managementberatungen ihre Umsätze erneut gesteigert: Die 20 größten Häuser mit Hauptsitz in Deutschland sind im Geschäftsjahr 2022 im Schnitt um 18,5% gewachsen. Das zeigt eine Studie des Beratungshauses Lünendonk, aus der erste Ergebnisse am Dienstag in Frankfurt vor Journalisten vorgestellt wurden.
Die führenden internationalen Beratungen legten, ausgehend von einem deutlich höheren Umsatzniveau, mit 11,5% ebenfalls stark zu. Für die Studie wurden zwischen Februar und Mai die Daten von 71 Managementberatungen erfasst.
Unter den Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland ist Roland Berger wie im Vorjahr die größte Beratung. Im Geschäftsjahr 2022 setzten die Münchener 870 Mill. Euro um (2021: 745 Mill. Euro). Damit liegt Roland Berger beim Umsatz deutlich vor den zweitplatzierten Simon-Kucher & Partners (535 Mill. Euro) und der Business- und IT-Beratung Q-Perior auf Rang 3 (286 Mill. Euro).
Dennoch ist Roland Berger, die erst im April die Managementstrukturen neu aufgesetzt und den globalen Vorstand von drei auf sieben Personen erweitert hat, viel kleiner als die internationale Konkurrenz. Seit vergangenem Jahr kursieren Gerüchte, die Münchener könnten einen Investor an Bord nehmen oder einen Börsengang ins Auge fassen, um neue Wachstumsperspektiven zu eröffnen.
Grenzen verschwimmen
Für die größten Beratungshäuser mit internationalem Background weist die Lünendonk-Liste Beratungsumsätze im zweistelligen Milliardenbereich aus. Branchenprimus Accenture erzielte demnach 2022 geschätzte Consultingumsätze von 34 Mrd. Dollar, der Geschäftsbereich Consulting und Advisory der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte kam auf 31 Mrd. Dollar. Dahinter folgen die Beratungssparten von PwC (21 Mrd. Dollar) und EY (20 Mrd. Dollar).
Die Grenze zwischen den Dienstleistungsmärkten, von Strategieberatung über Organisationsberatung bis hin zu IT- und Transformationsberatung, verschwimme zunehmend, beobachtet Lünendonk-Geschäftsführer Jörg Hossenfelder. Viele große internationale Häuser hätten etwa Werbe- oder Digitalagenturen zugekauft, um mehr Leistungen aus einer Hand anbieten zu können.
In den USA sei die Nachfrage nach End-to-End-Beratungen hoch, und auch in Deutschland wachse sie. „Es gibt häufiger Kombinationen großer Strategieberater mit kleineren Umsetzungsberatungen“, sagt Hossenfelder.
Er glaubt, dass es zunehmend auch in Deutschland M&A-Strategien oder Partnerschaften geben werde, durch die große Häuser ein breiteres Leistungsspektrum abbilden können. Der Markt könne sich dadurch stärker aufteilen: in große Dienstleister mit einer breiten Wertschöpfungskette an dem einen Ende und kleinere, hochspezialisierte Boutiquen am anderen Ende.
Fachpersonal gesucht
Gerade die internationalen Häuser bauen in Summe weiter Personal auf: Die 20 größten deutschen Managementberatungen steigerten die Zahl der Beschäftigten um 15,5%, die internationalen Häuser wuchsen um 18,9%. Allerdings sind nicht mehr alle Kompetenzen gefragt. So hat Accenture, die 2022 weltweit 160.000 Berater und über alle Einheiten hinweg 738.000 Mitarbeiter beschäftigte, im März den Abbau von 19.000 Stellen mitgeteilt. Vor wenigen Tagen kündigte das Beratungshaus nun an, über drei Jahre hinweg insgesamt 3 Mrd. Dollar in den Bereich Data & KI investieren zu wollen. Die Beschäftigtenzahl in dem Bereich soll sich auf 80.000 verdoppeln, sowohl durch Übernahmen als auch durch Einstellungen und Weiterbildungen.
Marco Huwiler, Strategy & Consulting Lead für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei Accenture, sieht darin keinen Widerspruch. Man könne durchaus bestimmte Bereiche effizienter gestalten und in anderen gezielt Personal aufbauen.
Treiber Digitalisierung
Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) zählen zu den Wachstumstreibern in der Branche. Doch nicht nur von Kunden erhalten die Consultants nach eigener Aussage zurzeit viele Fragen zum Einfluss von KI auf Prozesse und Geschäftsmodelle. Auch die Branche selbst steht vor Veränderungen. „Research-Tätigkeiten oder das Zusammentragen von Unternehmensdaten sind Themen, die der Einsatz von KI beschleunigen kann“, sagt Walter Sinn, Managing Partner von Bain & Company in Deutschland.
Bain hat im Februar eine Allianz mit OpenAI verkündet, den Machern von ChatGPT. Experten für Advanced Analytics und Data Scientists sind Sinns Einschätzung nach auch im Consulting zunehmend gefragt.