IM BLICKFELD

Am Ende der Clusterförderung

Von Isabel Gomez, Stuttgart Börsen-Zeitung, 24.6.2017 Wird irgendwo zwischen Flensburg und Rosenheim Innovation gefördert, wird aus einer schwäbischen Region schnell ein Valley oder aus einem rheinischen Großraum ein Cluster. In den vergangenen...

Am Ende der Clusterförderung

Von Isabel Gomez, StuttgartWird irgendwo zwischen Flensburg und Rosenheim Innovation gefördert, wird aus einer schwäbischen Region schnell ein Valley oder aus einem rheinischen Großraum ein Cluster. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Innovationscluster ständig gestiegen. Politik und Wirtschaft fürchten, die deutsche Industrie könnte in Zeiten der Digitalisierung und Vernetzung, durch die Software und Daten künftig wohl wertvoller sein werden als Maschinen, ins Hintertreffen geraten.Dirk Dohse vom Kieler Institut für Weltwirtschaft spricht von einer “clusterbasierten Industriepolitik”. Denn die Cluster, Netzwerke zwischen Forschung und Wirtschaft, erhalten für ihre Arbeit an Zukunftstechnologien staatliche Subventionen. Stilbildend dafür sind die seit 2008 aus einem Wettbewerb des Bundesforschungsministeriums hervorgegangenen 15 sogenannten Spitzencluster (siehe Grafik). In ihnen werden unter anderem Biotechnologie, Elektromobilität oder Mikroelektronik gefördert, bis 2017 mit fast 1 Mrd. Euro. Hinzu kommen zahlreiche Sonderförderungen verschiedener Bundes- und Landesministerien. Der Mobilitätsfonds des Verkehrsministeriums stellt 100 Mill. Euro für die “digitale Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur auf Straße, Schiene, Wasserwegen und im Luftverkehr” zur Verfügung. Die Halbleiterfabrik, die der Technologiekonzern Bosch für 1 Mrd. Euro im Cluster Silicon Saxony bauen will, erhält als “wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse” (IPCEI) ebenfalls Zuschüsse. Die Landesregierung Baden-Württemberg fördert unter anderem Künstliche Intelligenz und Elektromobilität.Stellt sich die Frage, wie sinnvoll diese Subventionen sind, speziell wenn nicht nur an Grundlagen geforscht wird, sondern marktfähige Produkte entstehen. Das derzeit gewichtigste Thema in diesem Zusammenhang ist die Elektromobilität. Zu den “Impulsen” der Bundesregierung zählen hier die E-Auto-Prämie, Gelder für den Ausbau der Ladeinfrastruktur, Elektrofahrzeuge für öffentliche Fuhrparks sowie steuerliche Vergünstigungen. 2,2 Mrd. Euro gibt es bis 2017 für Forschung und Entwicklung von E-Mobilität. Immerhin will die deutsche Autoindustrie “internationaler Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität” werden. Wie auch die Solarindustrie einmal zum neuen industriellen Aushängeschild des Landes werden sollte.Die Solarförderung dient als abschreckendes Beispiel, weil die Politik dabei Marktmechanismen unterschätzte. Weil asiatische Hersteller vielfach günstigere Photovoltaikanlagen boten, folgte in der Branche Pleite auf Pleite. Auch Strafzölle auf chinesische Billigmodule halfen da nicht. Zuletzt meldete im Mai Solarworld Insolvenz an. Ein “Opfer des internationalen Wettbewerbs”, so die Branche, aber auch Opfer einer verfehlten, weil zu lange aufrecht gehaltenen, Subventionspolitik. Vom Solarvalley um Sachsen ist wenig übrig. Pioniere wie Q-Cells wurden längst übernommen.Doch selbst bei erfolgreich geförderten Clustern, die eine Anschubfinanzierung erhalten und bei Misserfolg nicht künstlich am Leben gehalten werden, ist der volkswirtschaftliche Nutzen unsicher. Beispiel Biotech. Von 1997 bis 2005 förderte das Wirtschaftsministerium Biotechnologie in Deutschland, indem Forschungsreinrichtungen und Unternehmen in 25 Bio-Regionen gebündelt wurden. Aus ihnen gingen drei Modellregionen hervor, die eine gezielte Förderung von 90 Mill. Euro erhielten. Im Anschluss wurden konkrete Projekte weitergefördert, etwa Forschung zu ernährungsbedingten Krankheiten in Berlin und Potsdam.Die Region München gilt heute als eine Keimzelle für innovative Biotech-Firmen – und ist dabei fast ein wenig zu erfolgreich. Eines der ersten Anzeichen war 2012 der Verkauf des Spezialisten für Herzinsuffizienzen Corimmun an eine Tochter des Healthcare-Konzerns Johnson & Johnson, die einen dreistelligen Millionenbetrag auf den Tisch legte. Und zwar bevor Ergebnisse zur Wirksamkeit des von Corimmun erforschten Wirkstoffes vorgelegen hatten. Fonds und Konzerne aus aller Welt kaufen seither Münchner Biotech-Firmen, aber kaum ein deutscher Name ist darunter.Soll ein Cluster langfristig erfolgreich sein, sollten auf Basis der dort erforschten Technologie Unternehmen gegründet werden, die wiederum einen Beitrag zur Wertschöpfung im Land leisten, sagen Experten wie Dohse. Diese Chance besteht bei neuen Technologien, die auf eine bestehende Basis aufbauen. Mikroelektronik als Teilgebiet der Elektronik etwa, oder Künstliche Intelligenz als Weiterentwicklung der Informatik. Mit Siemens, Bosch, Infineon oder SAP gibt es Konzerne, die dafür sorgen können, dass mit in diesen Bereichen entwickelten Technologien auch hierzulande nachhaltig Geld verdient werden kann.