An den Immobilienmärkten lässt der Schwung nach

Aufwärtstrend im Gewerbebereich intakt, aber Boom läuft aus - Risikofaktoren Zinsentwicklung und Konjunkturwende - Steigende Mieten erwartet

An den Immobilienmärkten lässt der Schwung nach

Von Helmut Kipp, FrankfurtSteigende Mieten und Preise, immer weniger Leerstand, hohes Investoreninteresse: Die Immobilienmärkte in Deutschland boomen. Marktteilnehmer sprechen von einem Superzyklus. Schon seit acht Jahren geht es aufwärts. Und mit Blick auf 2019 spricht vieles dafür, dass sich dieser Trend erst einmal fortsetzt. Allerdings dürfte die Dynamik abnehmen. Denn der Anschub durch die ultralockere Geldpolitik entfällt, die Gesamtkonjunktur kühlt ab, die Gewinnwarnungen von Industriekonzernen häufen sich. Das Ifo-Institut rechnet für 2019 nur noch mit 1,1% Wirtschaftswachstum in Deutschland.Der nach eigenen Angaben größte börsennotierte Gewerbeimmobilienkonzern in Deutschland Aroundtown stuft die Marktlage nach wie vor als “sehr stabil” ein. Eine negative Änderung sei nicht in Sicht, die Nachfrage hierzulande sei weiter stark, sagt der stellvertretende CEO Andrew Wallis. Nach wie vor würden Büros in Wohnungen umgewandelt, und der Neubau konzentriere sich auf den Wohnungssektor.Der Immobiliendienstleister Colliers gibt sich ebenfalls überzeugt, dass der deutsche Immobilienmarkt 2019 florieren wird. Eine Abschwächung sei weder bei den Vermietungen noch beim Transaktionsvolumen abzusehen. “Der Zyklus wird noch mindestens zwei Jahre andauern”, meint Matthias Leube, CEO Colliers Deutschland. Trotz zunehmender Projektentwicklungen gingen die Leerstände weiter zurück. Ein großer Teil der neuen Objekte sei schon vermietet. Ein Beispiel dafür ist das Infinity-Office-Projekt in Düsseldorf, das Ende 2019 fertig sein soll. Beim Erwerb durch DIC Asset Ende August wies das Objekt schon eine Vorvermietung von 85 % auf.Hintergrund des langen Aufschwungs ist der stark gestiegene Bedarf an Büroflächen. An den sieben Top-Standorten in Deutschland – das sind Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Köln und Düsseldorf – hat die Zahl der Bürobeschäftigten nach Angaben der Immobilienbank DZ Hyp binnen zehn Jahren um 25 % zugelegt. Die verfügbaren Büroflächen seien aber lediglich um 6 % gewachsen. Damit werde die durchschnittliche Leerstandsquote bis 2019 auf 3,5 % sinken (siehe Grafik). Hohes Transaktionsvolumen “Von einem Rückgang des Investoreninteresses ist bislang nichts zu spüren”, stellt BNP Paribas Real Estate in einer Analyse fest. Die Experten rechnen mit steigenden Mieten auch in den nächsten Jahren. Aus Daten des Immobiliendienstleisters Savills geht hervor, dass von Januar bis November in Deutschland Gewerbeimmobilien im Wert von 53,6 Mrd. Euro gehandelt wurden. Das sei ein Anstieg um 5 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das höchste Volumen steuert Frankfurt bei, gefolgt von Berlin und Hamburg. 41 % des Umsatzes entfallen auf Büros, 22 % auf Einzelhandelsobjekte, 12 % auf Logistik/Industrie und 5 % auf Hotels. Für das Gesamtjahr zeichnen sich Rekordtransaktionen von rund 60 Mrd. Euro ab. Für 2019 erwartet Colliers aufgrund des knappen Angebots einen leichten Rückgang auf 58 Mrd. Euro. Savills siedelt das Volumen der Gewerbeinvestments im neuen Jahr bei 50 Mrd. Euro an.”Der Boom am deutschen Immobilienmarkt geht zu Ende”, glaubt Matthias Pink, Deutschland-Researchchef bei Savills. “Das heißt aber nicht, dass es jetzt talwärts geht.” Für den weltweit tätigen Dienstleister gibt es nach wie vor starke und zahlreiche Argumente für Investitionen in hiesige Immobilien, etwa Deutschlands Status als sicherer Anlagehafen und die Aussicht auf Mietwachstum. Für Letzteres spricht, dass die Beschäftigtenzahl weiter steigt. Die Bautätigkeit nimmt zwar zu, reicht aber nicht aus, um die gestiegene Nachfrage zu befriedigen. Das verlängert die Aufwärtsbewegung.Als Hauptrisiko stuft Analyst Pink die Konjunktur ein: Auf eine Rezession seien die Marktakteure wahrscheinlich nicht vorbereitet. Eine solche Entwicklung würde die eng mit der Gesamtwirtschaft verknüpfte Gewerbeimmobilienbranche mit nach unten ziehen. Zweifelsohne haben die Risiken zuletzt zugenommen – die Liste der Unwägbarkeiten reicht vom Brexit über die Haushaltspolitik Italiens bis zu den globalen Handelskonflikten.Für den Vermögensverwalter DWS steht 2019 aber keine Rezession ins Haus: “Das Wachstum hat 2018 den Höhepunkt erreicht, doch die Fundamentaldaten sind weiter solide”, sagt Chefanlagestratege Stefan Kreuzkamp.Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind die Zinsen. Über Jahre haben extrem niedrige Kreditzinsen den Immobilienmarkt befeuert. Sie haben die Finanzierung von Objektkäufen erleichtert und die Attraktivität des Sektors gegenüber dem Anleihemarkt erhöht. Das hat die Preise speziell in Großstädten auf Rekordniveau getrieben. Im Gegenzug sind die Nettoanfangsrenditen in Metropolen wie Berlin, München, Frankfurt und Hamburg auf etwa 3 % geschrumpft. Neuallokation des KapitalsWeitere geldpolitische Stimuli werden vom neuen Jahr an höchstwahrscheinlich ausbleiben. Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpt dann nämlich kein frisches Geld mehr in Anleihekäufe. Damit dürften sich die Bedingungen für Immobilieninvestments auf mittlere Sicht sukzessive ändern, wenngleich die erste Zinserhöhung aussteht und die EZB fällige Anleihen durch neue Käufe ersetzt. Die sich daraus ergebenden Folgen schätzen Marktteilnehmer durchaus unterschiedlich ein. Während zum Beispiel für Savills-Experte Pink eine Zinswende kein Bedrohungsszenario darstellt, weil der laufende Zyklus von Eigenkapital getrieben werde, warnt Catella Research, dass eine Neuallokation des Kapitals zugunsten festverzinslicher Anlagen eine “Erosion der Verkehrswerte bei Gewerbeimmobilien” auslösen könne.Die Catella-Analysten haben eine Modellrechnung erstellt, die von einem Anstieg der Rendite von Staatsanleihen um 140 Basispunkte bis 2022 ausgeht. In solch einem Szenario seien in zahlreichen deutschen großen Städten Wertverluste von mehr als 15 % zu befürchten. Höhere Mieten könnten die Wertverluste auffangen, “aber die Herausforderung ist in Metropolen größer als in Mittelstädten”, meint Catella. Mittelstädte seien aufgrund deutlich höherer Nettoanfangsrenditen von rund viereinhalb Prozent etwa in Münster, Leipzig oder Hannover weniger anfällig für Werteinbußen durch eine Zinswende.Bisher allerdings fokussieren sich Investoren mehr denn je auf die Big 7, wie der Immobiliendienstleister JLL konstatiert. Das spiegle die dynamische Entwicklung insbesondere der Bürovermietungsmärkte in diesen Städten wider. Objekte mit kurzfristigen Mietverträgen oder Leerstand seien begehrt, da sich hier am ehesten durch Neuabschlüsse höhere Mieten durchsetzen ließen. Berlin auf Platz 2 in EuropaIm europäischen Vergleich können deutsche Großstädte durchaus mithalten. Als beste Investmentgelegenheit für das neue Jahr gilt zwar Lissabon, geht aus einer Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervor. Doch Berlin folgt auf Platz 2. Auf dem fünften Rang liegt Frankfurt, auf dem siebten Hamburg und auf dem zehnten München. “Die deutschen Städte profitieren von der wirtschaftlichen und politischen Stabilität Deutschlands”, sagt Susanne Eickermann-Riepe, Real Estate Leader PwC Deutschland. Allerdings sähen viele Investoren die vier Großstädte als überteuert an. Als wichtigste Kriterien für die Attraktivität eines Standorts gälten für die Befragten eine gute Infrastruktur, die Verfügbarkeit von Assets und die Renditeaussichten.