Anzeichen für Strukturwandel der Gig Economy

Britisches Schatzamt sucht nach Wegen, Steuern zu erheben - Just Eat zahlt künftig Stundenlöhne

Anzeichen für Strukturwandel der Gig Economy

hip London – In Großbritannien gibt es erste Anzeichen für einen Strukturwandel der Gig Economy, deren wichtigste Sektoren einem Papier des Schatzamts zufolge bis 2025 ein Volumen von 140 Mrd. Pfund erreichen könnten. Der Lieferdienst Just Eat kündigte an, seinen Fahrern künftig einen Stundenlohn zu zahlen. Sie würden demnach zumindest den Mindestlohn erhalten, zudem hätten sie Anspruch auf bezahlten Urlaub, Sozialversicherungs- und Rentenbeiträge sowie Krankengeld. Das britische Schatzamt sucht unterdessen nach Wegen, Umsatzsteuer auf Leistungen zu erheben, die von Mitarbeitern der Gig Economy erbracht werden.Das neue Just-Eat-Beschäftigungsmodell soll zuerst in London eingeführt werden. Im Kampf um Mitarbeiter kann sich Just Eat damit von anderen Lieferdiensten wie Uber Eats und Deliveroo absetzen. Es soll künftig Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte geben. Fahrer könnten aber auch weiterhin “selbständig” bleiben. Wenn die Nachfrage groß ist, etwa an den Wochenenden, können sie nämlich deutlich mehr verdienen als den Mindestlohn. Millionen betroffenZum derzeitigen Ausmaß der Beschäftigung in der Gig Economy gibt es kaum Daten. Nach einer Studie der Gewerkschaft TUC und von Wissenschaftlern der University of Hertfordshire aus dem vergangenen Jahr arbeiten rund 4,7 Millionen Menschen in der britischen Gig Economy. Sie erhalten keinen regulären Arbeitslohn, sondern werden für “Gigs”, wie eine Pizzalieferung, die Beseitigung eines Wasserschadens oder eine Fahrt zum Flughafen, bezahlt. Viele arbeiten in klassischen “White Collar”-Tätigkeiten wie Consulting, Rechtsberatung oder Rechnungslegung. Einer Studie von 2017 zufolge waren gar 5,3 Millionen Menschen in der Gig Economy tätig.Geht es nach Will Shu, dem Gründer von Deliveroo, der gerade daran arbeitet, das Unternehmen an die Börse zu bringen, handelt es sich bei der Arbeit für ihn um etwas völlig anderes als ein traditionelles Arbeitsverhältnis. Den Mitarbeitern gehe es darum, flexiblen zu sein. Im Schnitt arbeiteten sie 10 bis 14 Stunden die Woche. Vier Fünftel hätten als Hauptgrund dafür angegeben, dass sie sich frei entscheiden könnten, wo und wann sie arbeiten wollten.Erst ab Einnahmen von mehr als 85 000 Pfund wird eine Umsatzsteuerregistrierung fällig. Diese Schwelle dürften nicht allzu viele Uber-Fahrer oder Airbnb-Vermieter erreichen. Würden sie dagegen als Mitarbeiter des Plattformbetreibers betrachtet und die von ihnen erbrachten Leistungen als deren Angebote, würde Umsatzsteuer fällig. Dem Fiskus entgehen durch die bisherige Regelung Milliarden. Durch die Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Schäden durch die Coronavirus-Pandemie klafft ein tiefes Loch in der Kasse. Entsprechend intensiv sind die Bemühungen, das bisherige Geschäftsmodell der digitalen Plattformbetreiber zu kippen, etwa indem ihnen ein “unbeabsichtigter Wettbewerbsvorteil” bei der Umsatzsteuer zugesprochen wird, den es zu beseitigen gelte.