Auf der Jagd nach schwäbischen Mittelständlern
Von Gerhard Bläske, Stuttgart Die Jäger sind los. Im Visier haben sie deutsche, vor allem baden-württembergische, Mittelständler. Der Wäschehersteller Schießer ging kürzlich an die israelische Delta Galil, der Betonpumpenproduzent Putzmeister an die chinesische Sany Heavy Industries und Wettbewerber Schwing an die Xushou Construction Machinerie Group (XCMG), die ihren Sitz ebenfalls in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft hat. Die Mehrheit des Werkzeugherstellers Metabo erwarb der französische Finanzinvestor Chequers Capital, Daimler verkaufte 66 % an dem Ingenieurs- und Beratungsunternehmen MBtech an die ebenfalls französische Akkas. Andritz aus Österreich übernahm die Mehrheit am Großpressenhersteller Schuler und die schweizerische Beteiligungsgesellschaft Capvis reichte ihre Anteile am Besteckproduzenten WMF an den US-Investor KKR weiter. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.”Neben Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen sind besonders baden-württembergische Mittelständler gefragt”, beobachtet Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Es sind vor allem strategische Investoren, die in Deutschland investieren: Insbesondere Chinesen, Amerikaner, Inder, Russen, aber auch Deutsche, Österreicher oder Schweizer, stellt Michael Wiehl, Fusions- und Mittelstandsexperte der Beratungsfirma Rödl & Partner, fest. “Der Trend hat ganz eindeutig zugenommen und wird weiter zunehmen”, glaubt Wiehl. Gerade im Südwesten Deutschlands gibt es viele Weltmarktführer, die oft nur in Nischen tätig sind. Im Ausland sind die meisten der entweder in der Nachkriegszeit oder noch viel früher gegründeten Mittelständler schon seit vielen Jahren unterwegs. “Wir können alles – außer Hochdeutsch”, heißt es denn auch selbstbewusst im Ländle. Die Chinesen kommenDas kommt bei Investoren wie Chequers, General Electric oder dem französischen Finanzinvestor Wendel Investissements an. Warren Buffet tourte kürzlich sogar mit einer eigenen Roadshow durch Deutschland, um in Kontakt mit Familienunternehmen zu kommen. Wolfgang Taudte, Partner bei Ernst & Young, sieht “größtes Interesse am deutschen Markt” auch bei Private-Equity-Gesellschaften. Die selbstbewussten Mittelständler verfügen über Know-how und Expertise in Wachstumsfeldern, etwa im Maschinenbau, in der Automobilindustrie oder der Umwelttechnik. Das ist besonders gefragt. Zudem sind viele wirtschaftlich erfolgreich und vergleichsweise solide, was auch für Finanzinvestoren interessant ist, die derzeit wenig andere attraktive Anlagemöglichkeiten findenNachdem die chinesische Regierung Investitionen im Ausland angekurbelt hat, indem Entscheidungsprozesse im Staatsapparat vereinfacht und beschleunigt wurden, haben gerade Engagements aus dem Reich der Mitte deutlich zugenommen. Sany schluckte den angeschlagenen Putzmeister-Konzern, dessen Konkurrent Schwing fiel in die Hände der ebenfalls chinesischen XCMG. Die Solarfirma Sunways wurde von LDK Solar übernommen, der Maschinenbauer Emag von der Jiangsu Jinsheng Industry Holding, ein weiterer Maschinenbauer, Kelch, von der Harbin Measuring & Cutting Tool Group (HMCT).Die Investoren wollen sich durch den Einstieg bzw. die Übernahme Know-how sichern und für den heimischen Markt nutzbar machen. Außerdem erhalten sie Zugang zum attraktiven deutschen, aber auch generell europäischen Markt.Die Beweggründe der Verkäufer sind vielfältig. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, Kredite zu erhalten, weil die Finanzinstitute diesbezüglich immer höhere Hürden aufbauen. Um Investitionen in die Entwicklung neuer Produkte oder die Erschließung neuer Märkte zu finanzieren, würden bisweilen neue Gesellschafter akzeptiert, die nicht immer die Mehrheit, sondern manchmal (zunächst) nur einen Minderheitsanteil, eventuell mit Option zum Kauf weiterer Anteile, übernehmen, sagt Wiehl von Rödl & Partner. Die Verkäufer investieren Verkaufserlöse häufig in neue unternehmerische Aktivitäten. Beispiele sind der Gründer der Bäckerei-Kette Kamps oder der ehemalige Hexal-Inhaber Strüngmann. Auch “das Preisniveau ist attraktiv”, findet Hennerkes.Doch das ist nicht entscheidend. Denn wenn ein Unternehmen über Generationen in den Händen einer Familie ist, dann gibt man es nicht wegen eines hohen Kaufangebots ab. Traditionsunternehmen wie Freudenberg versuchen nachfolgende Generationen frühzeitig einzubinden. Höchstes Ziel für viele Familienunternehmen ist nach wie vor die Weitergabe an die nächste Generation. “Verkaufen ist nur Ultima Ratio”, sagt Hennerkes. Doch bei vielen Unternehmen gibt es entweder keinen Nachfolger oder die Sprösslinge haben andere Interessen. Häufig gibt es auch Streit. So schied kürzlich Jörg Klaus Fischer als Chef beim gleichnamigen Dübelspezialisten aus, weil er sich mit seinem Vorgänger, dem eigenen Vater, nicht einig war über die Unternehmensstrategie. “Uneinigkeit in der Familie schadet den Unternehmen”, beobachtet Wiehl. “Wenn es ein Nachfolgeproblem gibt, ist der Verkauf die bessere Alternative”, glaubt Hennerkes.Zwar kann auch ein Verkauf in die Hose gehen, wie beim Holzmaschinenhersteller Homag, wo sich Gründer Gerhard Schuler, der noch 25 % der Anteile hält, und Großaktionär DBAG öffentlich fetzen. Auch kommt es bisweilen zu einer Ausplünderung des Know-hows des Unternehmens. “Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen”, sagt Wiehl. Doch der Mittelstandsexperte stellt bei Investoren ein wachsendes Bewusstsein fest, dass das “Savoir-faire” von Unternehmen nicht einfach in ein anderes Land zu verpflanzen ist. “Es sind nicht nur Produkte, sondern auch Strukturen, Abläufe und Mitarbeiter in Deutschland, die den Erfolg ausmachen”, so Wiehl. Das werde zunehmend verstanden. So erhielt Putzmeister vom neuen chinesischen Eigner weitreichende Zusicherungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Hennerkes ist der Auffassung, dass “Know-how-Transfer keine Einbahnstraße ist. Auch deutsche Unternehmen können über das Finanzielle hinaus von ausländischen Investoren profitieren.” Sein Fazit: “Von Ausverkauf insgesamt kann keine Rede sein.” Er weist darauf hin, dass auch viele deutsche Familienunternehmen auf dem Weg zur Weltmarkführerschaft ausländische Firmen übernommen haben . Eigenkapital nicht aushöhlenInwieweit deutsche Mittelständler künftig eher Jäger oder Gejagte sein werden, das hängt laut Hennerkes “in hohem Maß von ihrer Eigenkapital-Ausstattung ab”. Und da sieht er mit Blick auf die Diskussion um eine “Reichenbesteuerung” durchaus Gefahren heraufziehen. Der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen warnt davor, “das Eigenkapital deutscher Familienunternehmen mittels Vermögens- oder Erbschaftssteuern aushöhlen zu wollen”.