GASTBEITRAG

Aufsicht für Aufsichtsräte wird Realität

Börsen-Zeitung, 22.1.2016 Am 16. Dezember 2015 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Abschlussprüferreformgesetzes (AReG) beschlossen und in das weitere Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Im Tandem mit dem schon am 3. Dezember vergangenen...

Aufsicht für Aufsichtsräte wird Realität

Am 16. Dezember 2015 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Abschlussprüferreformgesetzes (AReG) beschlossen und in das weitere Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Im Tandem mit dem schon am 3. Dezember vergangenen Jahres vom Bundestag beschlossenen Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) sollen die EU-Vorgaben aus der 2014 überarbeiteten Abschlussprüferrichtlinie und die Mitgliedstaatenwahlrechte der komplementären Verordnung umgesetzt werden.Die Verordnung etabliert die neuen Anforderungen für Abschlussprüfungen von Unternehmen von öffentlichem Interesse (sogenannte Public Interest Entities). Sie enthält einzelne Mitgliedstaatenwahlrechte, die eine Umsetzung in nationales Recht erfordern. Die europäischen Regulierungsinitiativen sind vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise 2008 zu würdigen und zielen im Wesentlichen darauf ab, die Qualität der Abschlussprüfung und die Unabhängigkeit des Prüfers weiter zu stärken. Mit Spannung erwartetDer Regierungsentwurf war mit Spannung erwartet worden. Das federführende Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hatte in seinem Referentenentwurf vom März 2015 die Mitgliedstaatenwahlrechte zunächst umfassend ausgeübt, dies seinerzeit aber ausdrücklich unter den Vorbehalt weiterer Prüfung innerhalb der Bundesregierung gestellt. Insbesondere die Pflicht zur externen Rotation des Abschlussprüfers sowie das Verbot von Nichtprüfungsleistungen und ein Fee Cap, also eine Obergrenze, für Nichtprüfungsleistungen wurden im Herbst 2015 interministeriell kontrovers diskutiert.Der Regierungsentwurf wartet nunmehr mit einem Kompromiss auf: Er hält sowohl an der Grundrotationszeit von zehn Jahren für den Abschlussprüfer (wie die ganz überwiegende Mehrzahl der übrigen EU-Mitgliedstaaten) fest und sieht zudem grundsätzlich die Option der Wiederbestellung nach öffentlicher Ausschreibung für maximal weitere zehn Jahre (bzw. im Fall einer Joint Audit um 14 Jahre) vor.Für CRR-Kreditinstitute (mit Ausnahme von Genossenschaften und Sparkassen) sowie Versicherungen wird diese Verlängerungsoption indes nicht gewährt. Diese Einschränkung zum Wechsel nach der Maximalperiode von zehn Jahren betrifft diese nicht kapitalmarktorientierten Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ebenso wie diese definierten Finanzdienstleister als Tochterunternehmen im Konzernverbund eines Industriekonzerns. Die Anwendung der gesonderten Übergangsnormen der EU-Verordnung auf Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen wird in den kommenden Monaten zudem weitere Diskussionen erfordern.Steuerberatungsleistungen bleiben – wie bereits im Referentenentwurf vorgesehen – grundsätzlich zulässig, indes wird das Verbot sogenannter aggressiver Steuerplanung konkretisiert. Dieses betrifft die Beratung von Unternehmen von öffentlichem Interesse, die das Ziel einer erheblichen Verkürzung des steuerlichen Einkommens oder bestimmte Verlagerungen ins Ausland verfolgt.Abweichend vom Referentenentwurf wird das Primat eines einheitlichen Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers aufgegeben, so dass die zukünftige Berichterstattung von bedeutsamsten Prüfungssachverhalten (Key Audit Matters) auf Unternehmen von öffentlichem Interesse beschränkt bleibt. Pflichtenkanon erweitertDarüber hinaus stellt auch die jüngste EU-Abschlussprüferreform erneut bedeutsame Anforderungen an die Corporate Governance und das Aufgabenprofil von Aufsichtsräten und Prüfungsausschüssen von Unternehmen von öffentlichem Interesse: Zusätzlich zum aktuellen Pflichtenkanon werden die Aufgaben des – künftig neben der Finanz- auch mit Branchenexpertise angereicherten – Prüfungsausschusses bzw. Aufsichtsrats einerseits bei der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses und andererseits bei der Prüferauswahl, der Überwachung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der Kommunikation mit dem Prüfer erweitert bzw. konkretisiert.Dabei sieht die Bundesregierung mit der vorliegenden Gesetzestextfassung eher eine moderate Umsetzung der EU-Richtlinienanforderungen an die Mitglieder der Überwachungsgremien in deutsches Recht vor. Im Vergleich zur Fassung des Referentenentwurfs beschränkt sich der Regierungsentwurf auf eine beratende Verantwortung des Prüfungsausschusses für die Integrität des Rechnungslegungsprozesses. Weitere EU-VorgabenIn Umsetzung europäischen Rechts wird in Deutschland in dieser Form erstmalig auch die behördliche Sanktionierung gegen Prüfungsausschuss- und Aufsichtsratsmitglieder bei Pflichtverletzungen eingeführt. Eine Umsetzung der Anforderungen für Vorstandsmitglieder und Mitglieder der Geschäftsführung ist im Regierungsentwurf indes nicht verankert.Pflichtverletzungen, die die Abschlussprüfungs-relevanten Aufgaben des Prüfungsausschusses oder Aufsichtsrats betreffen, sollen als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße mit bis zu 50 000 Euro sanktioniert werden. Konkret stehen damit etwa die gesetzmäßige Auswahl des Prüfers und die Überwachung der erlaubten Nichtprüfungsleistungen im Blick. Nicht unter den sanktionierbaren Pflichtenkanon fallen die weiteren Überwachungsaufgaben einschließlich der Wirksamkeitsüberwachung der unternehmerischen Kontrollsysteme oder der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses.Ein Strafverfahren mit der Androhung einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe oder gar einem Berufsverbot steht nur in Aussicht, wenn jene Pflichtverstöße beharrlich wiederholt oder unter Erhalt eines Vermögensvorteils oder Aussicht auf einen solchen getätigt werden.Für die Feststellung von Verstößen und die Verhängung von Geldbußen ist – anders als es zunächst in Rede stand – das Bundesamt für Justiz zuständig; bei den angeführten Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen ist diese Aufgabe bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) angesiedelt. Richtlinie eng ausgelegtVerhängte Sanktionen werden öffentlich bekannt gemacht. In Umsetzung der EU-Vorgaben sieht der deutsche Gesetzgeber unter Würdigung des Schutzes personenbezogener Daten jedoch eine anonymisierte Bekanntmachung vor. Diese erfolgt auf einer einheitlichen Informationsplattform bei der Abschlussprüferaufsichtsstelle durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die BAFA soll bei bekannt gemachten Pflichtverletzungen vorrangig unternehmensbezogene Informationen auswerten, die öffentlich verfügbar sind.Die BAFA wird jedoch auch das Recht erhalten, von den betroffenen Unternehmen im Einzelfall eine Darstellung und Erläuterung des Ergebnisses sowie der Durchführung der Tätigkeit seines Prüfungsausschusses zu verlangen. Damit legt die Bundesregierung die in der EU-Richtlinie vorgesehene Berichtspflicht der Unternehmen insgesamt eng aus. Im Juni 2016 in KraftDie Grundrichtung und die Eckpfeiler für die Verantwortlichkeiten von Aufsichtsrats- und Prüfungsausschussmitgliedern hat die Bundesregierung in ihrem Regierungsentwurf mithin festgelegt. Juristische Feinpräzisierungen – insbesondere die Prüfung, ob das Gesetz an allen Stellen einer strengen europarechtskonformen Umsetzung gerecht wird – können im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch zu weiteren Diskussionen führen.Die Bundesregierung hat noch im Kalenderjahr 2015 mit dem Regierungsentwurf zum AReG sowie dem bereits zuvor verabschiedeten Regierungsentwurf zum APAReG die entscheidenden Weichenstellungen getroffen, damit die EU-Abschlussprüferreform am 17. Juni 2016 in Deutschland pünktlich in Kraft treten kann.—-Sven Hayn, Partner von Ernst & Young in Hamburg —-Daniela Mattheus, Executive Director bei Ernst & Young in Berlin