Aufsichtsrat noch Problemzone für Unternehmen

Regelungen des Governance-Kodex zu Vergütung und Kontrollgremien stoßen teils auf Ablehnung

Aufsichtsrat noch Problemzone für Unternehmen

swa Frankfurt – Der deutsche Corporate Governance Kodex findet seit Jahren breite Akzeptanz in großen Kapitalmarktunternehmen. Das hat sich auch in den im Frühjahr 2018 veröffentlichten Entsprechenserklärungen wieder so gezeigt, in denen die Firmen Zeugnis geben, welche Regeln sie umsetzen. Dabei ist die Zustimmung im Kreis der Dax-Unternehmen, die fast 98 % aller Vorgaben anerkennen, immer noch etwas höher als im MDax, der auf 96 % Umsetzung kommt. Das geht aus der jüngsten Studie des Center for Corporate Governance an der Handelshochschule Leipzig hervor. Allerdings gibt es Punkte im Kodex, mit denen sich einige Unternehmen immer noch nicht anfreunden können. Abgelehnt werden vor allem Empfehlungen, die die Struktur der Vorstandsvergütung (Ziffer 4.2.3.) und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (5.4.1.) betreffen.In der Vergütung stoßen sich Unternehmen vor allem an den Vorgaben zur Begrenzung der variablen Entlohnungsteile, speziell wenn es um aktienbasierte Komponenten geht. So stellt zum Beispiel Hannover Rück dar, dass die Zuteilung von Share Awards einer Höchstgrenze unterliegt, nicht aber der nach vierjähriger Wartezeit gewährte Auszahlungsbetrag, der von der Aktienkursentwicklung abhängig ist. Auch Linde hat keinen Cap auf Aktienoptionen eingezogen und argumentiert, der mit der aktienbasierten Vergütung bezweckte Interessengleichlauf zwischen Aktionären und Vorständen würde mit einer Begrenzung durchbrochen. Norma hält daran fest, dass der Aufsichtsrat dem Vorstand nach freiem Ermessen für außerordentliche Leistungen eine Sondervergütung gewähren kann, für die keine betragsmäßige Höchstgrenze bestehe. Südzucker hält Obergrenzen generell für nicht zielführend. In den Vorstandsverträgen des Zuckerkonzerns seien weder insgesamt noch hinsichtlich einzelner variabler Vergütungsteile Grenzen eingezogen. Betragsmäßige Höchstgrenzen seien auch für die Zukunft nicht geplant, da sie die Flexibilität minderten, besondere Leistungen honorieren zu können. In den neuralgischen Punkten, die den Aufsichtsrat betreffen, geht es um Themen wie Altersgrenze, Zugehörigkeitsdauer oder die Festlegung von Kompetenzprofilen und Zielen für die Zusammensetzung der Gremien. Zahlreiche Unternehmen lehnen es ab, von vornherein eine Höchstdauer für die Amtszeit von Aufsichtsräten festzulegen, um sich Flexibilität und besonderes Know-how zu sichern. Auch mit einer Altersgrenze sieht sich mancher Konzern zu sehr eingeschränkt. Continental hält “ein so pauschales Kriterium” nicht für angemessen, um die Qualifikation eines zur Wahl stehenden Kandidaten zu bewerten. Auch Schaeffler hält das Alter der Aufsichtsräte nicht für aussagekräftig im Hinblick auf die Eignung für die Tätigkeit. Wenige Unternehmen verweigern sich den Transparenzkriterien des Kodex. Fielmann und Jungheinrich wollen die Lebensläufe ihrer Aufsichtsräte nicht veröffentlichen und begründen das mit dem “Schutz der individuellen Privatsphäre”. Die neueren Vorgaben des Kodex, wonach sich die Gremien konkrete Ziele für ihre Zusammensetzung setzen sollen, werden breit akzeptiert, genauso wie die Empfehlung, ein Kompetenzprofil für den Aufsichtsrat zu erarbeiten.Die Aufsichtsräte geben auch ihre Einschätzung ab, ob dem Gremium eine angemessene Zahl unabhängiger Mitglieder angehören. Diese Einschätzung wird von Investoren allerdings nicht immer geteilt. Frage der FirmengrößeÜber die Jahre hat sich verfestigt, dass große Unternehmen und Gesellschaften mit hohem Streubesitz den Kodex in stärkerem Umfang anerkennen als kleinere Firmen und Emittenten mit einem Groß- oder Mehrheitsaktionär. Ungebrochen ist ebenfalls der Hang, “vorsorglich” oder gar “höchstvorsorglich” Abweichungen von bestimmten Kodex-Normen zu erklären. Unternehmen begründen diese Praxis mit angeblich unklaren Formulierungen oder Zweifel an der Auslegung des Regelwerks.