Aufsichtsräte vermehrt strategisch in der Pflicht

Gremien geben sich neues Profil - Digitalexperten gesucht - Vergütung nach Funktion

Aufsichtsräte vermehrt strategisch in der Pflicht

swa Frankfurt – Die Professionalisierung von Aufsichtsräten ist seit Jahren ein Thema, doch die Anforderungen nehmen weiter zu. Die Mitglieder des Gremiums werden zunehmend nach Fachkompetenz ausgewählt, wobei unternehmensspezifische Profile vorgegeben werden. Die Aufmerksamkeit für die Zusammensetzung der Aufsichtsräte ist deutlich gestiegen, womit die Unternehmen auch entsprechenden Forderungen von Investoren nachkommen.Der Megatrend Digitalisierung macht entsprechendes Fachwissen auch im Kreis der Unternehmenskontrolleure erforderlich. Nach dem neuen Board Index der Personalberatung Spencer Stuart ziehen immer mehr Digitalexperten in die Gremien ein, so dass deren Präsenz 2018 auf 32 % geklettert ist – vor zwei Jahren lag der Wert erst bei 20 %.Aufsichtsräte müssten in dem aktuellen technologischen Szenario “insgesamt mehr mit Blick nach vorne beraten und dabei Geschäftsmodelle und Werttreiber hinterfragen”, sagt Willi Schoppen, Leiter der Board Services von Spencer Stuart in Deutschland. In der Studie, die alle zwei Jahre erscheint, werden die Daten von 70 Gesellschaften erfasst, darunter alle Dax-Werte.Als Konsequenz aus dieser Entwicklung nimmt das Thema Unternehmensstrategie in den Aufsichtsgremien immer größeren Raum ein. So zeigt die Studie, dass Unternehmen vermehrt strategische Fragen an Ausschüsse delegieren und zudem dezidierte Strategiesitzungen oder Klausurtagungen veranstalten – das habe sprunghaft zugenommen. Erfahrung zähltBei allem technologischen Wandel bleibt die Erfahrung in der Leitung von Unternehmen die herausragende Voraussetzung für die Wahl in den Aufsichtsrat. Gut drei Viertel der Anteilseignervertreter bringen diese Kompetenz mit. Von den Frauen in den Gremien haben gut 63 % Praxis in der Leitung von Unternehmen. Die meisten von ihnen kommen jedoch aus dem Ausland, zumal der Frauenanteil in Vorständen hierzulande weiterhin niedrig ist – im Dax 13,1 %, in der gesamten Stichprobe 10,4 %. Auch Finanzwissen ist in Aufsichtsräten weiterhin gefragt, was knapp die Hälfte der Gremienvertreter mitbringt.Rückläufig ist die Bereitschaft von Vorständen, ein Aufsichtsratsmandat zu übernehmen. Nur noch 22 % der aktiven Manager haben mindestens ein externes Mandat, 2016 waren es 26 %. Der Anteil ausländischer Mandatsträger erreicht gut ein Viertel, im Dax ist es etwas mehr, wobei Europäer den Löwenanteil ausmachen. Boards im europäischen Ausland sind nach Aussage von Spencer Stuart weitaus internationaler zusammengesetzt. Niederlande kommt auf einen Wert von 43 %, die Schweiz sogar auf gut 60 %. Drei Frauen an der SpitzeWeibliche Aufsichtsratsmitglieder werden großteils im Ausland rekrutiert, in einigen Gremien kommen sogar alle Frauen aus dem Ausland – zum Beispiel bei Deutscher Bank oder Gea. Frauen schaffen es allerdings kaum an die Spitze. In den von der Studie erfassten Unternehmen gibt es nur drei Aufsichtsratschefinnen: Simone Bagel-Trah (Henkel), Marija Korsch (Aareal Bank) und Susanne Klatten (SGL Carbon). Künftig kommt mit Martina Merz als Chefkontrolleurin von Thyssenkrupp die vierte Frau dazu.Das Durchschnittsalter der Aufsichtsratsvorsitzenden liegt mit 67 Jahren etwas höher als im gesamten Gremium. Die Bandbreite ist groß und reicht von 49 bis 83 Jahren. Auch in den Unternehmen der Digitalwirtschaft seien die Vorsitzenden überwiegend 60 und älter. Das Höchstalter ist in der Mehrheit zwischen 70 und 74 Jahren festgelegt, fünf Unternehmen ermöglichen noch 75-Jährigen die Wahl ins Gremium. Die durchschnittliche Amtszeit der Vorsitzenden beträgt 5,4 Jahre, auch hier mit erheblicher Spannbreite von unter einem Jahr bis 26 Jahre. Im Durchschnitt trifft man sich zu etwa sieben Sitzungen im Jahr bei durchweg hoher Präsenz.Die Vergütung der Gremien orientiert sich verstärkt am Aufgabenprofil, also der Tätigkeit in Ausschüssen und Leitungsfunktionen. Drei Viertel der Unternehmen verzichten auf eine erfolgsorientierte Bezahlung.