Aufwand für Betriebsrenten explodiert
ak Köln
Für viele Unternehmen könnte es neben steigenden Energie- und Rohstoffkosten noch weitere unerwartete Belastungen geben: Der deutschen Wirtschaft drohen in den handelsrechtlichen Abschlüssen 2022 erhebliche Anstiege ihrer Pensionsrückstellungen. Schuld ist die Inflation. Vor signifikant höherem Reservebedarf warnt das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS).
„Die Bilanzierer werden gleich mehrfach getroffen“, sagte IVS-Chef Friedemann Lucius vor Journalisten in Köln. Denn der Rechnungszins für die Pensionsrückstellungen in der HGB-Bilanz werde trotz allgemeinem Zinsanstieg 2022 und auch 2023 weiter fallen, da mit Sieben- oder Zehnjahresdurchschnittswerten gerechnet wird. Dadurch steigen die Verbindlichkeiten weiter an. Dazu kommt ein Nachreservierungsbedarf für aktuell zu zahlende Betriebsrenten, da der überwiegende Teil der laufenden Renten gegen Inflation geschützt ist und deshalb demnächst erhöht werden muss. Auch für Menschen, die noch arbeiten, aber deren Betriebsrentenansprüche inflationsgeschützt sind, müssen die Unternehmen stärker vorsorgen. Besonders heftig treffe es Unternehmen, die ihre betriebliche Altersvorsorge aus der Bilanz herausgenommen und in einem Planvermögen, zum Beispiel mit Hilfe eines Contractual Trust Arrangement (CTA), ausgegliedert hätten, rechnet das IVS vor. Denn dort kämen die aktuellen Kursverluste von Aktien und Renten noch hinzu und müssten als Aufwand gezeigt werden.
Aufwand leicht verdreifacht
Das IVS hat für ein Planvermögen von 75 Mill. Euro und einen Verpflichtungsumfang von 100 Mill. Euro kalkuliert, dass durch die Inflation anstatt eines zuvor erwarteten Aufwands von rund 3 Mill. Euro in der HGB-Bilanz 2022 nun ein Aufwand von über 20 Mill. Euro anfalle.
Wie hoch die Belastungen insgesamt für die deutsche Wirtschaft ausfallen, dafür wollten die Mathematiker vom IVS, das an die Deutsche Aktuarvereinigung angegliedert ist, keine Prognose wagen. Dazu müsse die Situation in jedem Unternehmen analysiert werden, vor allem das Verhältnis von Anwärtern und existierenden Betriebsrentnern. Eine Verdoppelung oder Verdreifachung des erwarteten Aufwands sei aber häufig anzunehmen.
Sorge macht den Betriebsrentenexperten die Tatsache, dass heutige Betriebsrentner recht gut vor Inflation geschützt sind und ihre Auszahlungen angelehnt an den Verbraucherpreisindex angepasst werden, jüngere Anwärter aber nur selten noch einen solchen Schutz genießen. „Die Generationenschere geht durch die Inflation immer weiter auf“, sagte Lucius.
Generationenausgleich
Das IVS plädiert deshalb für einen sogenannten Nachhaltigkeitsmechanismus in der betrieblichen Altersvorsorge – analog zu den Regeln in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Aktuare wollen die Anpassungen deckeln. Eine solche Option müsste gesetzlich geschaffen werden. Denkbar sei die Einführung einer Anpassungsbemessungsgrenze für laufende Renten. Das IVS betont aber, dass die Arbeitgeber sich dann verpflichten müssten, die dadurch eingesparten Mittel zur Finanzierung zusätzlicher betrieblicher Altersversorgung für die derzeit benachteiligte jüngere Generation einzusetzen. Wie genau verteilt würde, könnten Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge regeln, schlagen die Aktuare vor.