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Ausländische Investoren kehren zurück an die Stimmurnen

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 20.3.2014 Der Bundesgerichtshof wird es schon richten: In der vergangenen Hauptversammlungssaison war dies die Quintessenz zahlreicher Gespräche über die Abstinenz ausländischer Investoren. Die Präsenzen...

Ausländische Investoren kehren zurück an die Stimmurnen

Von Michael Flämig, MünchenDer Bundesgerichtshof wird es schon richten: In der vergangenen Hauptversammlungssaison war dies die Quintessenz zahlreicher Gespräche über die Abstinenz ausländischer Investoren. Die Präsenzen insbesondere bei Gesellschaften mit Namensaktien waren abgestürzt, nachdem das OLG Köln die Anmeldevorschriften für die Aktionärsversammlungen geändert hatte. Die Folge: Anleger jenseits der Grenzen hatten ein zeitweises Blockieren ihrer Aktien befürchtet, sobald sie die Dividendenpapiere zur Hauptversammlung anmeldeten. Die obersten Richter würden in der beantragten Revision diese Ängste zerstreuen, indem sie das Urteil der Vorinstanz kassieren, lautete die Hoffnung vieler Akteure.Doch diese Zuversicht ist nahezu auf null gesunken. Denn eine der Parteien des Kölner Prozesses ist pleitegegangen. Der Insolvenzverwalter hat Besseres zu tun, als Corporate Germany einen Gefallen zu tun, indem er dem Bundesgerichtshof (BGH) die geforderten Gebühren entrichtet. “Das Verfahren ruht”, bestätigt eine BGH-Sprecherin. Seit Anfang Oktober geht nichts mehr.Doch wer nun meint, es herrsche Alarmstimmung in den Abteilungen für Investor Relations, der täuscht sich. Seit der Siemens-Hauptversammlung am 28. Januar – die alljährlich wegen des gebrochenen Geschäftsjahres die Saison im Dax eröffnet – sind allerorten entspanntere Mienen zu beobachten. In der Olympiahalle hatten sich 44,8 % des stimmberechtigten Kapitals versammelt, während ein Jahr zuvor nur 33,8 % an die Isar gefunden hatten. BlackRock & Co. sind offenbar an die Stimmurnen zurückgekehrt. Lernkurve funktioniert”Die Trendwende ist erreicht”, meint auch Klaus Schmidt, Geschäftsführer des Aktiendienstleisters Adeus: “Ich bin optimistisch für die weitere Hauptversammlungssaison, dass sich die Präsenzen im Vergleich zum Vorjahr erholen.” Besonders würden jene Gesellschaften mit Namensaktien profitieren, die einen hohen Anteil ausländischer Aktionäre hätten. Die Deutsche Börse steht in der Liste derartiger Gesellschaften oben. Aber auch Adidas, Munich Re, Bayer oder Allianz sind dabei. Die Präsenzwerte des Vorjahrs würden sicher übertroffen, prognostiziert Schmidt. Aber an die Werte von 2012 anzuknüpfen, dürfte noch schwierig werden (siehe Grafik).Was ist passiert? Der Kern der Geschichte: Die Ausländer fürchten nicht mehr, beim Aktienhandel eingeschränkt zu werden. Während im Vorjahr die Zeit zu kurz war, alle Unklarheiten abzuarbeiten, haben seitdem IR-Abteilungen und Aufsichtsräte viele Kommunikationskanäle genutzt. Zudem hatte das mediale Echo 2013 auch Investoren klargemacht, wie unbeliebt sie sich mit ihrer Abstinenz machen. Darüber hinaus wurden Abläufe bei Banken verbessert. Mosaikartig setzt sich für die Investoren ein Bild zusammen, in dem kein Warnsignal mehr auftaucht. “Wie unsere Verwahrbanken bestätigen, gibt es jedoch keine Verfügungsbeschränkung”, lautet das Fazit von Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme.Ist damit alles in Butter? Adeus-Geschäftsführer Schmidt sieht neben der weiteren Verbesserung der Prozesse drei Aufgaben. Erstens müssten die Investoren die Abläufe gut verstehen können: “Ich setze insbesondere auf eine transparente gesetzliche Regelung für den Record Date auch bei Namensaktien.” Dafür käme der zwölfte Kalendertag vor der Hauptversammlung in Betracht. Das beseitige zwar nicht die Probleme bei der grenzüberschreitenden Eintragung von Aktionären ins Aktienregister, führe aber zu einer einheitlichen Lösung bei Klarstellung des maßgeblichen Bestandsstichtags für Emittenten mit Namensaktien. Wichtig ist dem Geschäftsführer zweitens, dass die Akteure am deutschen Markt einheitlich auftreten. Er hofft – die dritte Verbesserung – darauf, dass sich mehr große Investoren in das Aktienregister dauerhaft eintragen lassen, statt nach den Versammlungen ihre Aktien wieder in Sammelkonten verwalten zu lassen. Kreditwirtschaft gefragtWährenddessen allerdings brechen andernorts die Investoren wieder weg. Insbesondere der Siegeszug der Indexfonds, die mittlerweile im Dax 10 % bis 20 % des Grundkapitals an sich gebunden haben dürften, knabbert an den Präsenzen. Denn teils haben sie ihre Anteile in langfristigen Leihegeschäften abgegeben, teils verstehen sie sich als passive Investoren, die grundsätzlich keine Stimmrechte ausüben. Umso stärker müssen Privataktionäre etwa per Internet aktiviert werden.Schmidt wünscht sich darüber hinaus eine stärkere Ausübung der Depotstimmrechte durch die Kreditwirtschaft. Während die Privatbanken auf einem guten Weg seien, gebe es bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken Potenzial zur Verbesserung. Quer durch die Werte des Deutschen Aktienindex nähmen 10 % bis 15 % der Privataktionäre ihre Stimmrechte wahr, schätzt Schmidt. Das Ziel müsse ein Anteil von mehr als 25 % sein.