Auslandsgeschäft stützt deutsche Chemie
Auslandsgeschäft stützt deutsche Chemie
Produktion steigt im ersten Halbjahr um 3 Prozent − Branchenverband fordert Masterplan der Politik
swa Frankfurt
Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie hat nach eigener Einschätzung die Talsohle durchschritten, kann aber noch keinen stabilen Aufwärtstrend erkennen. Das erste Halbjahr immerhin sei besser gelaufen als erwartet, heißt es beim Branchenverband VCI. Die Produktion nahm in den sechs Monaten um 3,0% zu, in der Chemie ohne Pharma ging es sogar um 3,5% bergauf. Damit liege die Produktion aber immer noch um 11% niedriger als 2021. Die Produktion sei nach der Energiekrise nicht eins zu eins zurückgekommen, „was weg ist, ist weg“, sagt VCI-Präsident Markus Steilemann.
Beim Blick in die Zukunft warnt Steilemann vor Euphorie. Es gebe einen „Silberstreif“, aber keinen Grund „zum Jubeln“. Die Branchenvertreter gehen für den weiteren Jahresverlauf davon aus, dass sich die Auftragslage verbessert. Die Prognose fürs Jahr wird bestätigt, die Beschäftigungslage in der Branche ist bislang stabil.
Rückläufige Preise
Die positive Entwicklung wird bislang vom Exportgeschäft getragen, das Inlandsgeschäft laufe weiterhin enttäuschend. Der Umsatz schrumpfte im ersten Semester in Chemie und Pharma um 1% auf 112 Mrd. Euro, wobei die Erzeugerpreise um 4% zurückgingen. Preissteigerungen seien gegenwärtig primär in den konsumnahen Produktgruppen durchzusetzen.
Im Spektrum der Segmente hat insbesondere die von Absatzflaute und hohen Energiepreisen schwer getroffene Grundstoffchemie inzwischen Boden gutgemacht. So kletterte die Produktion anorganischer Grundstoffe im ersten Halbjahr zweistellig um 12%.
Zuversicht in der Pharma
Zuversicht kommt laut VCI aus dem Pharmageschäft. Nach dem Dämpfer 2023 stünden dort seit Jahresanfang die Zeichen wieder auf Wachstum. Die Produktion legte um 1,5% zu, der Umsatz stieg dank hoher Nachfrage in den sechs Monaten um 6%.
In der Chemieindustrie seien viele Anlagen nach wie vor nicht ausgelastet und blieben unter der Rentabilitätsgrenze. „Wir haben die Produktion hochgefahren, unsere Anlagen laufen aber nach wie vor nicht rentabel, und das seit über zweieinhalb Jahren“, fasst Steilemann die Situation zusammen. Laut einer Umfrage des VCI rechnet fast die Hälfte der Mitgliedsunternehmen weiterhin mit sinkenden Erträgen. „Es fehlen immer noch Aufträge“, sagt Steilemann, im Hauptberuf CEO des Chemiekonzerns Covestro.
Teure Energiewende
Nach Einschätzung des VCI sind die Unternehmen weiterhin von „strukturellen Nachteilen am Standort Deutschland“ gebremst. Die Energiewende drohe dauerhaft zu teuer zu werden. Die Chemie brauche Entlastungen bei Stromsteuer und Netzentgelten sowie eine Senkung der Unternehmens- und Körperschaftsteuer. Bürokratie müsse runtergefahren werden, um Investitionsanreize zu setzen − diesen Appell richtet der VCI auch an die EU.
Masterplan eingefordert
Für die Transformation des Standorts fordert Steilemann einen langfristig angelegten Masterplan, der weit über eine Legislaturperiode hinaus Bestand haben sollte. „Ich rufe die Parteien der Mitte auf, sich zu einem Bündnis für Transformation zusammenzufinden“, so Steilemann. Es sei an der Zeit, gemeinsam Wege zu finden.
Der jüngst von der Ampel-Koalition aufgestellte neue Haushaltsplan und das Wachstumspaket der Bundesregierung reichen aus Sicht des VCI nicht aus, um Investitionen und Innovationen spürbar und dauerhaft anzukurbeln.
Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie kommt wieder in Schwung, rechnet aber noch nicht mit einer schnellen Erholung. Aus Sicht des Branchenverbands VCI müssen die Standortbedingungen deutlich verbessert werden. Die Parteien der Mitte müssten an einem Strang ziehen, um Investitionen anzukurbeln.