Australien treibt Gesetz für Social-Media-Mindestalter voran
Australien treibt Social-Media-Gesetz voran
Kabinett billigt umstrittenes Verbot für Jugendliche – Meta sieht App Stores in der Pflicht
kro Frankfurt
Während nach der US-Wahl in Europa die Rufe nach weniger Regulierung auch aus der Tech-Welt immer lauter werden, lässt sich Australien in seinem umfangreichen gesetzlichen Vorstoß gegen Social Media-Konzerne nicht beirren. Ein im September angekündigtes Verbot solcher Plattformen für Jugendliche soll noch in diesem Monat kommen, erklärte der sozialdemokratische Premierminister Anthony Albanese am Freitag auf einer Pressekonferenz in Canberra. „Ich kann verkünden, dass das Kabinett die weltweit erste Entscheidung meiner Regierung gebilligt hat, das Mindestalter für die Nutzung sozialer Medien auf 16 Jahre festzusetzen“, sagte der Politiker. Das Gesetz werde nun in zwei Wochen ins Parlament eingebracht und er hoffe, „dass wir im Repräsentantenhaus und im Senat Unterstützung für das Gesetz bekommen“, so Albanese. Nach Verabschiedung soll es dann noch 12 Monate dauern, bis das Gesetz in Kraft tritt.
Die Regierung in Australien begründet die Einführung eines Mindestalters für Onlineplattformen wie Facebook, Instagram, Tiktok und Co. mit ihrer Sorge um die mentale und physische Gesundheit von Jugendlichen. „Soziale Medien fügen unseren Kindern Schaden zu“, sagte Albanese in einem Video auf der Kurznachrichtenplattform X, auf der der 61-Jährige selbst äußerst aktiv ist. „Ich werde das beenden.“
Zustimmung der Eltern keine Ausnahme
Australien ist nicht das einzige Land, das den Social-Media-Zugang von Jugendlichen stärker reglementieren will. Ähnliche Bestrebungen gab es beispielsweise auch schon in Frankreich, wo Heranwachsende bis zum 15. Lebensjahr seit 2023 das Einverständnis der Eltern benötigen, um sich ein Konto auf sozialen Netzwerken einzurichten. Der bis September amtierte Premierminister Gabriel Attal wollte die Regeln seinerseits nochmal verschärfen. Auch in Deutschland müssen Eltern von Jugendlichen unter 16 Jahren der Nutzung zustimmen, was allerdings selten kontrolliert wird.
In Australien soll die elterliche Zustimmung hingegen keine Ausnahme darstellen. Dabei ist noch nicht geklärt, welche Plattformen von der Regelung betroffen sein werden und wie eine solche Altersgrenze überhaupt umgesetzt werden soll. Die australische Regierung selbst testet derzeit zwar Möglichkeiten zur Verifizierung wie zum Beispiel Gesichtserkennung oder die Nutzung von Ausweisdokumenten, sieht allerdings grundsätzlich die Betreiber der Social-Media-Plattformen in der Pflicht, eine solche Zugangsbeschränkung technisch umzusetzen.
Meta sieht App-Stores in der Pflicht
Bei Meta, dem US-Mutterkonzern von Facebook, sieht man das anders: „Die Herausforderung ist, dass die Technologie noch nicht so ausgereift ist, dass es eine perfekte Lösung gibt“, sagte die Meta-Direktorin für Regionalpolitik in Australien, Mia Garlick, der Australian Broadcasting Group am Freitag. Sie fügte hinzu, dass es besser wäre, wenn die Anbieter der App-Stores für die Alterskontrolle sorgen würden denn ansonsten stünden Jugendliche und ihre Eltern unter der „Last“, sich bei jeder einzelnen App, die sie nutzen wollen, erneut mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation ist der Anteil von Jugendlichen, die soziale Medien auf problematische Art nutzen, von 7% im Jahr 2018 auf 11% im Jahr 2022 gestiegen. Von 280.000 jungen Menschen hatte damit mehr als jeder Zehnte Schwierigkeiten, die Nutzung sozialer Medien zu kontrollieren und mit negativen Folgen im täglichen Leben aufgrund der übermäßigen Nutzung zu kämpfen.
Depressive Symptome bei „problematischer Nutzung“
In Deutschland hatte zudem eine Studie der DAK Krankenkasse und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf ergeben, dass zuletzt jedes vierte Kind soziale Medien „riskant“ genutzt hat. Das bedeutet, dass die Betroffenen Nutzungsmuster gezeigt haben, die mit erhöhtem Risiko für schädliche Konsequenzen für die physische oder psychische Gesundheit der Betroffenen oder anderer Menschen in deren Umgebung einhergeht. 6% der in der Studie erfassten Minderjährigen nutzten soziale Medien zudem „pathologisch“, zeigten also ein wiederkehrendes, kontinuierliches oder episodisches Nutzungsverhalten, das unter anderem mit Kontrollverlust in Bezug auf Beginn, Frequenz, Dauer und weiteren Faktoren einhergeht.
Mädchen und Jungen mit solchen problematischen Nutzungsmustern würden häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel berichten als unauffällige Nutzerinnen und Nutzer, hieß es in der Studie. Im Durchschnitt haben die in der Studie erfassten Minderjährigen zuletzt an einem normalen Wochentag 150 Minuten in sozialen Netzwerken verbracht, 2019 waren es 123 Minuten. Am Wochenende sind es mittlerweile 224 Minuten und damit über dreieinhalb Stunden.
Kritiker fürchten „ernsthaften Schaden“
Social-Media-Altersbeschränkungen sind als Instrument dennoch umstritten. Denn zum einen wird befürchtet, dass junge Menschen die technischen Hürden etwa durch VPN-Dienste umgehen können. Zum anderen führen Kritiker auch an, dass mit einem solchen Verbot jungen Menschen die positiven Seiten sozialer Netzwerke (wie die Aufrechterhaltung sozialer Verbindungen) verwehrt werden. Daniel Angus, Director der Queensland University of Technology Digital Media Research Centre, sagte im September mit Blick auf das australische Vorhaben laut Reuters: „Dieser unüberlegte Schritt (...) droht ernsthaften Schaden anzurichten, indem er junge Menschen von einer sinnstiftenden, gesunden Teilnahme an der digitalen Welt ausschließt und sie möglicherweise in Websites von niedrigerer Qualität treibt." Die australische Kinderrechtsorganisation Australian Child Rights Taskforce hatte zudem im Oktober in einem offenen Brief an die Regierung geschrieben, dass anstelle eines Verbots eher Sicherheitsstandards auf Social-Media-Plattformen eingeführt werden sollten. Der Brief wurde von mehr als 100 Akademikern und 20 zivilgesellschaftlichen Organisationen unterzeichnet.