Begehrte Kreuzfahrten
Der Boom in der Kreuzfahrtbranche setzt sich fort. Der Branchenverband erwartet 2017 und 2018 einen Anstieg der weltweiten Passagierzahlen um 4 bzw. 5 %. Die Werften sind ausgelastet.Von Carsten Steevens, HamburgIm Dezember 1900 stellte die Hamburger Werft Blohm & Voss die “Prinzessin Victoria Luise” fertig. Sie gilt als das erste als Kreuzfahrtdampfer gebaute Schiff der Welt. Der Bau dieses Schiffes der Hamburger Reederei Hapag, das 1901 seine Jungfernreise von Hamburg über New York in die Karibik absolvierte, ist quasi der Ausgangspunkt für den aktuellen Kreuzfahrt-Boom, von dem auch die Hansestadt profitiert. Der Hamburger Hafen ist heute – mit drei Terminals – der führende Kreuzfahrthafen Deutschlands. Am vergangenen Wochenende stieg mit einem Briten der 800 000ste Kreuzfahrtpassagier in diesem Jahr von Bord eines Urlaubsschiffes – der zur Reederei Cruise & Maritime Voyages gehörenden “Columbus”. Gerechnet hatte man 2017 in der Elbmetropole mit 100 000 Passagieren weniger.Weltweit rechnet der Branchenverband Cruise Lines International Association (CLIA) in diesem Jahr mit einem Anstieg der Schiffsreisenden um gut 4 % auf 25,8 Millionen. Für 2018 wird, wie aus dem gerade veröffentlichten CLIA-Jahresbericht hervorgeht, ein weiterer Zuwachs um mehr als 5 % auf 27,2 Millionen prognostiziert. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Zahl der Hochsee-Kreuzfahrtpassagiere in Deutschland bis 2020 von zuletzt 2 auf 3 Millionen steigen dürfte. Deutschland, 2016 mit einem Umsatz von 3,4 Mrd. Euro (+18 % verglichen mit 2015) und mit einem Marktanteil von 30 % der größte Markt für Hochsee-Kreuzfahrten in Europa, könnte seine führende Position bei wachsendem Angebot halten. Die Hochkonjunktur in der Industrie dokumentieren 27 neue Ozean- und Flussschiffe, die laut CLIA im nächsten Jahr weltweit in Dienst gestellt werden.Zu den Hochsee-Urlaubsdampfern, die 2018 neu auf Fahrt gehen, gehört die “Mein Schiff 1” von Tui Cruises – 2008 gegründetes Gemeinschaftsunternehmen des Touristikkonzerns Tui und der US-Reederei Royal Caribbean Cruises. Das von der Papenburger Meyer Werft im finnischen Turku gebaute Schiff löst das 1996 vom Stapel gelaufene und 2009 übernommene erste, gleichnamige Kreuzfahrtschiff von Tui Cruises ab. Die Taufe des Ozeanriesen, der mit knapp 2 900 Passagieren rund 1 000 Gästen mehr Platz bietet als das Vorgängerschiff, ist während des 829. Hamburger Hafengeburtstages im kommenden Mai geplant.Mit insgesamt drei Kreuzfahrtlinien und 16 Schiffen bedient der Tui-Konzern verschiedene Zielgruppen. Für das Geschäftsjahr 2018 erwartet das Unternehmen, das seit einigen Jahren verstärkt auf das margenstärkere und saisonal unabhängige Hotel- und Kreuzfahrtgeschäft setzt, die Indienststellung von zwei Kreuzfahrtschiffen bei Tui Cruises und Marella Cruises (ehemals Thomson Cruises). Weitere Premieren sind 2019 vorgesehen. Dennoch stößt der weltgrößte Touristikkonzern an Kapazitätsgrenzen. “Wenn wir könnten, würden wir mehr Schiffe bauen lassen”, sagte Tui-Vorstandschef Friedrich Joussen in diesem Jahr in einem Interview. Das Problem trifft auch andere Anbieter: Die Werften, die die Kreuzfahrtriesen mit den geforderten Qualitätsstandards bauen können, sind ausgelastet.Analysten erwarten in Anbetracht des aktuellen Auftragsbestands, dass sich die Kreuzfahrtpassagierzahlen auf 30 Millionen im Jahr 2022 und auf 40 Millionen Reisende 2030 erhöhen werden. Vor dem Branchentreffen Seatrade Europe im September in Hamburg wurde der Auftragsbestand der Kreuzfahrtschiffbauer – die Branche wird von den drei europäischen Werften Fincantieri, Meyer Werft und STX France dominiert – mit 75 Neubauten im Auftragsvolumen von 47,6 Mrd. Dollar beziffert.Seit ihrem Einstieg in den Kreuzfahrtschiffbau Mitte der 1980er Jahre hat die Meyer Werft 44 Schiffe gefertigt und ausgeliefert. Die Werften in Papenburg und Turku sollen Verträge für 18 Neubauten haben. Der nächste Superlativ kommt aber aus Frankreich: Das im kommenden Frühjahr vom Stapel laufende weltgrößte Kreuzfahrtschiff, die 1,3 Mrd. Dollar teure “Symphony of the Seas” der Reederei Royal Caribbean mit Platz für gut 5 400 Gäste, wird von der Werft STX France in Saint-Nazaire gebaut.