Beim Maschinenbauer Alexanderwerk tobt ein Kleinkrieg
Bei Alexanderwerk tobt ein Kleinkrieg
Anträge auf Sonderprüfung, beschlussunfähiger Aufsichtsrat, Amtsgericht muss Vorstandsbestellung verlängern
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Die Alexanderwerk AG kam als eine der ersten Aktiengesellschaften in Deutschland an die Börse. Das war 1899, also vor 125 Jahren. Eigentlich ein Anlass, um auf der anstehenden Hauptversammlung mit Stolz zurück- und visionär nach vorn zu blicken. Doch Alter schützt vor Torheiten nicht: Es sieht keinesfalls nach einem harmonischen Aktionärstreffen aus. Im Gegenteil, es liegt Zoff in der Luft, da ein Kleinkrieg ausgebrochen ist.
Aktionär beruft Hauptversammlung ein
Schon die Einberufung der Hauptversammlung erfolgte auf ungewöhnlichem Wege. Im Juni ließ die Verwaltung des Unternehmens wissen, dass sie die Aktionäre bisher nicht zusammenrufen konnte, da der Aufsichtsrat beschlussunfähig sei. Daraufhin verlangte der größte Aktionär HWT Invest die Einberufung zum nächstmöglichen Zeitpunkt und setzte sieben Punkte auf die Tagesordnung. Nun soll die Hauptversammlung am 6. September im Vaßbendersaal in Remscheid stattfinden.
Die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats geht darauf zurück, dass eines der drei Mitglieder weder an Sitzungen noch an Beschlussfassungen im Umlaufverfahren teilnimmt. Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang – selbst altgedienten Börsianern fällt es schwer, sich an ähnliche Fälle zu erinnern. Der betreffende Aufsichtsrat Jürgen Kullmann hatte Ende Februar angekündigt, aus persönlichen Gründen sein Mandat zur nächsten Hauptversammlung aufzugeben. Den stellvertretenden Vorsitz in dem Gremium legte er mit sofortiger Wirkung nieder.
Amtsgericht verlängert Vorstandsbestellung
Die fehlende Beschlussfähigkeit wirkt sich auch auf die Vorstandsbestellung aus. Der im November 2023 als Übergangs-Vorstand berufene Andreas Ridder sollte zunächst bis Ende Juni 2024 den kleinen Spezialmaschinenbauer leiten. Das Amtsgericht Wuppertal verlängerte die Amtszeit des Alleinvorstands schließlich, sonst wäre Alexanderwerk führungslos geworden, und zwar zunächst bis Ende August und dann bis längstens Ende September.
Neben der zunächst eingereichten Tagesordnung gibt es inzwischen auch zwei Ergänzungsanträge. Einer kommt von der Recay GmbH, die laut Geschäftsbericht 20% an Alexanderwerk hält, der zweite von HWT Invest. Beide Anteilseigner fordern Sonderprüfungen – allerdings mit völlig unterschiedlichen Stoßrichtungen.
Angespannte Stimmung
Zu den Hintergründen der Auseinandersetzung gehört das Ausscheiden des früheren Vorstandsmitglieds Fatih Yavuz. In der im November 2023 veröffentlichten Mitteilung zum Vorstandswechsel ist zwar die Rede davon, dass der Anstellungsvertrag „in bestem Einvernehmen“ zum 31. Dezember 2023 beendet werde. Doch so friedlich lief das Ganze offenbar nicht ab. Recay fordert nämlich jetzt, mögliches Fehlverhalten des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Amtsniederlegung zu untersuchen. Diese Attacke zielt wohl vornehmlich auf den Aufsichtsratsvorsitzenden Franz-Bernd Daum, der seinen Rückzug zum Tag der Hauptversammlung angekündigt hat.
Betriebsrat berichtet von aggressivem Führungsstil
Yavuz, einer der vier Anteilseigner von Recay, sei aus dem Alexanderwerk-Vorstand „rausgedrückt“ worden, bestätigt HWT-Chef Hubert-Ralph Schmitt, der seit eineinhalb Jahrzehnten an dem Maschinenbauer beteiligt ist. Es habe Kritik am Führungsstil gegeben. Außerdem soll die von Recay beantragte Sonderprüfung die Aufsichtsratsvergütung, „unberechtigte Informationsweitergabe außerhalb von Hauptversammlungen“ und die Vergütung des Interimsvorstands umfassen.
Eine dem Unternehmen nahestehende Quelle berichtet von einer angespannten Stimmung innerhalb der Belegschaft. Operativ sei Alexanderwerk aber weiterhin erfolgreich unterwegs. Laut einer Stellungnahme des Betriebsrats verunsichern die „ständigen Ad-hoc-Mitteilungen“ die Mitarbeiter zunehmend. Die größte Sorge sei, ob Yavuz als Geschäftsführer oder Vorstand zurückkommen könne. In der Mitteilung ist von einem „aggressiven Führungsstil“ die Rede, den primär Yavuz in der Zeit von Mai 2022 bis November 2023 an die Belegschaft gerichtet habe.
HWT Invest kontert den Recay-Vorstoß mit einem eigenen Antrag auf eine Sonderprüfung, die Ex-Vorstand Yavuz in den Blick nimmt. Laut HWT-Eigentümer und Vorstand Schmitt sollen Geschäftsbeziehungen zwischen Alexanderwerk und Unternehmen der Recay-Gruppe untersucht werden. Die heutige Recay, an der Alexanderwerk mit 25% beteiligt ist und die als assoziiertes Unternehmen geführt wird, geht auf eine Ausgliederung im Zuge der Alexanderwerk-Krise vor etwa 15 Jahren zurück.
Später kaufte Alexanderwerk die Produktion zurück. Die in Bad Brückenau ansässige HWT ist aus der Bank Schilling hervorgegangen, die 2019 an die Merkur Bank verkauft wurde. Im Geschäftsbericht von Alexanderwerk wird der HWT-Anteil mit 25,5% per Ende 2023 angegeben, laut Schmitt sind es jetzt etwa 29%. Mit der Beteiligung fühlt sich der HWT-Chef nach eigenem Bekunden sehr wohl.
Drei Kandidaten für zwei Aufsichtsratsposten
Da Kullmann und der amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Daum zurücktreten, steht die Wahl von zwei neuen Mitgliedern für das Kontrollgremium an. Dafür gibt es bisher drei Kandidaten: HWT schlägt Olaf Stiller aus Marburg, bis vor kurzem Aufsichtsratschef der auf biopharmazeutische Generika spezialisierten Formycon, sowie den Recay-Vertreter Francisco José Carlon Clemente vor. Als dritter Kandidat stellt sich der Privatier und Alexanderwerk-Aktionär Andreas Appelhagen aus Porta Westfalica zur Wahl. Er hat sich selbst vorgeschlagen.
Bemerkenswert ist bei alledem, dass die operativen Geschäfte sehr ordentlich laufen. Die Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern (Ebit-Marge) bewegte sich in den vergangenen Jahren bei 20% und mehr. Der Dividendenvorschlag für das Geschäftsjahr 2023 beläuft sich auf 1 Euro nach splitbereinigt 0,75 Euro für das Vorjahr. Für das laufende Jahr prognostiziert der Analyst Jens Nielsen von GSC Research 7,7 Mill. Euro Ebit aus 33 Mill. Euro Umsatz.
Erfolgreich mit Fleischwolf
Bekannt geworden ist das 1885 gegründete Unternehmen mit seinem handbetriebenen Fleischwolf aus Guss, den der Gründer Alexander von der Nahmer in Amerika entdeckte und in Lizenz in Deutschland fertigte, und anderen Haushaltsgeräten. Heute stellt Alexanderwerk Kompaktier- und Zerkleinerungsmaschinen für Kunden aus Chemie, Pharma und Lebensmittelindustrie her und gilt in manchen Bereichen als weltweit führend.
Bei Alexanderwerk tut sich Ungewöhnliches. Zwei Aktionäre stehen sich mit Sonderprüfungsanträgen gegenüber, ohne gerichtliche Mandatsverlängerung wäre das Unternehmen führungslos. Auf der Hauptversammlung dürfte es hoch hergehen.