Bergbauindustrie steckt in tiefer Krise

Überkapazitäten und mauer Verbrauch drücken Rohstoffpreise auf Mehrjahrestiefs - Steigende US-Zinsen und fester Dollar belasten zusätzlich - Besserung erst 2017

Bergbauindustrie steckt in tiefer Krise

Die in Zeiten des Rohstoffbooms aufgebauten Produktionskapazitäten haben die Preise für Kupfer, Aluminium oder Eisenerz auf mehrjährige Tiefststände gedrückt, da der aktuelle Verbrauch deutlich hinter den Prognosen früherer Jahre zurückbleibt. Milliardenabschreibungen und großer Margendruck prägen nun die Bilanzen der großen Bergbaukonzerne. Die erwartete Zinsanhebung in den USA, die den Dollar stärken dürfte, wird die Nachfrage zusätzlich bremsen. Höhere Gewinne sagen Analysten erst für 2017 voraus.Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDie herben Kursverluste der Bergbaukonzerne sprechen für sich. Die Branche befindet sich in einer der schwersten Krisen, die sie je durchzustehen hatte. Dabei ist es um das gegenwärtige und für die nächsten ein, zwei Jahre vorausgesagte Wachstum der Weltwirtschaft, das normalerweise ein brauchbarer Indikator für die Konjunktur der Rohstoffindustrie ist, gar nicht so schlecht bestellt. Doch vor wenigen Jahren lagen die Prognosen für die heutige Nachfrage deutlich oberhalb dessen, was nun tatsächlich verbraucht wird.So wie Stromversorger viele Jahre vor Eintritt des vorausgesagten (Mehr-)Bedarfs mit der Planung und dem Bau ihrer Kraftwerke beginnen müssen, so müssen auch Rohstoffproduzenten lange im Voraus ihre Projekte starten. Das haben sie auch getan – was sich nun, da die Nachfrage deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt, als Fehlentscheidung entpuppt. Gleich um welchen Rohstoff es sich handelt, ob Eisenerz, Kohle, Aluminium oder Kupfer: Auf praktisch jedem Markt gibt es gewaltige Überkapazitäten. Das hat zu drastischen Preisrückgängen geführt. Hinzu kommen Abschreibungen in Milliardenhöhe auf laufende Projekte und Assets. Das hinterlässt in den Bilanzen der Minenkonzerne deutliche Spuren: Die Ergebnisse brechen ein.Zu den Kursverlusten an der Börse, die sich seit Mitte 2014 auf 30 % (Rio Tinto) bis über 70 % (Glencore, Freeport-McMoRan) belaufen, kam es in zwei Etappen (siehe Chart). Der erste Kursrutsch setzte Anfang Juli 2014 ein und lief bis kurz vor Weihnachten; zu dieser Zeit wurde deutlich, welche Überkapazitäten sich an den Rohstoffmärkten gebildet hatten. Die zweite Rutschpartie – die noch nicht beendet ist – startete Anfang Mai dieses Jahres, als Gewinnerosion und Abschreibungsbedarf solche Ausmaße annahmen, dass um die Existenz selbst von Börsenschwergewichten wie Glencore gefürchtet wurde. Als Ende September Gerüchte aufkamen, der Konzern könne möglicherweise seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, wenn die Rohstoffpreise noch länger auf dem gedrückten Niveau bleiben, kollabierte der Kurs. Doch wie die Konkurrenz kündigte auch Glencore ein hartes Sparprogramm und den Verkauf von Assets an. Das in der Schweiz ansässige Unternehmen war bis 2013 ein reiner Rohstoffhändler; dann wurde der Minenbetreiber Xstrata, an dem Glencore bereits 34,4 % hielt, übernommen. Durch die Handelskomponente ist der Umsatz von Glencore im Vergleich zu den Wettbewerbern aufgebläht (siehe Grafik). Unglück in BHP-Billiton-MineÜber die Branche gesehen ist das Ausmaß der Kursverluste höchstens mit den Einbußen in der Hochphase der Finanzkrise (Herbst 2008) vergleichbar. Sogar der Aktienkurs von Branchenführer BHP Billiton ist an der Londoner Börse seit Mitte 2014 um die Hälfte zurückgegangen (siehe Tabelle), obwohl die Gruppe die wohl ausgewogenste Aufteilung nach Rohstoffen hat. Doch jüngst hat ein Unglück in der brasilianischen Eisenerzmine Samarco viel Unsicherheit erzeugt. Noch ist völlig unklar, welche finanziellen Folgen der Dammbruch und die Schlammlawine haben werden. Bis in der Mine wieder produziert werden kann, dürften mehrere Jahre vergehen.In Kürze könnte es einen weiteren Abwärtsschub für die Preise und Aktienkurse geben: Wenn, wie weithin vermutet wird, die Federal Reserve Mitte Dezember erstmals seit 2006 die Leitzinsen erhöhen wird. Zwar ist offen, ob man dann gleich vom Beginn eines Zinsanhebungszyklus in den USA sprechen kann – was wohl nur bei zunehmender Inflation der Fall wäre -, doch steigende Zinsen sind Gift für die hoch verschuldeten Minenbetreiber, deren Geschäft äußerst kapitalintensiv ist (Maschinen, Fuhrpark) und die zudem in den vergangenen Jahren in Erwartung hoher Verbrauchszuwächse eine Vielzahl größerer und kleinerer Akquisitionen auf Pump getätigt haben – von denen einige bislang nur rote Zahlen zum Konzernergebnis beisteuerten, während andere mit Verlust wieder abgestoßen wurden. Zudem führt ein wachsender Zinsvorteil in den USA beispielsweise gegenüber Euroland tendenziell zu einer Stärkung des Greenback, was die Nachfrage nach Rohstoffen drückt, da diese in Dollar abgerechnet werden und damit Erze, Kohle, Industrie- und Edelmetalle für Käufer aus dem Nicht-Dollarraum teurer werden. Die gleiche Wirkung hätte für chinesische Einkäufer eine weitere Abwertung des Renminbi.In einem optimistischen Szenario wachsen die Volkswirtschaften Chinas und der USA stärker als erwartet. Das könnte zu staatlichen Infrastrukturprogrammen mit entsprechendem Rohstoffbedarf führen. Ein solcher Investitionsboom würde auf die Konjunktur anderer Länder abstrahlen. Tatsächlich wird die Bergbauindustrie an der Börse derzeit wohl zu negativ gesehen. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse liegen auf Basis der verhaltenen Gewinnschätzungen für 2017 (Konsens) fast durchweg unter 10, was günstig wäre. Zudem signalisieren Kurs-Buchwert-Verhältnisse von unter 1 meist eine fundamentale Unterbewertung.