Bertelsmann-Tochter strebt an Amsterdamer Börse
ab Köln – Im Wege einer Privatplatzierung und eines Listing an der Börse in Amsterdam blasen Bertelsmann und die marokkanische Saham Group zum Teilrückzug bei Majorel. Der 2019 aus der Taufe gehobene Callcenter-Betreiber, an dem die Partner jeweils 50% halten, gab am Dienstag den Startschuss für die Öffnung für den Kapitalmarkt. Die Eckdaten sind dürftig, das Feld für die Privatplatzierung ist jedoch sondiert. Noch in diesem Jahr sollen die Aktien an der Euronext in Amsterdam gelistet werden.
Als Joint Global Coordinators und Joint Bookrunners sind BNP Paribas, Citigroup und J.P. Morgan mandatiert, daneben fungieren auch Bank of America, Goldman Sachs und UBS als Joint Bookrunners. Die Aktien, die im Wege einer Platzierung institutionellen Investoren zur Zeichnung angeboten werden, stammen ausschließlich aus dem Besitz der Altaktionäre. In welchem Umfang sich die Alteigentümer von Aktien trennen wollen, ist nicht bekannt. Die Rede ist lediglich von einem „angemessenen Streubesitz“, der für ausreichend Liquidität in der Aktie sorgen soll. Nach Informationen der Börsen-Zeitung könnte sich der Streubesitz letztlich auf 40 % belaufen. Die beiden Altaktionäre würden sich umgekehrt auf Anteile von jeweils 30 % zurückziehen. „Wir sehen uns beide in der Zukunft in der Gesellschafterrolle bei Majorel“, hatte Bertelsmann-Finanzchef Rolf Hellermann erst in der Vorwoche im Interview der Börsen-Zeitung gesagt (vgl. BZ vom 1. September).
Zugleich betont Bertelsmann, auch nach der Privatplatzierung „strategischer Aktionär“ zu bleiben. Wie Majorel erklärt, wird Bertelsmann den Callcenter-Betreiber auch nach dem Börsengang konsolidieren. Ermöglichen soll das die Anzahl der von Bertelsmann besetzten Sitze im Board. „Majorel ist weiterhin fester Bestandteil unserer Global Services, die wir organisch und durch M&A deutlich ausbauen wollen“, wird Bertelsmann-Chef Thomas Rabe zitiert.
Nach früheren Angaben gestehen die begleitenden Banken dem Callcenter-Betreiber eine Bewertung in der Größenordnung von 3 Mrd. Euro zu. Das Gemeinschaftsunternehmen hat seinen Sitz in Luxemburg und zählt sich zu den weltweit führenden Anbietern von Customer-Relationship-Management (CRM). Majorel ist in 31 Ländern vertreten, zählt nach den Angaben mehr als 63 000 Beschäftigte und mehr als 400 Kunden, darunter zahlreiche Firmen aus der Tech-Industrie. Platzhirsch ist die französische Teleperformance, die 2020 einen Umsatz von 57 Mrd. Euro erwirtschaftete.
Seit der Gründung 2019 sei Majorel dynamisch gewachsen, heißt es. Im abgelaufenen Turnus wuchs der Umsatz um 14 % auf 1,34 Mrd. Euro, das bereinigte operative Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) von 196 Mill. Euro, entsprechend einer Marge von mehr als 14 %. In der ersten Jahreshälfte kletterten die Erlöse um 35 % auf 842 Mill. Euro, wobei sich das organische Wachstum nach den Angaben auf 18 % belief. Das operative Ergebnis landete zeitgleich bei 154 Mill. Euro.
Das weltweite Marktvolumen für CRM-Lösungen wird auf 305 Mrd. Euro taxiert. Das Gros erbringen die meisten Firmen jedoch selbst, ausgelagert sind nur etwa 30 %. Wie es heißt, verfügt Majorel über eine lange Liste für mögliche Akquisitionen, um die weltweite Präsenz auszubauen. Dazu passt, dass der Markt stark fragmentiert ist. Nach Majorel-Angaben bringen es die zehn größten Callcenter-Betreiber lediglich auf einen Marktanteil von 27 %.
Konkret hat sich Majorel zum Ziel gesetzt, künftig mehr als 40 Länder weltweit zu beackern. Ein Schwerpunkt soll dabei in Ostasien liegen. Zu Beginn des Jahres erwarb Majorel das CRM-Geschäft des Dienstleistungsunternehmens Arvato, das Bertelsmann ursprünglich jenseits des Joint Ventures verwerten wollte.
Kein Rückgriff auf Ressourcen
Das Bekenntnis von Bertelsmann zu Majorel erstaunt insoweit, als Rabe das CRM-Geschäft 2018 zum Verkauf gestellt hatte, seine Preisvorstellungen jedoch nicht durchsetzen konnte. Das Joint Venture (JV) mit Saham war insofern nur ein Notnagel, das zum Start 2019 mit einer Eigenkapitalspritze in nicht genannter Höhe versehen wurde. Künftig werde das Gemeinschaftsunternehmen „ohne Rückgriff auf Bertelsmann-Ressourcen“ auskommen müssen, hatte der Bertelsmann-Chef seinerzeit klargestellt.