Big Tech erobert den 5G-Markt
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Mit dem Wechsel zum 5G-Mobilfunkstandard werden die Karten unter den Telekommunikationsausrüstern neu gemischt. Dabei sah es – nach einer jahrelangen Konzentrationswelle – zunächst nach einer weiteren Verschärfung der oligopolistischen Angebotsstruktur aus. Denn der anfängliche Marktführer Huawei musste aufgrund von geopolitisch motivierten Sanktionen in zahlreichen Ländern einen drastischen Einbruch im Netzwerkgeschäft hinnehmen. Aufgrund von Sicherheitsbedenken westlicher Regierungen bei kritischer Infrastruktur durften sich die Telekomnetzbetreiber nur noch eingeschränkt bei Huawei bedienen und sahen sich mehr oder minder einem Duopol aus Ericsson und Nokia gegenüber.
Allerdings haben hohe Preise und teilweise Lieferschwierigkeiten bereits den Markteintritt neuer Anbieter wie Cisco oder auch Samsung begünstigt. Während Samsung mit milliardenschweren Einzel-Deals wie dem mit Verizon auf sich aufmerksam gemacht hat, hat vor allem Cisco Boden gutgemacht. Im Markt für Netzwerktechnik insgesamt führte zuletzt noch immer Huawei mit einem Anteil von gut einem Drittel gefolgt von Cisco, die es auf 15,3% bringen. Erst dahinter kommen Nokia und Ericsson. Im 5G-Markt hat sich Ericsson dagegen Gartner zufolge auch technologisch eine klare Führungsposition erworben und liegt vor Huawei und Nokia. Das globale Marktvolumen wird für nächstes Jahr auf 25,3 Mrd. Dollar geschätzt, ein Plus von rund 70% gegenüber 2020.
Nachfrage steigt
Mit der steigenden Nachfrage nach 5G auch bei privaten Unternehmen kommen allerdings noch andere Player ins Geschäft, deren geballte Finanz- und Innovationskraft geeignet ist, die etablierten Anbieter das Fürchten zu lehren. „Hyperscaler haben in den letzten Monaten ihre Präsenz auf dem 5G-Netzwerkmarkt erhöht und ihre 5G-Edge-Angebote erweitert“, sagt Sylvain Fabre, Senior Research Analyst bei Gartner, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir schätzen, dass bis Ende 2025 mindestens einer der Hyperscaler 75% der Technologien besitzen wird, die für die 5G-Netzwerkinfrastruktur von Kommunikationsdienstleistern und den Betrieb benötigt werden.“
Hyperscaler wie Amazon Web Services, Microsoft Azure oder Google Cloud und andere Anbieter, so Fabre, bieten Nischenlösungen für Edge-Computing, Kern- und Funkzugangsnetze (RANs) sowie wichtige Edge-Funktionen wie Data & Analytics an. „Deshalb sind sie in Bezug auf Angebote und Preise äußerst wettbewerbsfähig, denn sie haben Skalierungsmöglichkeiten, die von herkömmlichen Anbietern nicht erreicht werden können.“ Ein weiterer Punkt ist das geringe finanzielle Risiko, das die Konzerne tragen. Sie setzen auf erprobte Soft- und Hardware-Lösungen und passen sie für neue Zwecke an. Investitionen sind kaum nötig. Die Marktforscher gehen davon aus, dass die Nutzung von Hyperscaler-Infrastrukturen durch große Telekomnetzbetreiber für 5G-Kernnetztechnik und Mobile Edge Computing von 5% in diesem Jahr auf 50% im Jahr 2025 steigen wird.
Mehr Komplexität
Die Entwicklung ist eine Herausforderung für die Telekomausrüster wie auch für die Netzbetreiber. Letzteren war die Abhängigkeit von einem kleinen Oligopol schon seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge, denn sie tun sich schwer mit gigantischen Netzinvestitionen, vor allem in Europa, wo der scharfe Wettbewerb um Kunden, Preise und Cash-flows unter Druck hält. Daher experimentieren alle Netzbetreiber mehr oder minder umfassend mit Open RAN, einer Plattform, die die Nutzung von Equipment mehrerer Anbieter auf einer Antenne ermöglichen soll. Allerdings geht es damit nur zäh voran. Das wachsende Angebot der Hyperscaler müssen die Netzbetreiber aus Kosten- und aus Kapazitätsgründen in Betracht ziehen. Allerdings erhöht es insgesamt auch die Komplexität der Netze.
Für die Telekomausrüster empfiehlt sich „am besten eine Partnerstrategie mit den Hyperscalern“, meint der Gartner-Experte. Denn sie können, was Software-Kompetenz und Rechnerkapazitäten angeht, nicht gegen Big Tech antreten. Umgekehrt haben sie Expertise bei Netzantennentechnik und -ausbau, die den Hyperscalern fehlt. Dennoch dürfte der Markt für private Campusnetze zunehmend umkämpft werden. Nokia hatte diese „Campusnetze“ früh als Wachstumschance erkannt. Spektrum steht bereit. In Deutschland hatte die Bundesnetzagentur eigene Kapazitäten aus der Auktion für die öffentlichen Netze herausgenommen und den Unternehmen gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt. Beim Bau von 5G-Campusnetzen, wo mitunter die gesamte Kette von Beschaffung, Produktion und Logistik digital verknüpft werden soll, entstehen sehr hohe Datenvolumina.
Etablierte Anbieter zu teuer
Bei deren Bewältigung kommen meist ohnehin die Hyperscaler ins Spiel. Sie können nun sukzessive ihre Kompetenzen ausweiten, durch Kooperationen oder kleinere Zukäufe ergänzen und einen immer größeren Teil des Netzgeschäfts erobern. Dies zumal wenn sie durch Zusammenarbeit mit kleineren Anbietern insgesamt günstiger anbieten können als die großen Netzbetreiber. Zahlreiche mittelständische Unternehmen mit Interesse an Campusnetzen beklagen die aus ihrer Sicht zu teuren Angebote der etablierten Player.