Brenntag-Chef bescheinigt Europas Chemieindustrie „massive Überkapazitäten“
Brenntag-Chef fordert Abbau „massiver Überkapazitäten“
Kohlpaintner bescheinigt Europas Chemieindustrie strukturelle Probleme
ab Köln
Die schwierige Lage in der globalen Chemieindustrie treibt Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner um. „Ich bin jetzt seit 32 Jahren im Geschäft und habe noch nie zuvor einen so langen Abschwung im Chemiezyklus erlebt“, sagt Kohlpaintner im Interview. Wenngleich der Manager der Ansicht ist, dass der weltweite Chemiezyklus die Talsohle erreicht hat, sorgt er sich um die Entwicklung auf dem alten Kontinent: „In Europa haben wir das schwierigste Umfeld. Hier haben wir teils massive, nicht wettbewerbsfähige Überkapazitäten“, konstatiert der Chef des weltgrößten Chemielogistikers und ergänzt: „Es muss sich in der Konsolidierung etwas tun, um weiterhin wettbewerbsfähige Spieler hervorzubringen.“
Importe aus China rollen heran
Die klassische Zyklusbewegung, in der wenige Quartale nach der Stabilisierung der Nachfrage die Preise wieder anzögen, werde in Europa vermutlich nicht stattfinden. Neben konjunkturellen spielten dabei auch strukturelle Probleme eine Rolle. „Das macht die Region momentan sehr vulnerabel“, resümiert Kohlpaintner und verweist auf die energieintensiven Wertschöpfungsketten, bei denen die Europäer vergleichsweise deutliche Kostennachteile haben.
Obgleich auch China „riesige Überkapazitäten geschaffen“ habe, sei die Lage dort nicht ganz so düster. Denn mangels inländischer Nachfrage werde einfach mehr exportiert. „Das drängt zukünftig zusätzlich vor allem nach Europa, weil sich die Amerikaner durch Schutzzölle absichern werden“, prophezeit Kohlpaintner. Anders als beispielsweise in der Stahlindustrie sieht der Brenntag-Chef jedoch keine Anzeichen dafür, dass der chinesische Staat chemische Exporte subventioniert. „Man muss anerkennen, dass die chinesischen Chemieunternehmen teils sehr gut aufgestellt sind. Gleiches gilt zum Beispiel ja auch für die Automobilindustrie. Wenn man in China unterwegs ist, hat man den Eindruck, wir haben hier vieles verschlafen“, sagt der promovierte Chemiker.
Restrukturierung der Kapazitäten
Zwar ist Kohlpaintner weit davon entfernt, das Ende der europäischen Chemieindustrie herbeizureden: „Die Industrie hat stets mit Innovationen und Spezialisierung auf den Druck bei den Industriechemikalien reagiert. Das wird sie auch diesmal tun.“ Doch stehe die Branche vor großen Aufgaben. Neben der Restrukturierung der Kapazitäten zähle dazu auch die Re-Gruppierung der Portfolios. „Wir haben in Europa zahlreiche Chemieunternehmen, die ich in der heutigen Größe nicht für dauerhaft wettbewerbsfähig halte“, sagt Kohlpaintner. Die regional besten Aussichten bescheinigt der Brenntag-Chef Nordamerika. Das sei „die Region, die in der nächsten Dekade im Chemiebereich sehr erfolgreich sein wird“, glaubt der Brenntag-CEO.
Im Interview Seite 9