Brexit wirft auch IPO-Markt zurück

Goldman Sachs: Unsicherheit und Volatilität belasten - In Europa Emissionen auf Niveau von 2011 erwartet

Brexit wirft auch IPO-Markt zurück

Die Verunsicherung über ein mögliches Ausscheiden Großbritanniens aus der EU belastet auch den Markt für Eigenkapitaltransaktionen. Bisher hält sich die Volatilität im Rahmen. Investmentbanker können den Verwerfungen auch etwas Gutes abgewinnen: Chancen bieten laut Goldman Sachs etwa Kapitalerhöhungen zur Bilanzreparatur.wb Frankfurt – Unternehmen, die sich für den Gang an die Börse warm laufen, sollten sich vom Brexit-Entscheid nicht beirren lassen. Das rät Christoph Stanger, der das Europageschäft mit Neuemissionen und Kapitalerhöhungen von Goldman Sachs leitet. Denn sonst seien sie nicht vorbereitet, wenn der Markt wieder öffne. Die Bank hat etwa 20 Kandidaten europaweit “in der Pipeline”, die bis Ende des ersten Quartals 2017 an die Börse gehen könnten. Hierzulande sind es keine fünf. Namen nennt Stanger nicht. Bekannt ist, dass RWE das Geschäft mit erneuerbaren Energien als Innogy platzieren will. Und die Investoren der IVG Immobilien wollen mit dem Kerngeschäft namens Officefirst Kasse machen. Spekuliert wird darüber, dass der Baustoffhersteller Xella mit neuem Management seine Börsenpläne wider aus der Schublade zieht. Als sehr gering gilt die Wahrscheinlichkeit, dass Hellofresh und Aurelis (Gewerbeimmobilien) ihre Absichten wiederbeleben; BGP (Wohnimmobilien) könnte es doch noch versuchen wollen. Hinzu kommen Uniper, der Spin-off von Eon, sowie irgendwann die Aufspaltung der Metro.”Die Volatilität ist nach wie vor erstaunlich niedrig”, beobachtet Stanger. Dies berge die Gefahr, dass sie noch steige. Die Bewertungen in Europa seien auf “Okay-Niveau”, also nicht übertrieben. An der Zinsfront rechnet Goldman Sachs damit, dass in den USA die Wahrscheinlichkeit von Zinserhöhungen sinke und sie für eine Erhöhung steige. Die “extremen Verwerfungen” nach dem unerwarteten Ausgang des Brexit-Votums hätten die Währungsseite und Bankaktien in Europa getroffen, nicht Aktien und Kreditmärkte außerhalb Großbritanniens. Die Schätzung der Makroökonomen des Hauses für das Pfund liege jetzt bei 1,20 Dollar. Die Gefahr seien volkswirtschaftliche Wachstumsrevisionen. Insofern fehle es derzeit an “Upside für die Aktienmärkte”. Diese Faktoren und anstehenden Wahlen in Italien sowie 2017 in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland sorgten zudem für Unsicherheit an den Kapitalmärkten. Die Mittelzuflüsse nach Europa aus den USA seien zuletzt scharf zurückgegangen – schon vor dem britischen Referendum.Stanger rechnet damit, dass das Volumen an Eigenkapitaltransaktionen – Börsengänge, Kapitalerhöhungen und Wandelanleihen und vor allem Umplatzierungen – in Europa im zweiten Halbjahr etwa ebenso hoch wie in den ersten sechs Monaten ausfallen könnte. Bis Ende Juni ist es um etwa 40 % auf 83 Mrd. Dollar gesunken. Mit 160 Mrd. Dollar läge das Volumen 2016 auf dem Niveau von 2011. Im vorigen Jahr waren es 280 Mrd. Dollar. Das Volumen beschleunigter Platzierungen ist im ersten Halbjahr in Europa von 77 Mrd. auf 39 Mrd. Dollar eingebrochen. Bei IPOs sackte es von 38 Mrd. auf 16 Mrd. Dollar weg.Stanger geht davon aus, dass die Verwerfungen auch Chancen bieten: etwa über Kapitalerhöhungen zur Bilanzsanierung wie zuletzt vom Stahlkoloss ArcelorMittal. Die Notenbanken, voran die Bank of England, sorgten für weitere Liquidität, und Investoren hätten quasi keine Anlagealternative zur Aktie. Zudem hätten die Fonds zuletzt mit größeren Börsengängen gutes Geld verdient – mehr als im breiten Markt. In Zeiten der Unsicherheit herrsche die Tendenz vor, dass Unternehmen für Platzierungen nicht Banken mandatierten, die mit dem höchsten Angebot kämen und einen Deal voll unterschrieben, sondern auf den Rat von Banken setzten, mit denen sie längerfristig arbeiteten (“Agency”), um zu verhindern, dass Blöcke bei den Geldhäusern landeten und unkontrolliert auf den Markt geworfen würden.