Bringdienste kämpfen mit zögerlichen Kunden
hek Frankfurt
Nach dem Wachstumsschub in Zeiten der Corona-Pandemie kämpfen die großen europäischen Essenslieferdienste mit stockenden Bestellungen. Die britische Deliveroo meldet für das vierte Quartal einen Rückgang der Aufträge von 2 % auf 75,1 Millionen. Wettbewerber Just Eat Takeaway muss im Vergleich zum Schlussviertel 2021 sogar ein Minus von 12 % auf 239,8 Millionen Bestellungen hinnehmen.
Diese Einbußen spiegeln das schwierige Verbraucherumfeld. Inflationsbedingte Kaufkraftverluste und die schlechte Konsumstimmung schmälern die Kauflust. Außerdem zieht es viele Menschen nach Wegfall der pandemiebedingten Beschränkungen wieder in Restaurants.
Der schwachen Auftragslage stehen Preisanhebungen und erhöhte Gebühren gegenüber. Folglich schneiden beide Konzerne, die vor allem in Großbritannien miteinander konkurrieren, bei dem über die Plattformen abgewickelten Bruttotransaktionsvolumen (GTV) besser ab als bei den Bestellungen.
Deliveroo zeigt für das fortgeführte Geschäft im Schlussquartal 2022 währungsbereinigt 6 % Wachstum auf 1,8 Mrd. Pfund, während Just Eat Takeaway den Rückgang auf 6 % begrenzen kann und auf 7,1 Mrd. Euro kommt.
Die in Berlin ansässige Delivery Hero kündigt ihr Trading Update für 9. Februar an. Anders als die Wettbewerber veröffentlicht der Konzern keine Angaben zu den Bestellungen mehr. Der Bruttoverkaufswert (GMV) lag im dritten Quartal mit 11,45 Mrd. Euro um 12 % über dem Wert des Vorjahreszeitraums. Die Jahresprognose für den GMV hat Delivery Hero im November an das untere Ende der Spanne von 44,7 Mrd. bis 46,9 Mrd. Euro gezogen.
Deliveroo an der Nulllinie
Fortschritte machen die Bringdienste bei den Ergebniskennzahlen. Diese sind auch dringend notwendig, weil der Kapitalmarkt nicht mehr bereit ist, die mitunter horrenden Verluste ohne Weiteres zu finanzieren. Deliveroo hat in der zweiten Jahreshälfte 2022 nach eigenen Angaben in allen Bereichen annähernd ausgeglichen abgeschnitten, bezogen auf das um Sondereinflüsse bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda).
Beliefen sich die Verluste in der zweiten Hälfte 2021 noch auf 3,2 % des GTV, waren es im ersten Semester 2022 noch 1,9 % und im zweiten etwa 0 %. Für das Gesamtjahr 2022 zeichnen sich damit Verluste von 1 % des GTV ab. Die vorherige Prognose von −1,2 bis −1,5 % werde übertroffen. Die Kundenbasis sei im Jahresvergleich weitgehend stabil. Im vierten Quartal kam Deliveroo auf 7,4 Millionen monatlich aktive Kunden, 1 % weniger als im Vorjahreszeitraum.
Deliveroo habe sich bei der Profitabilität signifikant verbessert, sagt CEO und Firmengründer Will Shu. Für das neue Jahr stellt er weitere Verbesserungen in Aussicht. Mit einer Prognose will sich der Konzern aber erst am 16. März vorwagen. J.P.-Morgan-Analyst Marcus Diebel gibt allerdings zu bedenken, dass die Konkurrenz durch Uber Eats in London zunimmt. Das verstärke seine Besorgnis über die Marketing-Ausgaben.
Just Eat Takeaway hat in der zweiten Hälfte 2022 auf bereinigter Ebitda-Basis schwarze Zahlen geschrieben. Laut der Muttergesellschaft der deutschen Lieferando wurde ein Gewinn von 150 Mill. Euro erzielt. Das entspricht 1,1 % des GTV.
Delivery Hero peilt für 2023 eine adjustierte Ebitda-Marge von mehr als 0,5 % des GMV an. Den 2022er-Verlust veranschlagt das Management nach letzten Angaben auf 1,4 bis 1,5 % des GMV. Das Plattformgeschäft, also Verkauf und Auslieferung von Restaurantessen, sei im dritten Quartal in die Gewinnzone vorgestoßen. Tief in roten Zahlen steckt aber noch die Auslieferung von Supermarktartikeln, Quick Commerce genannt.
J.P. Morgan zählt Delivery Hero weiter zu ihren Favoriten. Analyst Diebel verweist in einer aktuellen Studie auf jüngste Trends im wichtigen Markt Korea, wo Delivery Hero Marktanteile gewinne, und sieht Spielraum für die Veräußerung von verlustbringenden Vermögenswerten (Thailand, Vietnam).