IM BLICKFELD

Britische Politiker für Reform der Corporate Governance

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 19.4.2017 Der Wirtschaftsausschuss des britischen Unterhauses hat sich für die Abschaffung der langfristigen Anreizprogramme für Vorstandsmitglieder und eine Vereinfachung der Vorstandsvergütung...

Britische Politiker für Reform der Corporate Governance

Von Andreas Hippin, LondonDer Wirtschaftsausschuss des britischen Unterhauses hat sich für die Abschaffung der langfristigen Anreizprogramme für Vorstandsmitglieder und eine Vereinfachung der Vorstandsvergütung ausgesprochen. “Die aufsehenerregenden Beispiele schlechter Praktiken der jüngsten Zeit und ein derart in die Höhe getriebenes Vergütungsniveau, dass es unmöglich ist, eine glaubwürdige Verbindung zwischen Bezahlung und Performance zu erkennen, haben in der allgemeinen Öffentlichkeit einen beunruhigenden Mangel an Vertrauen in die Wirtschaft hervorgebracht”, heißt es in dem Bericht des Ausschusses zur Corporate Governance – 25 Jahre nach dem Cadbury Report, der die Grundlage des UK Corporate Governance Code bildete. Verbindliche AktionärsvotenDamit nicht genug: Wenn sich auf der Hauptversammlung mehr als 25 % des Kapitals gegen die Vergütungspolitik aussprechen, soll der Vorsitzende des Vergütungsausschusses zurücktreten und im folgenden Jahr eine verbindliche Abstimmung über die Vergütungspolitik stattfinden. Arbeitnehmervertreter sollen in die Boards Einzug halten und einer von ihnen soll auch im Vergütungsausschuss sitzen. Carolyn Fairbairn, die Chefin des Unternehmensverbands CBI, sah sich zu der Stellungnahme genötigt, dass das Fehlverhalten von wenigen nicht die hohen Standards und das verantwortliche Verhalten der großen Mehrheit der Firmen widerspiegele. “Komplexität bleibt zwar ein Problem bei langfristigen Vergütungsanreizen. Sie aber komplett zu verbieten, würde die Flexibilität der Unternehmen bei der Entlohnung ihrer Führungskräfte verringern.” Stakeholder im Board oder im Vergütungsausschuss sitzen zu haben, könne für manche Firmen sinnvoll sein, “aber jedes Geschäft ist einzigartig”. Der Wirtschaftsausschuss forderte in seinem Bericht zudem, dass ab Mai 2020 Frauen die Hälfte aller neu zu besetzenden Sitze in den Boards von FTSE-350-Unternehmen erhalten sollen. Das Gremium bemängelte zudem, dass lediglich 8 % der FTSE-100-Boardmandate von Nichtweißen wahrgenommen würden.Die von den Parlamentariern vorgelegten Vorschläge gehen weit über die Reformvorhaben der Regierung hinaus. Premierministerin Theresa May hatte im November vergangenen Jahres ein Grünbuch der Regierung zur Corporate Governance im Unterhaus vorgestellt (vgl. BZ vom 30.11.2016). Nach dem Zusammenbruch der Kaufhauskette BHS und Skandalen um die Textilkette Sports Direct war sie mit ihrem Appell zur Mäßigung bei der Managervergütung auch bei Vertretern der Wirtschaft auf offene Ohren gestoßen. May will beim Thema Governance künftig auch die großen privat gehaltenen Unternehmen in die Pflicht nehmen. Die Aktionäre börsennotierter Gesellschaften könnten künftig verbindliche Voten zur Managervergütung abgeben – zu einzelnen Posten oder auch zum Gesamtpaket. Auf diese Weise könnten Unternehmensführer auf Jahresbasis für die Performance zur Rechenschaft gezogen werden. Im Februar kündigte der Financial Reporting Council (FRC), das unabhängige Aufsichtsgremium der britischen Wirtschaftsprüfer und Aktuare, an, den UK Corporate Governance Code einer grundlegenden Prüfung zu unterziehen.”Einfachere Strukturen sind ein wesentlicher erster Schritt bei der Reform der Managervergütung, die Abschaffung der langfristigen Anreizprogramme ist dafür ein natürlicher Ausgangspunkt”, sagte Hans-Christoph Hirt, Head of Hermes EOS, der Börsen-Zeitung. Der Vermögensverwalter begrüßte “die Analyse und die weitreichenden Empfehlungen zur Managervergütung” der Parlamentarier, die dem eigenen Denken entsprächen. Man stimme zu, dass bei Paragraf 172 des britischen Aktiengesetzes, in dem es um die Pflicht der Boardmitglieder geht, den Unternehmenserfolg zu sichern, das Problem nicht in den Formulierungen liege, sondern in der Umsetzung und Durchsetzung der Pflichten. Ein guter Anfang wäre aus Hirts Sicht eine spezifischere Berichterstattung, etwa dazu, wie die Interessen der unterschiedlichen Stakeholder gegeneinander abgewogen wurden. “Wir unterstützen zudem sehr die Idee, dass Unternehmen bei der Rekrutierung ihrer Non-Executive Directors auf den größten Pool geeigneter Kandidaten zurückgreifen, einschließlich der Arbeitnehmervertreter.” Zweifel am FRCDer FRC soll zusätzliche Kompetenzen erhalten. Die Abgeordneten wollen ihn über die Einhaltung der Pflichten der Boardmitglieder nach Paragraf 172 wachen lassen. Dazu soll ein Ampelsystem entwickelt werden, das in einfacher Weise – rot, gelb oder grün – zeigt, ob der Board eines Unternehmens seiner Verantwortung gerecht wird. Das Aufsichtsgremium bezeichnete den Bericht der Parlamentarier als “vernünftig und weitreichend”. Die Tiefe und Breite der Empfehlungen der Parlamentarier hätte wesentliche Auswirkungen auf den Aufgabenbereich, die Ressourcen und die Finanzierung des FRC, wenn sie angenommen werden sollten. Der Ausschuss habe viele der Empfehlungen des FRC aufgegriffen, mit denen das Vertrauen in die Wirtschaft wiederhergestellt werden soll.”Wir haben etwas Bedenken, was die für den FRC vorgesehene Rolle angeht”, sagte Hirt. “Sie weicht signifikant vom derzeitigen Modell der Selbstregulierung ab und würde wesentliche zusätzliche Ressourcen erforderlich machen.”