Britische Regierung will Bahnbetrieb zentral steuern
hip London – Der britische Verkehrsminister Grant Shapps hat angekündigt, dass die Regierung künftig Preise und Fahrpläne im Bahnverkehr festlegen will. Die von der Coronavirus-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise biete die Möglichkeit, für “eine andere Art von Bahn” zu sorgen. Was ihm dabei vorschwebt, kommt fast einer Rückabwicklung der unter Premierminister John Major vorgenommenen Privatisierung gleich. Wie Shapps vor dem Verkehrsausschuss sagte, geht es ihm darum, die zersplitterte Bahn wieder zusammenzuführen.Unter dem derzeitigen System kassieren die privaten Betreibergesellschaften der einzelnen Strecken die Fahrpreise und führen einen Teil dieser Einnahmen an das Schatzamt ab. Das sorgt dafür, dass Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Britische Pendler klagen seit Jahren über heruntergekommene und überfüllte Züge, während die Preise für Zeitkarten jährlich stiegen. Bahnbetreiber lieferten sich erbitterte Arbeitskämpfe mit den Gewerkschaften, die den Betrieb mancher Strecken fast zum Erliegen brachten. Im März hatte die Regierung unter Berufung auf den Corona-Notstand die Kontrolle übernommen, was den Betreibern entgegenkam, deren Umsätze wegen schrumpfender Passagierzahlen wegzubrechen drohten. Im September laufen die Vereinbarungen dazu aus, was der Regierung neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.Künftig sollen die Einnahmen komplett abgeführt werden. Bahnunternehmen sollen stattdessen für klar definierte Dienste eine feste Gebühr erhalten. Shapps verglich sein Vorhaben mit der Art und Weise, wie Transport for London den öffentlichen Nahverkehr in der britischen Metropole betreibt. Dort wurden Bahngesellschaften mit dem Betrieb von Strecken von London Overground beauftragt – nach den Vorstellungen der Verkehrsbetriebe. Der staatliche Netzbetreiber Network Rail könnte ähnliche Kompetenzen zur Auftragsvergabe erhalten. Die Vorschläge sollen in den Abschlussbericht einer 21 Monate währenden unabhängigen Überprüfung der Zustände im Bahnverkehr unter Führung des ehemaligen British-Airways-Chefs Keith Williams einfließen.In Großbritannien sind zahlreiche internationale Bahnbetreiber unterwegs. So wird die West Coast Main Line, die London mit Nordwestengland und dem Süden Schottlands verbindet, von Avanti bedient, einem Joint Venture von First Group und Trenitalia. Die Deutsche-Bahn-Tochter Arriva verlor im März ihre Lizenz zum Betrieb von Northern Rail. Auch die niederländische Abellio und Keolis, die mehrheitlich der französischen SNCF gehört, sind im Vereinigten Königreich aktiv.