Brüninghoff trotzt der Krise am Bau
SERIE ZUVERSICHT STATT GERMAN ANGST: FRANK STEFFENS IM GESPRÄCH
Brüninghoff trotzt der Krise am Bau
Mit Anpassungsfähigkeit zum Erfolg – Hybridbauspezialist etabliert sich als „Totalunternehmer“ – Vorteil als Ausbildungsbetrieb
Von Annette Becker, Köln
Die Bauindustrie steckt seit fast drei Jahren in der Krise. Die Stimmung in der Immobilienwirtschaft hat sich zwar etwas aufgehellt. Dennoch wagt kaum jemand eine Prognose, wann sich der Markt wieder erholt. Nicht so Frank Steffens, Chef des Hybridbauspezialisten Brüninghoff Group. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass die Baunachfrage im kommenden Jahr wieder anspringen wird. Durch die Krise kam das Unternehmen nicht zuletzt dank der hohen Anpassungsfähigkeit.
Auf der Immobilienmesse Expo Real ist die Stimmung in der vorigen Woche zwar besser gewesen als im Jahr davor. Doch die Krise der Immobilienwirtschaft und damit auch der Bauindustrie in Deutschland ist noch nicht vorbei. Zinswende und Inflation entzogen der Branche vor fast drei Jahren die Wachstumsgrundlage. Die Zahl der Baugenehmigungen ist drastisch zurückgegangen, die Transaktionsvolumina am Immobilienmarkt sind eingebrochen und zahlreiche Bauvorhaben wurden auf Eis gelegt oder ganz abgeblasen.
Vom Trübsal blasen ist Frank Steffens, CEO der Brüninghoff Group, jedoch weit entfernt: „Nächstes Jahr wird die Baunachfrage wieder steigen. Das ist so klar wie Kloßbrühe“, sagt der Chef des auf Hybridbau spezialisierten Unternehmens voller Zuversicht. Das ist mehr als Wunschdenken, weil die Zinsen weiter sinken und die Industrie handeln muss, wie Steffens argumentiert. Nach mehreren Jahren Krise hätten die Unternehmen inzwischen Wege gefunden, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. „Die Unternehmen werden nicht sterben. Der Urinstinkt eines Unternehmers ist zu überleben“, weiß Steffens, der selbst Sohn eines Bauunternehmers ist.
Erste Anpassungsschritte
Zwar glaubt auch er nicht, dass in großem Umfang neue Industriegebäude entstehen. Darum gehe es jedoch gar nicht. Das Motto der Stunde laute Bauen im Bestand. Denn die Krise habe dafür gesorgt, dass sich heute jedes Unternehmen mit seinem Flächenbestand auseinandersetze. Lieferketten würden zurückgeholt, neue Geschäftsmodelle entstünden und der viel beklagte Fachkräftemangel zwinge Unternehmen zum Umdenken und bringe sie nicht selten auf kreative Ideen. Manche Unternehmen bauten wieder Mitarbeiterwohnungen, andere lenkten den Fokus auf Kitas oder Betriebskantinen, um die Beschäftigten an das Unternehmen zu binden oder auf den Campus zurückzuholen.
„Im Zuge der Megatrends der letzten 20 Jahre entstehen erste Anpassungsschritte. Von diesen kommt das Bauvolumen“, sagt der 45-Jährige und verweist darauf, dass gerade kapitalmarktorientierte Unternehmen ESG-fähige Gebäude benötigen. Genau dort liegen Aufträge für Brüninghoff, denn die Münsterländer haben sich frühzeitig auf die heute relevanten Themen vorbereitet. „Seit sechs Jahren gibt es kein Produkt mehr, das nicht wiederverwertbar oder zirkulär ist“, sagt Steffens nicht ohne Genugtuung. Alle Produkte seien heute ESG-fähig.
Hoher Industrialisierungsgrad
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Brüninghoff kein klassisches Bauunternehmen ist. „Wir entwickeln Bauteile und Prozesse, um bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum zu schaffen“, fasst der Unternehmenschef zusammen und verweist auf den hohen Industrialisierungsgrad der Gruppe. Zwar macht das reine Baugeschäft weiterhin drei Viertel des Gruppenumsatzes von gut 200 Mill. Euro aus. Doch Dreh- und Angelpunkt ist die Produktion vorgefertigter Bauteile mit Spezialisierung auf hybride Fertigteile. Das sind Bauelemente, in denen verschiedene Materialien wie Holz, Beton, Stahl und Aluminium kombiniert sind.
Hervorgegangen ist die Unternehmensgruppe, die 2024 ihr 50-jähriges Firmenjubiläum feiert, aus der Bauschreinerei von Josef Brüninghoff. Aus dem kleinen Handwerksbetrieb mit drei Beschäftigten ist mittlerweile eine europaweit tätige Unternehmensgruppe mit einer Belegschaft von 700 Köpfen geworden, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes vom Planen und Bauen bis hin zum Rückbau organisiert. Das habe auch die Zielgruppen verändert. „Auf einmal habe ich Versicherungskonzerne als Kunde, weil die verstehen, dass wir ein Gebäude ganzheitlich im Lebenszyklus halten“, erläutert Steffens. Daneben gehörten auch Nachhaltigkeits-, Finanzierungs- und Digitalisierungsberatung zum Leistungsangebot, erzählt er.
Die Marge brauchen wir für Reinvestitionen und zum Erhalt der Kostenführerschaft.
Frank Steffens
Der Beschäftigungsaufbau und damit das Wachstum der Gruppe wird sich in den nächsten Jahren gleichwohl nicht im gleichen Tempo wie in der Vergangenheit fortsetzen. Bis 2030 soll die Beschäftigtenzahl konstant gehalten werden. Großes Wachstum sei nicht geplant. Was allerdings gesteigert werden soll, ist die Effizienz. Ziel sei es, mit den gleichen Leuten das Doppelte an Leistung zu erbringen. Das gehe nur über weitere Systematisierung, sagt Steffens und meint damit die noch stärkere Ausdünnung des Sortiments an Fertigbauteilen bei gleichzeitiger Ausweitung der Volumina. Die Herausforderung liege darin, den Ausgleich zwischen Volumen und Wertschöpfungstiefe zu schaffen, um die unternehmerischen Ziele zu erreichen. „Wir haben das in den letzten Jahren über eine immer stärkere Systematisierung geschafft“, erklärt der Manager.
Marge stets im Blick
War Brüninghoff zunächst auf reinen Hallenbau spezialisiert, werden mittlerweile alle „Assetklassen“ bedient. Angefangen beim Industrie- und Gewerbebau über Sport- und Freizeitanlagen – allen voran Reithallen – bis hin zu Büro- und Wohngebäuden. Die breite Aufstellung an der Kundenfront geht Hand in Hand mit der Fokussierung in der Produktion. Die Bauteile sind über alle Anwendungen stark standardisiert. Das reduziert Komplexität und Kosten.
Und darauf kommt es an. Denn nur so ließen sich die Preiserwartungen des Marktes in Ausgleich bringen mit den (steigenden) Kosten, erläutert der studierte Wirtschaftsingenieur, der die operative Marge des Unternehmens fest im Blick hat. „Die Marge brauchen wir für Reinvestitionen und zum Erhalt der Kostenführerschaft.“ Diese reklamiert der Brüninghoff-Chef zumindest im Holzhybridbau für sein Haus.
Veränderung wird zur Normalität
Im Unterschied zu klassischen Bauunternehmen zeichnen sich die Münsterländer durch die extrem breite Aufstellung mit eigenen Beschäftigten aus. Das ist Risiko und Chance zugleich. „Die Markteintrittsschwelle liegt für Bauunternehmen sehr niedrig. Brüninghoff ist anders. Ich muss schauen, dass die Auslastung passt“, sagt Steffens. Daher ist für ihn die oberste Maxime, die 700 Beschäftigte in Lohn und Brot zu halten – unabhängig vom Zyklus. Das hat zur Folge, dass Veränderung zur Normalität geworden ist. „Wir sind durch unsere hohe Anpassungsfähigkeit durch die Krise gekommen“, sagt Steffens und ergänzt, „weil wir vor drei Jahren wieder mit dem Wohnungsbau begonnen haben“. Davor spielte der Wohnungsbau nur die zweite Geige, denn es gab hohe Nachfrage aus dem gewerblichen und industriellen Bau.
Je weniger Player mitspielen, desto günstiger wird es.
Frank Steffens
„Veränderung ist Normalität, das mussten wir lernen“, bekennt der CEO. Veränderung – beispielsweise eine neue Zielgruppe in den Blick zu nehmen – bedeute zwar immer auch Investition und damit in der Übergangsphase eine Ergebnisdelle. Heute zahlt sich der Schwenk auf den sozial geförderten Wohnungsbau jedoch aus: „Jetzt sind wir in der Vollauslastung“, freut sich Steffens.
Rahmenverträge im Trend
Profitiert haben die Münsterländer – der Firmensitz und das Gros der Beschäftigten befinden sich in Heiden, einer 8.600-Seelen-Gemeinde im Westmünsterland – aber auch von ihrer ganzheitlichen Aufstellung. Denn Bund, Länder und Kommunen gingen gerade im industriellen Bereich vermehrt dazu über, Rahmenverträge abzuschließen. Das werde nun auch auf den Wohnungsbau übertragen, erläutert Steffens. Der Markt brauche finanzierbare Lösungen. „Kosteneinsparungen kommen nicht aus Löhnen und Material, sondern aus dem Gesamtprozess. Je weniger Player mitmischen, desto günstiger wird es“, begründet Steffens.
Der im Bau so oft beklagte Fachkräftemangel ist für Brüninghoff dagegen kein größeres Thema. Das liege daran, dass die Gruppe seit 50 Jahren Ausbildungsbetrieb ist. Jedes Jahr kämen 15 bis 20 Auszubildende in 14 Ausbildungsberufen dazu. Die Azubis stellen einen Anteil an der Belegschaft von mehr als 10%. Daher hat Steffens auch kein Verständnis für das Wehklagen mancher Kollegen, die keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellten. „Das ist eine Investition, die man nicht abschreiben kann“, bringt es der Brüninghoff-Chef auf den Punkt.
Hier finden Sie alle Beiträge der Serie Zuversicht statt German Angst.
Bisher erschienen:
BMZ Group verschreibt sich der Elektrifizierung (BMZ Group, 9.10.)
„Wir sehen das Thema Wasserstoff als Riesenchance“ (H2Apex, 2.10.)
„Unsere Branche braucht Migration“ (Dussmann Grpup, 24.9.)